Fünf Tage Larissa: Aus- und Irrwege aus der Flut

13. September, Larissa

So schnell wird wohl kein Weg hinaus führen. Es ist aber gut, dass wir in Larissa sind – in den abgeschnittenen Orten wie Agia und Umgebung in Mavrovouni werden die Lebensmittel knapp. Auch in Larissa schnellen die Preise, insbesondere für Milch und frisches Gemüse, in die Höhe. Die Lieferketten sind unterbrochen, und schlimmer noch: die Gemüsefelder sind überschwemmt oder zerstört. Das Kilo Tomaten kostet weit über zwei Euro, ein Bund Petersilie wird mit 1,50 € gehandelt. Das Trinkwasser funktioniert, es ist sauber, wie die örtlichen Behörden immer wieder versichern – doch über die privaten Fernsehkanäle wird das Gegenteil behauptet : das fördert den Absatz an Einwegwasserflaschen. Die bekommt man, wie an erfährt, in den abgetrennten Ortschaften wie Agia und Agiokampos schon gar nicht mehr.


Mittlerweile hat man sich an das Alltagsleben in Larissa gewöhnt, die Hoffnung, dass die Straße nach Osten wieder frei wird, ist gedämpft. Die Informationen sind zwar wirr, denn es gibt keine verlässliche Nachrichtenseite im Netz, alles basiert auf Gerüchten, die über Social Media und besonders über Hörensagen über Telefon verbreitet werden (In Larissa sind mehrere Online-Nachrichten-Plattformen aktiv – aber sie sind in erster Linie mit Werbung zugepflastert, und die Nachrichten sind – offenbar von halb-privaten verfasst – nicht immer zuverlässig. Nach dem klassischen griechischen Frühstück (Toast, Frappe) suchen wir einen Weg auf den südlichen Teil des Pilion. Hierher sind die Wege frei. In Ano Lechonia gibt es den Bahnhof der noch als Museumsbahn betriebene Teilstrecke der Schmalspurbahn Volos-Milies. An Wochenenden kann man hier tatsächlich noch Fahrten mit den restaurierten Zug aus der Zeit der Jahrhundertwende buchen. Heute ist aber kein Betrieb.

Die verfluchte Villa von Ano Lechonia

Hier stoßen wir auf eine vefrfallene Villa – sie ist legendär und von finsteren Sagen – und wahren, traurigen historischen Ereignissen – umwoben.

Entworfen wurde die Villa im Stil der französischen (Neo)-Renaissance von einem gewissen Evaristo de Chirico. Der Italiener war unter anderem mit der Planung der griechischen Eisenbahnen der Region beschäftigt, nebenbei baute er Villen für Wohlhabende. Den Namen de Chirico schon mal gehört? Richtig. Der Sohn des Architekten war der bekannte durrealistische Maler Giorgio De Chirico (*1888 in Volos, + 1978 in Rom). Vollendet wurde das Haus kurz vor 1900. Die erste Familie, die sich im Haus niederließ, war die Familie Kontos, Gerüchten zufolge begann es im Haus zu spuken, nachdem eine „giftige“ Eidechse in die Milchkaraffe gefallen war und die drei Kinder der Familie getötet hatte. Andere Legenden berichten von Tuberkulose oder Syphilis, die die Kinder dahin gerafft haben soll.

Auch nach dem Auszug der Familie ging der Schrecken, den das Haus verbreitete, weiter:  Während der deutschen Besatzungszeit diente das Gebäude als Hauptquartier der Gestapo. Hier wurde gefoltert und gemordet.. Die letzten Opfer der Gestapo waren zwei Bewohner, die im Dienst der Gestapo gestanden hatten.

1985 wurde das Gebäude von der Gemeinde erworben, mit dem Ziel, hier ein Kulturzentrum einzurichten. Es fand eine Ausschreibung statt, es gab einen Architektenentwurf mit ausführlichen Ausführplanungen. Der Architekt verstarb jedoch, bevor die Pläne eingereicht werden konnten. Man fand einen zweiten Architekten, der die Planungen übernehmen und einreichen sollte – auch er verstarb. Heute ist das Haus nach wie vor eine Ruine. Wahrscheinlich wird ein dritter Projektleiter kaum zu finden sein.

Zurück in Larissa, versuchen wir den Wasserstand an der Ausfallstraße nach Agia zu erkunden. Die alte Brücke über dem Hauptarm des Pinios-Abflusses ist nicht mehr überspült, vier Meter unter ihr strudelt das Wasser des Pinios und von den umliegenden Feldern in Richtung Karla-See.. Das gibt Hoffnung – wenn der Wasserstand hier so weit gesunken ist, müsste doch der Rest des Weges auch frei sein. Ist er aber nicht. Zwischen den Dörfern Elefterio und Gerakari verliert sich die Straße in einer Wasserfläche, eine Polizeisperre steht davor. Wir fragen die Polizisten, ob sie eine Ahnung haben, was weiter passieren wird, und ob sie irgendwelche Umleitungen empfehlen können.. Sie wissen es nicht, niemand weiß irgend etwas – denn eine solche Katastrophe dieses Ausmaßes hat hier seit Menschengedenken nicht stattgefunden. Vielleicht morgen, vielleicht nächste Woche – und vielleicht steigt das Wasser sogar, weil der Karla-See irgendwann voll sei, meinen die Polizisten.

Im „Chalero Kafeneio“ in Larissa

Abends auf dem Balkon – wir sind eigentlich fertig für die Nacht – dringen fröhliche Gesänge unten von der Straße herauf. Es ist schon ziemlich spät in dem Wohnviertel. Aber man kann ja mal sehen, was da gefeiert wird. Im „Chalaro Kafeneion“ (entspanntes Kaffeehaus) einem von Studenten betrieben kleinen Cafe von vielleicht vier Meter Breite und zwanzig Meter Länge, spielt eine improvisierte Laiengruppe traditionelle Rebetika. mit Bousouki und Gitarre. Der Gesang ist sicher verbesserungswürdig – doch der Spaß ist um so größer. Wir bleiben bis Nachts um drei.

14. September: Zoologische Entdeckungen im Überschwemmungsgebiet

Ein weiter Ausbruchversuch am folgenden Tag führt zunächst wieder in Richtung Elefterio. Hier gibt es Feldwege, die etwas erhöht auf einem Damm liegen und nach Sykourio führen, von wo wir uns einen Weg über die Hänge des Ossa nach Agia erhoffen. Auch hier ist nach wenigen Kilometern Schluss.. Über die teils weggerissene Straße springen Fische, manche von ihnen – es sind offenbar junge Forellen – schaffen es tatsächlich, den halben Meter Höhenunterschied des Wasserfalls am Straßenrand zu überspringen und weiter über die Straße hinweg auf die andere Seite zu zappeln.

In einem kleinen Canyon, den die Fluten in die Tomatenfelder gerissen haben, tummeln sich ansehnliche Exemplare von Sumpfschildkröten.

Ein anderer Ausbruchversuch führt nach dem hässlichen Dorf mit dem vielversprechenden Namen „Omorphochori“ (schönes Dorf). Der Ort ist einer der hässlichsten der Gegend, auch hier endet die Straße im Wasser. Zudem versperrt ein von der Flut fortgespülter LKW den Weg.

Auch wenn es zunächst den Anschein hat, wenigstens die Stadt Larissa sei mit dem Schlimmsten davon gekommen – das stimmt nicht. Auf dem Rückweg gelangen wir in das Viertel „Ajos Thomas“. Hier standen die Häuser bis zu zwei Geschossen im Wasser. Die Flut ist hier zurückgegangen, Bulldozer schieben Hausrat, Lehm und Trümmer auf LKW, es riecht bestialisch nach faulem Hochwasser, ein gruseliger Ort. Zwei Streifenwagenbesatzungen nehmen gerade den Fahrer eines Pickups fest wegen des Verdachts der Plünderei.

15. September

Das Ende des Urlaubs naht, die Hoffnung schwindet schon langsam, unseren Ferienort zu erreichen, um wenigstens an die Koffer mit den Flugkarten zu gelangen.. Wir rufen die „100“ an, die Informationszentrale der Polizei. Eigentlich wissen die selten etwas, es geht aber tatsächlich jemand ans Telefon. Der Polizist am Telefon meint, die Straße sei immer noch nicht frei. Wir entgegnen, wir hätten gestern Nacht erfahren, dass Fahrzeuge durchgelassen worden seien. Man erklärt uns, das liege in der Verantwortung des Polizeibeamten vor Ort, man würde den Kollegen aber nicht empfehlen, jemanden durchzulassen. Wieder fahren wir hin. Vor uns eine Polizeistreife und ein ca. 600 Meter langes Stück Straße, etwa 40 cm mit Wasser bedeckt. Die Polizisten schauen weg, als einige Leute – auch wir – durchfahren. Immer noch strömt das Wasser hier Richtung Karla See, auch hier hüpfen die Fische über den Weg. Mehrere Lastwagen passieren die Furt Richtung Agia – es wird höchste Zeit. Denn die Lebensmittelvorräte der Kleinstadt und den umliegenden Dörfern sind am Ende.


Kurz vor Agia biegen wir ab, auf einem höher gelegene Weg, der entlang des alten Karla-Sees führt. Bei dem Ort Kalamaki biegen wir ab Richtung Elafos um den Bergkamm Mavrovouni zu überqueren. Von hier oben breitet sich ein beeindruckendes Panorama aus: Von Süd nach Nord, soweit das Auge reicht, erstreckt sich der in der Abendsonne silbrig glänzende, wiedererstandene Karla-See, in der Ausdehnung, wie ihn die antiken Schriftsteller beschrieben haben.



Im Supermarkt in Agia werden Abends kurz vor acht Uhr eilig die Regale wieder aufgefüllt. Eifrige Angestellte ziehen palettenweise Wasserkisten, Käse, Brot, Obst und Gemüse in den Laden, Die teils noch ausgiebigen Lücken in den Regalen zeigen, woran es gefehlt hatte: neben Getränken vor allem Grundnahrungsmittel wie Brot und Nudeln und Milchprodukte.

Das Meer von Agiocampos ist ruhig wie ein See, das graublaue Wasser lädt zum Baden ein. Aber niemand geht hinein. Die Vorstellung, welcher Unrat über die Flüsse und die gebrochene Kanalisation hier ins Meer gespült wurde, nötigt gehörigen Respekt ab.

Schematische Sicht übver das Hochwassergescheben September 2023: Blaue Pfeile: Nach den Regengüssen 7.-9- Septe,mber rauscht das Wasser zuächt in hoher Geschwindigkeit die Berghänge hinunter und überflutet einzelne Ortschaften und Felder. Erst dan schwillt der Pinios an (grüner Pfeil) und überflutet die an seinem Ufer liegenden Stadtteile und Dörfer. Er staut sich am Tempi-Tal, die Wassermassen fließen dann südostwärts und lassen den Karla-See neu entstehen (roter Pfeil.)

Diese Schilderung erghebt keinerlei Anspruch irgendwelcher Objektivität – es sind subjektive Erlebnisberichte aus dem Winkel eines Halleschen Reisenden. Eine obketivere Darstellung dieser Katastrophe geradezu historischen Ausmaßes findet man beispielsweise hier sowie in den einschlägigen Medienberichten.

Nach dem Regen: erst jetzt kommt die wirkliche Flut

8. September

Auf dem Weg von Agiokampos an der Küste kündigt sich das bevorstehende Drama an. Die in den letzten drei Tagen niedergegangenen Wassermassen bahnen sich ihren Weg über die Chimari (Winterflüsse, im Sommer ausgetrocknete Flussbetten) nicht nur Richtung Meer – sie wälzen sich in das Landesinnere. Im Fernsehen werden Bilder der Schlammfluten gezeigt, die sich vom Pilion ihren Weg durch die an seinem Fuß liegende Hafenstadt Volos bahnen. Volos hat kein Trinkwasser, keine Elektrizität. Das Wasser, das sich in den Ebene um Karditsa und Larissa versammelt hat, kennt ab jetzt nur einen Weg: hinein in den Fluss Pinios, der von hier in Richtung Stomio ins Meer verläuft. Dazu muss das Wasser die Engstelle der Tempi – Schlucht passieren – zuvor staut es sich auf. Die größte Stadt an seinem Ufer ist Larissa. Der Pegel steigt hier rasch an, erste, niedrig gelegene Stadtteile werden überschwemmt.. In der Stadt fällt der Strom zeitweise aus, der Zusammenbruch der Trinkwasserversorgung droht. Aus Sorge um die Verwandtschaft fahren wir dorthin – auch wenn ihr Stadtviertel selbst nicht bedroht ist. Die Idee: wir könnten sie vielleicht auch zu uns holen, wenn in Larissa die Lichter ausgehen. Sowohl Strom und Wasserversorgung funktionieren wieder, als wir am späten Nachmittag ankommen. Das Briefmarkenfernsehn läuft ständig, dramatische Meldungen kommen von den umliegenden Dörfern, die sowohl infolge der primären Niederschläge, nun aber auch durch den Anstieg des Flusses unter Wasser stehen. Bilder von Häusern auf dem flachen Lande, die bis zum Dach unter Wasser stehen. Es gibt wenig Informationen, wo sich welche Wassermassen bewegen, dafür aber unzählige dramatisch inszenierte Einzelfallschilderungen, wobei hier besonders der Privatsender Mega unangenehm auffällt. Wir treffen uns in der Nachbarschaft mit Freunden, die Innenstadt wirkt seltsam entspannt, die Leute gehen an diesem Freitag Abend ihren gewohnten Freizeitbeschäftigungen nach: Ausgehen, Flanieren, als wäre nichts. Es gibt Warnungen, der Fluss könne die Marke 9,50 m übersteigen. Nachts gehen wir zu Fuß in die Viertel am Ufer des Pinios, um die Lage zu checken. In einigen Vierteln ist das Wasser gestiegen, Sandsäcke liegen vor den Eingängen, das Wasser schein jedoch zu verharren und fällt hier auch am nächsten Tag schon wieder.. Man hört keine Polizeisirenen, langsam fahren Feuerwehrfahrzeuge durch die Straßen, sonst nichts. Ein erstaunlicher Kontrast zu der Hochwassersituation, wie man sie von Halle 2013 kennt. Die Stimmung wirkt unaufgeregt und relativ entspannt. Der Eindruck täuscht: Aus den Nachrichten ist zu erfahren, dass die dem Fluss gegenüberliegende benachbarte Kleinstadt Janouli, die anders als Larissa nicht durch Deiche und ein in den 1990er Jahren errichtetes System aus Umflusskanälen und Dämmen geschützt ist, voll Wasser läuft. Viele Bewohner können die überwiegend mehrstöckigen Wohnhäuser nicht verlassen.

Samstag, 9. September

Wir sind in Larissa geblieben. Seit Morgenanbruch donnern unaufhörlich tonnenschwere Militärhubschrauber über der Stadt. Man versucht, vom Hochwasser eingeschlossene Menschen per Seilwinde von den Dächern zu retten. Kamerateams von Mega-TV und anderen Privatsendern haben sich in die Hubschrauber gedrängt, sie filmen hautnah, wie alte Leute mit Seilwinden an Bord der Militärmaschinen gezerrt werden. Verpixelt wird wenig. Beliebt sind auch Aufnahmen, wie Kamerateams die Bewohner überschwemmter Wohnungen „besuchen“, ihnen das Mikrofon unter die Nase halten. Weinende, verzweifelte Menschen bringen Klicks und Quote. In Dauerschleife werden solche Aufnahmen den ganzen Tag wiederholt, kommentiert von sich ins Wort fallenden, aufgeregt schreienden Moderatorinnen und Journalisten. Fakten erfährt man wenig. Der Leiter der Katastrophenschutzbehörde will ein paar Zusammenhänge erläutern – die keifenden Moderatorinnen fallen ihm ins Wort, es gelingt ihm nicht, Wesentliches rüberzubringen.

Auch an diesem Samstag Abend wirkt das Leben im Stadtzentrum von Larissa entspannt. Wir treffen uns mit Freunden in einem Viertel am „Frurio“ (Kastell) die Tavernen sind voll, heiteres Leben. Wir erfahren, dass Freunde (deren Haus auf Platykampos vom Dach her geflutet war, schon mit der ersten Hochwasserwelle vorübergehend eingeschlossen waren, und gerade das Haus notdürftig gereinigt hatten), über die Warn-App „112“ vor einer neuen Hochwasserwelle gewarnt wurden . Sie sollten sich, wie die Bewohner einiger anderer Ortschaften, zur Evakuierung bereit halten. Nun sind sie auch hier in Larissa. Und wir erfahren, dass wir nicht zurück an die Küste nach Agiokampos können – die Verbindungsstraße zwischen Elefterio und Jerakari sei überschwemmt. Huch! Wie kann das sein? Zwei Tage nach Ende der Regenfälle haben nämlich die Wassermasse des Pinios, der sich an der Tempi-Schlucht staute, ihren bis zur Trockenlegung des Karla-Sees bestehenden natürlichen Ausweg gefunden:: östlich von Larissa strömt das Wasser nun zwischen den beiden genannten Orten in Richtung Südosten und ergießt sich über die Felder hinein in das ehemalige Seengebiet. Dort steigt das Wasser nun an, überschwemmt nicht nur wertvolles Ackerland, sondern auch Häuser und Dörfer, die nach der Trockenlegung des Sees hier entstanden sind (Mehr zu diesem See und seiner langen Umweltgeschichte gibt es hier). Auch die Autobahn nach Thessaloniki wird überspült. Wir sind in Larissa „gefangen“. Was wir nicht wissen: Der Zustand wird nun fast eine Woche anhalten. Lediglich der Weg Richtung Athen ist wieder frei, wo wir aber nicht hin wollen. Auch Larissa ist eine schöne Stadt, aber hier haben wir den Urlaub nicht geplant.
In den folgenden Tagen versuchen wir täglich, irgendwelche „Ausbruchswege“ gen Osten in die Berge von Mavrovouni zu finden, lernen dabei lauter mögliche Umwege kennen – und landen ständig irgendwann vor Polizeisperren oder einfach überfluten Straßen und Feldwegen.

Larissa / Volos, 10. September

Hinter der Brücke nach Janouli hat sich eine Menschentraube vor einer Polizeiabsperrung gebildet. Viele Einwohner wollen aus unterschiedlichen Gründen hinüber. Zu den Häusern und ihren Bewohnern führt nur eine vom Katastrophenschutz eingerichtete Schlauchbootverbindung. Viele wollen trotzdem rüber. Berechtigt sind nur betroffene Anwohner, die dies – z.B. über eine gemeldete Adresse – auch nachweisen können. Das sehen viele nicht ein, die „nur mal dort nach Ihren Freunden sehen wollen“. Es gibt immer wieder Disput, Polzisten werden angeschrien und teils beleidigt.

11. September

Tatsächlich ist nicht nur die Autobahnverbindung, sondern auch die alte Landstraße kurz hinter Larissa in Richtung Tempi und Thessaloniki überschwemmt. Am Straßenrand unzählige überflutete Fabriken, umgestürzte Bienenstöcke schwimmen im Wasser, die Tiere schwirren orientierungslos in der Luft herum.

12. September


Man kann allerdings – erstaunlicherweise – über die Umgehungsstraße nach Volos den Pilion erreichen – immerhin, ein Versuch ist es wert. Über die Autobahn nach Athen – die mittlerweile von den Resten der Flut notdürftig gereinigt wurde, erreichgt man die Umgehungsstraße von Volos, und fast wie gewohnt kann man sich von hier über Ano Volos und Portaria bis in die Höhe von Chania empor schrauben. Wenige Tage zuvor hatte das Fernsehn über ausgewählte Bilder vermittelt, die Infrastruktur des Pilion sei nahezu komplett zerstört – eingestürzte Brücken, weggerissene Häuser. Bei Ano Volos ist tatsächlich ein Teil der Straße von den herabstürzenden Wassermassen eines dortigen Wasserlaufs eingestürzt. Lastwagen bringen vom nahegelegenen Steinbruch gerade fuhrenweise Felsbrocken heran, um die Schäden zu beseitigen. Der Chimaros hat tatschlich eine Schneise der Zerstörung hinterlassen, zwei ganze Häuser sind weggerissen, ein halbierter Lastwagen liegt in der Schlucht. Es sind genau die Bilder, die ständig vom Fernsehen in Dauerschleife gezeigt wurden. Im weiteren Verlauf der Straße nach oben sieht man, dass das Hochwasser vor allem Schäden in der Ebene hinterlassen hat – die Bergdörfer haben – mit Ausnahme der Häuser, die zu nah an den Wasserläufen gebaut wurden, keine Schäden. Vor Chania halten wir an dem „Bio-Laden“ an, wo man Honig, Kräuter usw. kaufen kann. Die junge patente Ladenbesitzerin kenne wir schon, wir unterhalten uns. Sie findet, die Schäden auf dem Pilion seien überdramatisiert. Ihnen ist nichts Nennenswertes passiert, das Wasser fließe so schnell wieder ab, wie es gekommen sei. Nur einige Bergstraßen hätten Schaden genommen. Leider höre die Politik nicht auf die Warnungen, sowohl, was den Klimaschutz betrifft, als auch die örtliche Hochwasser- und Katastrophenvorsorge, das Wahlverhalten mancher Leute sei halt dumm usw.

Auf dem Weg zurück gerät man durch Volos. Die Wasser- und Schlamm-Massen haben ihre Spuren hinterlassen. Es bietet sich ein surreales Bild. Wo zwei Tage zuvor sich meterhohe Schlammlawinen durch die Straßen gewälzt hatten, und wo man sah, wie hoch das Wasser in den Wohn – und Geschäftsstraßen stand – läuft das Leben schon wieder fast wie gewohnt. Autos wirbeln den zu Staub getrockneten Schlamm zu dichten Wolken auf. Fast alle Geschäfte sind wieder gesäubert, sind geöffnet und die Kunden gehen ein und aus. Es sieht aus, wie zwei Tage nach Schneefall in einer deutschen mittelgroßen Stadt, nur dass die säuberlich am Straßenrand aufgeschichteten Haufen aus Schlamm, und nicht aus Schneematsch bestehen. Auf den Bürgersteigen haben die Ladenbesitzer mit der Kehrschaufel Trittpfade freigeschaufelt. Am vor zwei Tagen völlig überfluteten Hafen haben die Cafes wieder geöffnet – alles so wie immer, wie es scheint.

Zerstörungen am Rand des Chimaros in Ano Volos, Volos am 12. September vom Pilion aus gesehen

Fortsetzung: Fünf Tage Larissa – das war nicht geplant

Die Flut in Thessalien

4.-7. September 2023

Auf der Hinfahrt von Athen nach Larissa kommen wir an vielen verbrannten Bergen und Landschaften vorbei, und kurz vor Beginn der Thessalischen Ebene verdunkeln Rauchschwaden die Sonne – einer der letzten noch aktiven Waldbrände, irgendwo westlich der Ortschaft Almyros.

30. August: Rauchschwaden eines Waldbrandes westlich von Almiros (Thessalien) verdunkeln die Sonne

Am Donnertag, den 31. August saßen wir endlich im Garten unserer Freunde in Platykampos, einem – der Name sagt es schon – Ort in der flachen Ebene zwischen Larissa und Aghia, von wo wir dann weiter nach Aghiokampos fahren wollen. Die Freunde haben hier ein wunderbares zweistöckiges Haus in einen idyllischen Blumen- und Gemüsegarten gesetzt, wo sie vieles ihres täglichen Bedarfes anbauen. Es ist zu recht ihr Stolz. Hier wachsen Auberginen, Feigen, Riesentomaten, Melonen, Kürbisse, aber auch Wein und solche Banalitäten wie Kohl. Wir fachsimpeln über das Wetter. Beide sind nicht besonders glücklich über den Zustand des Gartens. Die ständigen, heißen und trockenen Winde haben vieles verdorren lassen. Meltemi heißt dieser heiße Wind. Heute ist die Luft schwül, und wir mutmaßen, dass es ja eine Chance auf Regen geben könne. Ja, das habe sie schon im Wetterbericht vernommen – aber sie glaube es nicht, sagt unsere Freundin.

Wir verabreden uns für den Samstag zum Krabbenfischen, und am Sonntag verbringen wir gemeinsam einen Tag am Strand und essen Fisch in einer Taverne in Aghiokampos.. Es ist warm, und von der Ferne dröhnt unglaublich laute Musik – das „Abschlusskonzert“ einer Strandbar, die Nachts nochmal richtig aufdreht, denn die Saison ist endgültig zu Ende. Montag früh fahren unsere Freunde wieder zurück nach Platykampos. Noch ahnte niemand, was nun kommen würde – wenngleich die Nachrichtensender für Montagabend vor Unwetter mit Starkregen und utopisch anmutenden Niederschlagsmengen für die kommenden Tage warnen. Man spricht von bis zu 2000 Litern Niederschlag in den kommenden Tagen pro Quadratmeter – was niemand glaubt (das ist eine zwei Meter hohe Schicht Wasser !). Das wäre die etwa 4-5-fache Menge eines durchschnittlichen Niederschlags in Griechenland pro Jahr.

Montagmorgen ist die Saison am Strand tatsächlich zu Ende – es hat in der Nacht leicht geregnet, Pfützen haben sich am Strand gebildet, aber der Himmel ist wieder klar. Es liegt eine merkwürdige Schwüle in der Luft. Abermals warnen die Nachrichten vor Regengüssen katastrophalen Ausmaßes. Gegen Abend werden die Wolken dichter, es donnert, und plötzlich prasselt ein Regen herunter, den die Welt noch nicht gesehen hat. Wir jedenfalls nicht. Es kracht und donnert, und vor allem fegt ein kräftiger Sturm den Regen fast waagerecht über die Straße – von der so wenig wie vom Strand noch irgend etwas zu sehen ist.


Beeindruckt – und nun auch etwas besorgt – gehen wir schlafen – versuchen es zumindest. Der Wind rüttelt am Haus, und ich wache morgens von einem merkwürdigen Gequäke auf – es ist die Alarmanlage des Autos, wohl von dem Unwetter ausgelöst. Ob es die kräftigen Donnerschläge oder die Windböen waren, – keine Ahnung. Jetzt hat sich das griechische Katwarn gemeldet und warnt vor Überflutungen im ganzen Land. Die Unwetter haben sich über genau unsere Region ergossen – man spricht an diesem Tag von über 700-800 Litern.

Erst langsam kommen die ersten Katastrophenmeldungen. Wir gehen raus, wollen sehen, was die Chimaroi machen. Ein Chimaros ist ein Trockental oder ausgetrocknetes Flussbett von oft beeindruckender Breite, und noch nie haben wir einen fließen gesehen, wir kennen sie immer nur trocken, mit vielen großen, rundgeschliffenen Felsen darin. Im Winter wenn es mehr regnet,, führen sie Wasser, daher auch der Name (Chimonas=Winter, Chimaros – Winterfluss). In einem Kilometer Entfernung steht die etwas übertriebene Brückenkonstruktion (nach einem spanischen Architekten, der für diese Konstruktionen bekannt ist, von den Einheimischen hier spöttisch „Kalatrava-Brücke“ genannt). Mit donnerndem Getöse rauschen die gelben Wassermassen nicht nur durch die Brücke, sondern auch an ihr vorbei, die halbe Straße haben sie bereits weggerissen, es droht immer mehr nachzustürzen. Durch den Supermarkt neben der Brücke hat sich das schmutzige Wasser ebenfalls einen Weg gebahnt, die Ladenbesitzer sind verzweifelt und versuchen zu retten, was zu retten geht.

Langsam lässt der Regen etwas nach, man hört, dass die Straßen von Volos überschwemmt sind, der nächst größeren Stadt 50 km weiter südlich. In den Fernsehaufnahme wird der Bürgermeister gezeigt, wie er verzweifelt auf Autofahrer einredet, ihren Wagen stehen zu lassen, und nicht durch die Fluten zu fahren. Vergeblich. Man sieht verzweifelte Fahrer, das griechische Katastrophenfernsehn berichtet rund um die Uhr, zeigt immer wieder die selben schockierenden Bilder in Dauerschleife, in Briefmarken großen Fensterchen versuchen aufgeregte Fernsehjournalistinnen gleichzeitig Bürgermeister, Feuerwehrleute und Betroffene zu „interviewen“, am meisten hören sie sich selbst reden, und fallen den Befragten ins Wort. Das ist nichts besonderes, sondern griechisches Fernsehen. Hier geht es aber nicht um irgend einen Nachbarschaftsstreit, sondern eine Katastrophe, die sich in den folgenden Stunden und Tagen noch entwickeln wird.

Am Strand schieben die Wogen weißlich-gelbe Schaumteppiche vor sich her. Der Wind treibt sie rollend wie Schäfchen über den Strand, wo sie knisternd zerfallen und einen braunen Schmier hinterlassen. Der Schaum ist ein Ergebnis von Algenblüte und den Schlammmassen, die von Land ins Meer strömen.

Die Erleichterung war zu früh. Am Abend des Folgetages türmen sich abermals schwarze Wolken über den Bergen von Mavrovouni auf. Nun scheint sich der Regen voll auf die Ebene um Larissa, aber auch auf Karditsa und umliegende Dörfer zu konzentrieren. Man sieht im Fernseher, wie Dörfer der Ebenen im Schlamm versinken, Häuser bis zum Dach im Waser stehen. Die Telefonleitungen nach Larissa sind gekappt, unsere Verwandschaft erreichen wir noch auf dem Handy. Sorge um unsere Freunde in Platykampos – denn der Ort liegt gefährlich in der Ebene, außerdem gibt es dort Kanäle, die vom Fluss Pinios zum Limni Karla führen. Wir erreichen unsere Freunde nicht, irgendwann bekommen wir sie doch auf dem Handy. Sie sind überschwemmt, im Haus steht eine Hand breit Wasser, das aber nicht vom Fluss gekommen ist, sondern von der Dachrinne, die dummerweise mit der Küche verbunden war. Im Garten steht das Wasser kniehoch, versunkenes Paradies. Morgen werden wir versuchen, zu unseren Freunden zu fahren, wenn das Wasser abgelaufen ist.

Wir waren nochmal an der Kalatrava-Brücke. In der Nacht ist der Fluss wiedergekommen. Er hat die Straße jetzt komplett weggerissen, und leider ist er wieder durch den Supermarkt gelaufen, den die Besitzer tags zuvor wieder geputzt und mit neuen Waren gefüllt hatten. Ihnen standen die Tränen in den Augen.

Das gesamte Ausmaß der Katastrophe haben wir hier nur über den Fernseher und das Internet mitbekommen, sie scheint „biblische“ Ausmaße genommen zu haben, das meiste wird man wohl erst begreifen, wenn die Wassermassen weg sind. Aber jetzt schon ist klar, dass die Ahrtal-Flut gegen die Thessalische Unwetterkatastrophe wohl nur ein Vorspiel war, dessen, was noch als Klimafolgen auf Europa zukommt. Leider gibt es auch im griechischen Parlament schon wieder Redner der rechtsaußen-Parteien, die den Klimawandel für eine Verschwörung halten oder eine Strafe Gottes (Und da Griechenland noch viel kleiner ist und noch weniger Wirtschaftskraft hat als Deutschland, hat es ja erst recht keinen Einfluss auf die Zusammensetzung der Atmosphäre.)

Fortsetzung: Nach dem Regen kommt erst die richtige Flut

Tschüss, Meer….

Die Elegien über diegrünen Berge von Mavrovouni mögen den ein oder anderen Leser wundern, denn Griechenland steht doch do für seine Badestrände, und die veVerbundenheit der Griechen zum Mer ist ja beinahe sprichwörtlich. In der Tat liegt das Meer vor der Tür, und Frau Wu nimmt gerade abschied, täglich badete sie dort, während hei-Wu in den Bergen durch die Wälder zog. To Koritzi theli Thalassa (Das Mädchen will ans Meer) heißt es in einem populären Volkslied aus den 1950er Jahren, es handelt von einer Frau, die ständig überarbeitet ist und dringend Erholung braucht, die sie sich aber mit den wenig ersparten Groschen kaum leisten kann.

Zu Ηochzeiten im Sommer, bis Anfang September, ist der Strand von Agiocampos brechend voll, Autos parken in Δreierreihen auf dem kiesigen Strand, die Strandbars verzeichnen Hochbetrieb. Es ist vor allem die Naherholung schlechthin für die Einwohner von Larissa, wer kann, flieht aus der überhitzten Stadt anσ Μeer.

Auch vom Balkon aus sieht das Meer gut aus, bei klarer Luft kann man sogar auf der gegenüberliegenden Seite wieder Land sehen – es gehört zur Halbinsel Chalkidiki, und manchmal sieht man sogar den spitzen Bergkegel des Athos am Horizont. Nacht fahren hier Fischerboote mit ihren „Pyrophania“ vorbei, LScheinwerfern, mit denen sie Fische anlocken..

Der Blick von der Terrasse aufs Meer wird nie langweilig. Mal ist ist es strahlend blau, und so ruhig, als hätte man Öl hinein gegossen („Thalassa inä ladi“) , manchmal, wenn Wind weht, oder gar Sturm aufzieht, donnern gewaltige Wellen an den Strand. Dann badet niemand. Früher riefen die Städter die verbliebenen Einwohner von Agiocampos an, um zu erfahren, wie das Meer ist. Die 50 Kilometer wollte man nicht umsonst zurück legen, denn allein der Wetterbericht sagt nichts darüber aus, ob es gerade ungemütlich auf dem Meer ist. Heute schaut jeder auf die Webcams, und weiß gleich, ob sich der Ausflug lohnt.

.Auf der Terrasse zu sitzen, und das sich immer wechselnde Gesicht des Meeres zu betrachten, ist auf jeden Fall immer wieder spannend.

Abschied von Mavrovouni

Langsam naht der unvermeidliche Aufbruch, es gilt Abschied nehmen vom Meer, und vor allem den Bergen von Mavrovouni. Heute abend fahren wir von hier zurück nach Larissa, dann nach Athen, und übermorgen hebt das Flugzeug Richtung Berlin ab.

Ohne Worte:; es bleibt, einfach ein paar Bilder aus der Gegend in und um Mavrovouni zu zeigen. Ohne Kommentar, denn sie sprechen für sich.

Die Casa Bianca – Traumhafte Villa mit finsterer Geschichte

Die Villa in reinstem Jugendstil steht im Viertel „Exarchon“, einem ehemaligen Außenbezirk der Stadt Thessaloniki. Man komm an ihr vorbei, wenn man vom Flughaffen aus dem Westen kommend sich der Stadt nähert. Die ehemalige Villengegend der gehobene Bürgerschicht ist mittlerweile stark von modernen Bauten der Stadt zugewachsen, hin und wieder trifft man hier zwischen mehrstöckigen Hochhäusern aus den 1970er Jahren noch in Lücken auf die ursprüngliche Bebauung. Eine davon ist die Casa Bianca, die heute die städtische Pinakothek berbergt. Gebaut wurde sie 1911 – 1913 nach Plänen des italienischen Archititekten Pietro Arrigoni (Arrigoni ist übrigens auch einer der vielen Architekten, die nach 1917 am Wiederaufbau der Stadt mitwirkten – und in den 1920ern viele Neubauten in einer eigentlich nicht mehr zeitgemäßen Stilrichtung hinterließ). Eigentümer war der jüdische Italiener Dino Fernandes Diaz, ein Großhändler und Bankier. Seine Frau war die Französin Blanche (Bianca) de la Mayer. Die Eheleute hatten drei Kinder, Alina, Nina und Pierre. Blanche starb 1934 in Paris. Vater Dino und Sohn Pierre und dessen Familie flohen vor dem Einmarsch der Deutschen nach Italien, dessen Staatsbürgerschaft sie besaßen. Sie zogen an den Lago Maggiore, wo sie nach dem deutschen Einmarsch dort von Deutschen aufgegriffen und ermordet wurden.

Die Villa in Thessaloniki wurde von deutschen Truppen zum Gebrauch für die Militärverwaltung beschlagnahmt , Nach der Befreiung zog Tochter Aline hier wieder ein, wo sie 1965 starb. Nach weiteren Besitzerwechseln und Konflikten mit der Denkmalbehörde gelangte das Haus riet das 1976 in den Besitz des Ministeriums für Bildung und Kultur.

Heute beherbergt die Villa städtische Pinakothek. Diese verfügt über mehrere Sammlungen, die übverwiegend auf Stiftzungen zurückgehen. So verfügt man über eine Sammlung neugriechischer Malerei, die Sammlung des Jugendstilmalers Nikolaus Gysis,(der die meiste Zeit seines Lebns in Bayern und Tirol wirkte), eine Lithografiesammlung, eine Karrikaturensammlung und eine Skulpturensammlung.

Zur Zeit (September 2022) sind diese Werke nicht zu sehen, statt dessen wird hier einen Ausstellung mit Werken des deutschen Künstlers findet eine Sonderausstellung des Düsseldorfer Künstlers Bernd Schwarzer statt. Der Titel lautet „Europawerk“ und zeigt vornehmlich Gemälde zur Politik Deutschlands und Europas. Bernd Schwarzer liebt es, Ölfarben mit dickem Spachtel verschwenderisch aufzutragen, seine Werke sind oft mehr farbige Reliefs denn Ölgemälde im klassischen Sinne. Seine bevorzugten Farben sind blau und gelb – was keinen Bezug zur Ukraine darstellt, sondern die Europaflagge aufgreift.

Die Ausstellung wird vom deutschen Außenministerium gefördert. Es gibt auch zwei dicke Kataloge zu erwerben, leider ist in einem (erschienen 2008) ein Vorwort von Gerhard Schröder enthalten.

Der Besuch des Hauses lohnt auf jeden Fall – und im Garten sitzt man angenehm im Schatten unter Bäumen, ein Gastronomiebetrieb sorgt hier für Erfrischungen und auch Kleinigkeiten zum Essen.

Moderne Architektur aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Thessaloniki nach dem Brand von 1917

Die schwarz gezeichneten Flächen waren 2017 vom Brand betroffen

Auch wenn die unmittelbaren Folgen des Großbrandes von Thessaloniki (Hier gibt es einen Youtube-Film über die Katastrophe) heute, nach über 100 Jahren, kaum noch erkennbar sind, ist das Ergebnis des ziemlich rasanten Wiederaufbaus ab 1918 heute noch allgegenwärtig. Nachdem die Regierung unter Ministerpräsident Eleftherios Venizelos den Wiederaufbau der Stadt nach altem Muster strikt untersagt hatte, suchte man nach einem Generalplaner, der der Stadt sowohl einen neuen Grundriss als auch ein „Corporate Design“ verpassen sollte. Die Altstadt von Thessaloniki gleicht heute einem Lehrbuch europäischer Architekturgeschichte der Zeit nach dem ersten Weltkrieg.

Dass die Stadt heute so „französisch“ wirkt, hat nicht nur damit zu tun, dass das griechische Bürgertum zu dieser Zeit stark nach Frankreich orientierte war. Der französische Charakter hat auch eng mit der Person des einberufenen Stadtplaners zu tun, dem Architekten und Archäologen Ernest Hébrard .

Wiederaufbaukommission für Thessaloniki. Der Mann in der Uniform ist Ernest Hebrard

Hebrard plante einen Grundriss auf Basis eines breiten, rechtwinkligen Straßenrasters. In der Mitte führt eine Hauptachse aus einer Folge von Monumentalen Plätzen die sanfte Anhöhe hinauf. Hier hat Herbrard auch selbst Bauten hinterlassen: Die Bauten im einem verhaltenen „Neobyzantinischen“ Stil (Hebrard selbst konnte sich Zeit seines Lebens nie so richtig vom Historismus lösen) , die den Aristotelos-Platz formen, gehen auf seine Entwürfe zurück. Endgültig fertig gestellt wurden einige dieser monumentalen Mehrgeschosser erst in den 1950er Jahren. Im weiteren Umfeld des Platzes konnten sich viele Architekten und Bauherren stilistisch austoben – wenn sie sich an den neuen Stadtgrundriss und Geschosshöhen hielten.

So findet man die verschiedensten Stilrichtungen -. und natürlich Mischformen – der Architekturströmungen der 1920er bis 1930er Jahre wider. Man findet Bauten, die sich grob als “ Art déco“ bezeichnen lassen, wobei hier oft deutliche Anleihen und Einflüsse von Bauhaus, aber auch Jugendstil erkennen lassen. Einige der Bauten wirken auch älter, als sie sind. So gibt es durchaus auch Fassaden, die man eher noch dem französischen Fin de Siècle zurechnen würde. Nicht jeder Bauherr war wohl nach der Katastrophe gleich neuesten Architekturmoden zugetan.

Ein Spaziergang durch Thessalonikis Altstadt mit einem Blick nach oben auf die Fassaden lohnt sich allemal. Aber Vorsicht: auch in Thessaloniki folgt die Pflasterung der Bürgersteige griechischem Standard: Alle zehn Meter muss man mit Bodenwellen, Schlaglöchern und geöffneten Kellerluken rechnen.

(Mehr über Thessaloniki gibt es hier und hier und da.)

Und eine großartige informative Seite – allerdings nur griechisch – zur Architektur der Neubauten findet man hier. Eine Vielzahl von Gebäuden ist hier mit Foto aufgelistet und mit umfassenden Beschreibungen zur Geschichte versehen.

Das jüdische Museum in Thessaloniki

Eingangsportal des Museums

Die ersten Juden sollen befreits im 2. Jahrhundert vor Christus sich in Thessaloniki angesiedelt haben. 250 Jahre später soll der christliche Apostel Paulus auch hier in der Synagoge seine Missionspredigt gehalten haben. Während des Mittelalters bleib der Anteil jüdischer Einwohner in der überwiegend christlich-orthodoxen Stadt zunächst niedrig, ab dem 14. Jahrhundert sollen jedoch schon verstärkt aschkenasische Juden aus Ungarn und sephardische  Juden aus Spanien nach Thessaloniki eingewandert sein. 1430 wurde Thessaloniki von den Osmanen erobert, vorherrschend war nun der Islam, der neben dem Christentum die Hauptreligion in der wachsenden Stadt wurde. Viele christlich – orthodoxe Kirchen wurden in Moscheen umgewidmet. Gerade in dieser Zeit aber wuchs die jüdische Bevölkerung plötzlich sprunghaft an: Grund war die Einwanderungspolitik des türkischen Sultan Bayezid II. Ab 1492 hatte er den aus Spanien von der katholische Kirche vertriebenen Juden die Möglichkeit eröffnet, sich sich im Osmanischen Reich anzusiedeln. Neben Istanbul und Smyrna wurde Thessaloniki neue Heimat vieler sephardischer Juden. Aber auch aus anderen Gegenden Europas siedelten sich Juden in Thessaloniki an, gründeten eigene Gemeinden, die lange Zeit ihre Herkunftskultur und Sprachen pflegten. Schon um 1520 sollen mehr mehr als die Hälfte der Einwohner Juden gewesen sein. Hintergrund der Einwanderungspolitik war wohl weniger religiöse Toleranz der muslimischen Herrscher, sondern kühle Berechnung: das Prinzip der Dhimma garantierte Juden (und auch Christen, also allen „Konkurrenzreligionen“, die im Besitz der alten heiligen Schriften waren) Schutz gegen eine finanzielle Gebühr.

Um 1900 zählte Thessaloniki 173.000 Einwohner, etwa 80.000 von ihnen, also fast die Hälfte, waren Juden. Neben zumeist christlichen Griechen leben hier unter anderem auch Bulgaren und überwiegend muslimische Türken. Noch gehört Thessaloniki zum osmanischen Reich. In der Stadt entwickelte sich eine reges kulturelles und wissenschaftliches Leben – es gibt nicht nur eine Vielzahl von Synagogen, sondern auch Jüdische Schulen, Bibliotheken und Zeitungen und Verlagshäuser. Thessaloniki war ein der bedeutendsten Metropolen jüdischen Lebens geworden. Zwar stellte auch der neue christliche Staat alle Ethnien und Religionsgemeinschaften gleich, aber 1917 wurden insbesondere Juden von einer Katastrophe getroffen, von der sich die Gemeinden lange nicht erholten: vom 18. bis zum 19. August tobte in der Stadt ein Großbrand, dem ein großer Teil der Altstadt, besonders aber die jüdischen Viertel, zum Opfer fiel. Ewa 9500 Häuser wurden zerstört und mehr als 70.000 Menschen obdachlos, besonders betroffen waren Juden.


Auch der zügige Wiederaufbau der Stadt führte dazu, dass etliche Juden die Stadt verfließen: unter dem französischen Architekten Stadtplaner und Archäologen Ernest Hebrard sollte die Stadt auf überwiegend modernem Grundriss wieder aufgebaut werden. Dazu wurden die alten Grundstücksbesitzer enteignet und mit einem komplizierten Gutscheinsystem auf neue Grundstücke entschädigt. Diese Optionsscheine waren aber frei verhandelbar, viele mittel- und erwerbslos gewordene Einwohner versetzten die Scheine gegen Geld und Lebensmittel, und waren so um ihre Grundstücke und Lebensperspektiven in der Stadt gebracht.

Stadtplan von Thessaloniki heute. Rot eingezeichnet die Lage der Grundstücke vor 1917 (Jüdisches Museum). Schwarze Punkte geben die Lage der Synagogen an, die vor 1567 gegründet wurden, weiße Punkte diejenigen nach 1567

Dennoch zählte die jüdische Gemeinde bald vor dem II. Weltkrieg wieder 53.000 Mitglieder. Das unfassbare Grauen geschah dann 1941 mit dem Überfall Hitlerdeutschlands auf Griechenland . Nur wenige Juden – das italienische Konsulat schätzte ihre Zahl auf etwa 1200 – schafften es, aus der Stadt vor dem Überfall Nazi-Deutschlands zu flüchten. Die anschließenden Gräueltaten und Verbrechen Nazi-Deutschlands an den in Thessaloniki verbleiben Juden sind eines der bekannten Kapitel der Shoah, der Massenvernichtung der Juden durch Hitler-Deutschland, ausgeführt durch SS und Wehrmacht. Nur etwa etwa 1950 von ursprünglich 51000 jüdischen Einwohnern überlebten Zwangsarbeit, Deportation und Konzentrationslage. Noch heute wird auch die Beteiligung des damaligen Wehrmachtsoffiziers späteren österreichischen Bundeskanzlers Kurt Waldheim an diesen Verbrechen diskutiert.

Jüdisches Museum als Stadtmuseum

Das Jüdische Museum im Hafenviertel besteht in seiner jetzigen Form seit 2001. Es liegt in einem einem ehemaligen Bürogebäude der Banque of Athens. Es ist Teil eines längeren zweigeschossigen Komplexes, der 1904 errichtet wurde. Nur etwa die Hälfte dieses Gebäudes mit einer neoklassischen, Fassade mit neobarock-französische Stileinflüssen ist renoviert und beherbergt das Museum, die linksseitige Hälfte ist nach wie vor dem Verfall preisgegeben. Vor dem Gebäude ist in einem Wachhäuschen die Polizei postiert, aus verständlichen Gründen erreicht man die Rezeption nur durch eine Sicherheitsschleuse.

Im Erdgeschoss ist ein Gedenkrum eingerichtet, ähnlich wie in Yad Vashem, lediglich in kleinerem Format erinnern hier auf schwarzem Marmor eingravierte Namen an die bekannten Opfer des Holocausts – ein Teil der letzten Tafel ist frei gehalten, er wird laufend ergänzt. Während unseres Besuches versuchte eine Familie aus Israel gerade, ihnen bekannte Familiennamen auf den Tafeln zu entziffern. In einem Video läuft das ergreifendes Interview mit einem Überlebenden, in dem Dokumentarfilm (Ivrit mit griechischen Untertiteln) berichtet Owadjah Baruch (Hier gibt es den Film auch mit deutschen Untertiteln bei Youtube, produziert von der Gedenkstätte Yad Vashem) über seine Kindheit in Thessaloniki, seine Verhaftung 1943, die Zwangsarbeit in einer Munitionsfabrik der Organisation Todt, wie seine gesamte Familie in den Gaskammern der Nazis getötet wurde, sein Überleben im KZ Auschwitz und sein weiters Leben in Israel. Berührend: im KZ traf Owadjah seine spätere Frau Alisa Zarfati, ebenfalls aus Thessaloniki deportiert. Trotz der furchtbare Umstände entstand eine Liebesbeziehung, in Israel heirateten sie und begannen ein neues Leben.

Stanzmaschine zur Herstellung von „Judensternen“

Das jüdische Museum ist viel mehr als eine Holokaust-Gedenkstäte.

Die Ausstellungsmacher haben das Museum nicht auf eine Gedenkstätte jüdischen Schicksaals und des Holocausts reduziert. Vielmehr wird die jüdische Geschichte als selbstverständlicher und elementarer Teil der Stadtgeschichte Thessalonikis präsentiert., das jüdische Museum wurde so zum eigentlichen stadthistorischen Museum.

Schade ist das das etwas altbackene Design der Ausstellung. Dass man, um Geschichte zu erzählen, auf Flachware (gedruckte Texte, alte Fotos) angewiesen ist, mag dem Mangel an Exponaten geschuldet sein. Leider wird auch dort, wo Realien gezeigt werden, nach einem Schema verfahren, das eben in europäischen Museen traurigerweise zu oft zu beklagen ist: Objekte in die Vitrine, Glaswürfel mit Nummer daneben, irgendwo gibt es dann einen Text zur Nummer. Das ist bedauerlich, aber in fast allen Museen in Griechenland so.

Produkte jüdischer Firmen aus Thessaloniki

Im Kloster Panteleimonas bei Agia: Pantaleon mag keine Hosen

Vor sieben Jahren bin ich schon einmal über das Kloster Agios Panteleimonas gestolpert, im wahrsten Sinne des Wortes, denn es lag, etwas oberhalb von Agia, unausgeschildert und folglich unbeachtet rechts abseits der Straße hinauf nach Melivia.Das Kloster hatte auch schon in diesem Blog Erwähnung gefunden.. 2015 lebten dort drei Mönche, einer gab etwas wortkarg Antwort, die anderen beiden waren gerade ausgeflogen. Die Anlage machte einen etwas verwahrlosten Eindruck – obwohl das Katholikon (die Klosterkirche) ein beachtliches Denkmal mittelbyzantinischer Architektur angesehen werden kann, und die nachbyzantinischen Fresken aus der Zeit am 1580 von beachtlicher Qualität und sehr gut erhalten sind. Damals gelang nur kurzer Blick hinein.

Was aus dem Kloster heute geworden ist, wollen wir uns noch einmal ansehen. Geweiht ist das Kloster dem heiligen Panteleimonas, der Heilige entspricht dem lateinischen St. Pantaleon. Mit „Hosen“ (griechisch: Pantelonia) hat der Name nichts zu tun (indirekt schon, das ist eine andere Geschichte), der seit dem frühen Christentum verehrte Heilige leitet seinen Namen von „panta“ und „elein“ her, der „alles Erbarmende“

Im Hinterhof des Kloster Panteleimonas

Der Hinterhof des Klosters wirkt kaum aufgeräumter als vor sieben Jahren, die Holzvorräte sind aber erheblich größer geworden. Vor dem Haus treffen wir einen älteren Mönch, der auf unsere Frage, ob wir kurz hinein sehen dürften, uns bedeutet, man habe gerade einen Besuch eines Abtes eines befreundeten Klosters aus dem Peleponnes zu Besuch, wir könnten uns aber gerne einer Führung anschließen. Die beiden Damen müssen sich allerdings noch schnell einen Pseudo-Rock aus bereitgestelltem Leihfummeln umlegen – mit Hosen kommen sie nicht hinein. Religiöser Kleiderzwang ist halt kein Privileg fundamentalistischer Muslime. Gendermainstreaming? Auch die Mönche tragen die langen Haare hübsch zum Pferdeschwanz gebunden, ihr schwarzer Gehrock reicht züchtig herab bis zu den Knöcheln. Pantaleon mag keine Hosen.

Den größten Raum zwischen den rechteckigen Außenmauern nimmt das Katholikon, also die eigentliche Klosterkirche, ein. Nach Osten und Süden schließt sich ein rechteckiger Hof an, dessen Begrenzung die ehemaligen Umfassungsmauern des nicht mehr existierenden, einstigen Zellentraktes aus der Zeit des 16. Jahrhunderts bilden. Der heutige Zellentrakt ist in den letzten Jahren in traditionellem Stil an der Westflanke neu errichtet worden. Im Hof verströmen Jasmin und Basilikum und viele Zierpflanzen, die in unzähligen Töpfen und Kübeln gehalten werden, einen angenehmen Duft. Dazwischen hat ein frommer Mönch ein Schild gepflanzt, in weißer Schrift auf grünem Grund verkündet es die Botschaft der Demut: „So lange schon lebe ich auf dieser Welt, und noch bin ich keinem schlechten Menschen begegnet. Außer mir selbst.“

Die Nachfahren der roten Katzen, die schon 2015 den Hof bevölkerten, sind natürlich wieder da, wie es sich gehört, sind es die berühmten rot-weißen Ägäische Hauskatzen, der wenige Monate alte Nachwuchs räkelt sich zwischen den Töpfen genießerisch in der der Sonne.

In der Kirche erläutert der junge Klosterbruder der mönchischen Besuchergruppe die Geschichte der Kirche und erzählt auch etwas über die jetzige Situation.

Das Bauwerk selbst stamm wohl aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Das Katholikon ist typisches Beispiel einer klassischen Kreuzkuppelkirche, in einer speziellen Ausprägung, die man besonders auf dem Athos findet. Der Bautypus der Kreuzkuppelkirche ist seit seiner Entstehung im 9. Jahrhundert n. Ch. zu einem der wichtigsten Kirchenformen im gesamten griechisch-orthodoxen Einflussbereich geworden. Im Gegensatz zu den vorwiegend westlichen Basilika-Typen mit Längsorientierung ist es ein Zentralbau. In einen rechteckigen Grundriss wird ein inneres Quadrat aus vier Pfeilern gesetzt, darauf ruht eine erhöhte runde Kuppelkalotte, oft durch einen zylindrischen Tambour aufgestelzt. Die Anräume zwischen Pfeilern und rechteckiger Außenwand werden längs und quer mit Tonnengewölben, in den Ecken mit kleinen Kreuzgewölben geschlossen.

Kompliziert ?: Kann man bei Wikipediea nachlesen.

Grundriss und perspektivischer Anschnitt einer typischen Kreuzkuppelkirche: Die Hagia Sophia, 8. Jhdt n. Ch., Thessaloniki, ist eines der frühesten Beispiele dieses Bautypes. Auf den vier in das äußere Quadrat eingestellten Pfeilern ruht eine zentralen Kuppel. Die sich von hier zur Wand ergebenden kurzen „Querarme“ werden mit Tonnengewölben geschlossen, die in den Ecken des Quadrates entstehenden kleinen Eckräume werden ebenfalls überkuppelt. An den sich so entstandenen, quadratischen Kreuzkuppelraum schließen sich nach Osten hin die Chrorräume an (hier mit drei Apsiden) , westlich vor dem Kirchenraum liegt meist ein Vorraum, der so genannte Narthex. Im vorliegenden Beispiel umfasst dieser Narthex hufeisenförmig den gesamten Kirchenraum.

Die Fresken aus der Zeit um 1580 zeigen in der zentralen Kuppel Christus Pantokrator, den Weltherrscher. Insgesamt folgt die Freskenausstattung dem klassischen Bildprogramm, über dem Ausgang zu Westseite ist die Kimisis, die Entschlafung der Muttergottes, dargestellt.

Nach der griechischen Landreform fielen die Ländereien des Klosters an die Bauern der Umgebung, die verfallenen Klostergebäude gingen an den Staat. In den 1980er Jahren gab es erste Versuche, hier wieder ein Frauenkloster einzurichten, was wohl scheiterte. 2005 startete die Kirche einen neuen Versuch, dieses Mal als Männerkloster. Offenbar mit einem gewissen Erfolg, heute leben hier bereits sieben Mönche, und man gibt sich gegenüber Besuchern weitaus offener. Im ehemaligen Wehrturm des Klosters, der an der Südseite des Klosterhofes erhalten und mittlerweile gut restauriert ist, hat man begonnen, im Erdgeschoss eine Art kleine Ausstellung mit Relikten von Ausstattungsgegenständen des Klosters und umliegender Kirchen aufzubauen. Viel Platz ist hier jedoch nicht, aber es gibt einige sehenswerte Reste des alten „Templon“ (der Chorschranke) aus dem 17. Jahrhundert zu sehen, eine seltene Perlmutt-Ikone und weitere Ikonen des 18. und 19. Jahrhunderts. Unter dem Aufgang zum Obergeschoss findet man einen alten Lautsprecher, Putzgerätschaften, sowie das ionische Kämoferkapitell vermutlich einer frühchristlichen Kirche des 5. Jahrhunderts. „Wurde bei Ausgrabungen hier gefunden“, erklärt uns der hunge Mönch und führt uns hinauf und zeigt uns seinen Arbeitsplatz im Obergeschoss. Hier hat er ein kleines Restaurierungsatelier improvisiert. Gerade bearbeitet er eine Ikone aus dem 18. Jahrhundert. Sie zeigt die Darstellung Jesu im Tempel. Die Holztafel ist mehrfach gerissen, wird fachmännisch von Schraubzwingen zusammengehalten, der Kreidegrund ist an vielen Stellen samt der Malschichten abgesprungen. Nun versucht er, die erhaltene Substanz durch vorsichtige Injektion mit Harzlösungen zu festigen. Die Vorgehensweise ist moderner Standard restauratorischer Praxis: der junge Mönch hat in Thessaloniki das ein Studium der Restaurierung von Kulturgut abgeschlossen. Wir unterhalten uns über historische Maltechniken, über die Möglichkeiten der Materialuntersuchung mit Röntgenfluoreszenz und vieles mehr.

Katastrophenalarm auf Griechisch – ohne Klick, ohne App, ganz einfach aufs Handy

Sonntagabend. Die Luft ist schwül-warm, wir sitzen auf der Terrasse. Unsere Handys, so heiß geglüht und ausgelaugt vom vielen fotografieren, Whats-appen und navigieren liegen ausgeruht an den Ladebuchsen. Spiegelglatt liegt das Meer in der Dämmerung, am Horizont über dem fernen Chalkidiki ziehen Wölkchen am Abendhimmel auf.

Doch die Mobilfone sind unruhig. Wären es Katzen, würden sie vielleicht jetzt ihre Ohren aufrichten. Die Elektrokatzen sind hellwach. Sie brummen. Irgendwann greifen wir nach ihnen, auf dem Bildschirm erscheint eine Banderole: Katastrophenalarm.

Jetzt schalten wir sie alle ein. Überall leuchtet die Textbanderole wie ein Menetekel, lässt sich h nicht weg-x-en: „Außergewöhnlich intensive Wettervorgänge“.

Es geht um eine Wetterwarnung. Es wird vor ungewöhnlich starken Winden, Niederschlägen und einem Temperatursturz gewarnt. Wir sollen uns über die Medien informieren, warnt das Ministerium für Klimakrise und Zivilschutz.

Wie gelangt das Ministerium auf unser Handy ? Wir haben kein entsprechenden Apps installiert. Keine Zustimmung gegeben, dass uns irgendwer irgendwas schickt. Zum Test: Wir machen die Handys aus. Wieder an. Es brummt: und da kommt sie wieder, die Meldung. Die Warnung gilt für genau die Region, wo wir sind. Mittlerweile zucken Blitze über den jetzt nächtlich dunklen Himmel. Es fängt an zu stürmen, der Wind baut sich in der Nacht zu gefühlter Orkanstärke auf, im Schein der Straßenlampen sehen wir den Schaum der Wellen hoch auf den Strand auflaufen. Ein Mobilheimbesitzer fährt sicherheitshalber sein Gefährt weg, stemmt sich bei dem Versuch, die Anhängerkupplung an die Zugmaschine zu hängen, gegen Wind und peitschenden Regen. .Überall jaulen die Alarmanlagen auf. Den nächsten Tag erfährt man, dass es so schlimm nun doch nicht war, in Thessaloniki sind ein paar Keller überschwemmt worden, Straßen überflutet. Hätte alles schlimmer kommen können, noch immer ist das Meer aufgewühlt, zu Nachmittag beruhigt es sich.

Die Frage, die bleibt: warum schafft es das angeblich technologisch so rückständige Griechenland, alle Handybesitzer zu warnen – während wir in Deutschland noch immer, ein Jahr nach der Flutkatastrophe im Ahrtal, darüber diskutieren, was alles gar nicht geht, nicht sein kann, kaputte Sirenen, Datenschutz.. usw.

Letzter kommt hier übrigens gar nicht in Betracht: Nein, das Ministerium weiß nicht, wer wir sind, wo wir sind, und wir mussten auch keine Cookies akzeptieren: Die Mobilfunkanbieter sind schlichtweg gesetzlich gezwungen, die Warnungen als „Broadcast“ an alle Mobilanschlüsse der betroffenen Region zu schicken.

Cat-Warn habe ich dann übrigens spaßeshalber auch mal angeschaltet.. „In Ihrer Region steht dieser Dienst nicht zur Verfügung.“