Abschied von Mavrovouni

Langsam naht der unvermeidliche Aufbruch, es gilt Abschied nehmen vom Meer, und vor allem den Bergen von Mavrovouni. Heute abend fahren wir von hier zurück nach Larissa, dann nach Athen, und übermorgen hebt das Flugzeug Richtung Berlin ab.

Ohne Worte:; es bleibt, einfach ein paar Bilder aus der Gegend in und um Mavrovouni zu zeigen. Ohne Kommentar, denn sie sprechen für sich.

Im Kloster Panteleimonas bei Agia: Pantaleon mag keine Hosen

Vor sieben Jahren bin ich schon einmal über das Kloster Agios Panteleimonas gestolpert, im wahrsten Sinne des Wortes, denn es lag, etwas oberhalb von Agia, unausgeschildert und folglich unbeachtet rechts abseits der Straße hinauf nach Melivia.Das Kloster hatte auch schon in diesem Blog Erwähnung gefunden.. 2015 lebten dort drei Mönche, einer gab etwas wortkarg Antwort, die anderen beiden waren gerade ausgeflogen. Die Anlage machte einen etwas verwahrlosten Eindruck – obwohl das Katholikon (die Klosterkirche) ein beachtliches Denkmal mittelbyzantinischer Architektur angesehen werden kann, und die nachbyzantinischen Fresken aus der Zeit am 1580 von beachtlicher Qualität und sehr gut erhalten sind. Damals gelang nur kurzer Blick hinein.

Was aus dem Kloster heute geworden ist, wollen wir uns noch einmal ansehen. Geweiht ist das Kloster dem heiligen Panteleimonas, der Heilige entspricht dem lateinischen St. Pantaleon. Mit „Hosen“ (griechisch: Pantelonia) hat der Name nichts zu tun (indirekt schon, das ist eine andere Geschichte), der seit dem frühen Christentum verehrte Heilige leitet seinen Namen von „panta“ und „elein“ her, der „alles Erbarmende“

Im Hinterhof des Kloster Panteleimonas

Der Hinterhof des Klosters wirkt kaum aufgeräumter als vor sieben Jahren, die Holzvorräte sind aber erheblich größer geworden. Vor dem Haus treffen wir einen älteren Mönch, der auf unsere Frage, ob wir kurz hinein sehen dürften, uns bedeutet, man habe gerade einen Besuch eines Abtes eines befreundeten Klosters aus dem Peleponnes zu Besuch, wir könnten uns aber gerne einer Führung anschließen. Die beiden Damen müssen sich allerdings noch schnell einen Pseudo-Rock aus bereitgestelltem Leihfummeln umlegen – mit Hosen kommen sie nicht hinein. Religiöser Kleiderzwang ist halt kein Privileg fundamentalistischer Muslime. Gendermainstreaming? Auch die Mönche tragen die langen Haare hübsch zum Pferdeschwanz gebunden, ihr schwarzer Gehrock reicht züchtig herab bis zu den Knöcheln. Pantaleon mag keine Hosen.

Den größten Raum zwischen den rechteckigen Außenmauern nimmt das Katholikon, also die eigentliche Klosterkirche, ein. Nach Osten und Süden schließt sich ein rechteckiger Hof an, dessen Begrenzung die ehemaligen Umfassungsmauern des nicht mehr existierenden, einstigen Zellentraktes aus der Zeit des 16. Jahrhunderts bilden. Der heutige Zellentrakt ist in den letzten Jahren in traditionellem Stil an der Westflanke neu errichtet worden. Im Hof verströmen Jasmin und Basilikum und viele Zierpflanzen, die in unzähligen Töpfen und Kübeln gehalten werden, einen angenehmen Duft. Dazwischen hat ein frommer Mönch ein Schild gepflanzt, in weißer Schrift auf grünem Grund verkündet es die Botschaft der Demut: „So lange schon lebe ich auf dieser Welt, und noch bin ich keinem schlechten Menschen begegnet. Außer mir selbst.“

Die Nachfahren der roten Katzen, die schon 2015 den Hof bevölkerten, sind natürlich wieder da, wie es sich gehört, sind es die berühmten rot-weißen Ägäische Hauskatzen, der wenige Monate alte Nachwuchs räkelt sich zwischen den Töpfen genießerisch in der der Sonne.

In der Kirche erläutert der junge Klosterbruder der mönchischen Besuchergruppe die Geschichte der Kirche und erzählt auch etwas über die jetzige Situation.

Das Bauwerk selbst stamm wohl aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Das Katholikon ist typisches Beispiel einer klassischen Kreuzkuppelkirche, in einer speziellen Ausprägung, die man besonders auf dem Athos findet. Der Bautypus der Kreuzkuppelkirche ist seit seiner Entstehung im 9. Jahrhundert n. Ch. zu einem der wichtigsten Kirchenformen im gesamten griechisch-orthodoxen Einflussbereich geworden. Im Gegensatz zu den vorwiegend westlichen Basilika-Typen mit Längsorientierung ist es ein Zentralbau. In einen rechteckigen Grundriss wird ein inneres Quadrat aus vier Pfeilern gesetzt, darauf ruht eine erhöhte runde Kuppelkalotte, oft durch einen zylindrischen Tambour aufgestelzt. Die Anräume zwischen Pfeilern und rechteckiger Außenwand werden längs und quer mit Tonnengewölben, in den Ecken mit kleinen Kreuzgewölben geschlossen.

Kompliziert ?: Kann man bei Wikipediea nachlesen.

Grundriss und perspektivischer Anschnitt einer typischen Kreuzkuppelkirche: Die Hagia Sophia, 8. Jhdt n. Ch., Thessaloniki, ist eines der frühesten Beispiele dieses Bautypes. Auf den vier in das äußere Quadrat eingestellten Pfeilern ruht eine zentralen Kuppel. Die sich von hier zur Wand ergebenden kurzen „Querarme“ werden mit Tonnengewölben geschlossen, die in den Ecken des Quadrates entstehenden kleinen Eckräume werden ebenfalls überkuppelt. An den sich so entstandenen, quadratischen Kreuzkuppelraum schließen sich nach Osten hin die Chrorräume an (hier mit drei Apsiden) , westlich vor dem Kirchenraum liegt meist ein Vorraum, der so genannte Narthex. Im vorliegenden Beispiel umfasst dieser Narthex hufeisenförmig den gesamten Kirchenraum.

Die Fresken aus der Zeit um 1580 zeigen in der zentralen Kuppel Christus Pantokrator, den Weltherrscher. Insgesamt folgt die Freskenausstattung dem klassischen Bildprogramm, über dem Ausgang zu Westseite ist die Kimisis, die Entschlafung der Muttergottes, dargestellt.

Nach der griechischen Landreform fielen die Ländereien des Klosters an die Bauern der Umgebung, die verfallenen Klostergebäude gingen an den Staat. In den 1980er Jahren gab es erste Versuche, hier wieder ein Frauenkloster einzurichten, was wohl scheiterte. 2005 startete die Kirche einen neuen Versuch, dieses Mal als Männerkloster. Offenbar mit einem gewissen Erfolg, heute leben hier bereits sieben Mönche, und man gibt sich gegenüber Besuchern weitaus offener. Im ehemaligen Wehrturm des Klosters, der an der Südseite des Klosterhofes erhalten und mittlerweile gut restauriert ist, hat man begonnen, im Erdgeschoss eine Art kleine Ausstellung mit Relikten von Ausstattungsgegenständen des Klosters und umliegender Kirchen aufzubauen. Viel Platz ist hier jedoch nicht, aber es gibt einige sehenswerte Reste des alten „Templon“ (der Chorschranke) aus dem 17. Jahrhundert zu sehen, eine seltene Perlmutt-Ikone und weitere Ikonen des 18. und 19. Jahrhunderts. Unter dem Aufgang zum Obergeschoss findet man einen alten Lautsprecher, Putzgerätschaften, sowie das ionische Kämoferkapitell vermutlich einer frühchristlichen Kirche des 5. Jahrhunderts. „Wurde bei Ausgrabungen hier gefunden“, erklärt uns der hunge Mönch und führt uns hinauf und zeigt uns seinen Arbeitsplatz im Obergeschoss. Hier hat er ein kleines Restaurierungsatelier improvisiert. Gerade bearbeitet er eine Ikone aus dem 18. Jahrhundert. Sie zeigt die Darstellung Jesu im Tempel. Die Holztafel ist mehrfach gerissen, wird fachmännisch von Schraubzwingen zusammengehalten, der Kreidegrund ist an vielen Stellen samt der Malschichten abgesprungen. Nun versucht er, die erhaltene Substanz durch vorsichtige Injektion mit Harzlösungen zu festigen. Die Vorgehensweise ist moderner Standard restauratorischer Praxis: der junge Mönch hat in Thessaloniki das ein Studium der Restaurierung von Kulturgut abgeschlossen. Wir unterhalten uns über historische Maltechniken, über die Möglichkeiten der Materialuntersuchung mit Röntgenfluoreszenz und vieles mehr.

Als Jäger und Sammler im wilden Mavrovouni: Ein kulinarischer Streifzug zwischen Maronen, Edelpilzen und Wildschweinragout

Dieser Pilz lässt Kenner in Verzückung geraten: Der Kaiserpilz, Amanita caesarea, gefunden im Mavrovouni /Thessalien
Der auf dieser Google-Karte mit „Dasoktima Polydendrio „(Forstbezirk Polydendri)“ bezeichnete grüne Berg ist das Kerngebiet von Mavrovouni in Thessalien.

Mavrovouni heißt die Landschaft in Thessalien zwischen dem Ossa-Massiv im Norden, dem Pilion im Süden, zwischen der Küste im Osten und der Thessalischen Ebene im Westen. Mavrovoni ist eigentlich ein Berg, ein ansehnlich hoher sogar, ein Bergkamm mit Höhenlagen um die 1000 Meter. Mavrovouni bedeutet auf griechisch „schwarzer Berg“, was eigentlich nur zutrifft, wenn seine dicht bewaldeten Hänge morgens von den beschaulichen Ortschaften Potamia, Aghia oder Aetolofos im Gegenlicht stehen. Denn sonst müsste man ihn eigentlich „Grünberg“ nennen. Das Gebirge ist kaum besiedelt, abgesehen von den Dörfen Skiti und Sklithro sind die Orte, die allesamt von der Landwirtschaft leben, um den Fuß des Berges herum verteilt. Das erscheint merkwürdig, erklärt sich wohl aber damit, dass seine steilen, bewaldeten Hänge früher schwierig zu bezwingen waren und das Siedeln an den Füßen, von wo man auf der einen Seite in der fruchtbaren Ebene Landwirtschaft betreiben kann, und einst auf der anderen Meerseite zum Fischfang auszog. Heute liegen an der Ägäisküste des Berges mit seinen Badebuchten und einem langen Strand die Wochenend- und Ferienorte der Städter.

(Mehr über Mavrovouni gibt es in diesem Blog beispielsweise hier oder hier)

Der Berg jedoch versorgt bis heute die Bewohner der Ortschaften nicht nur mit Unmengen von Wasser, das sich bei den zahlreichen Regenfällen durch die Täler und Schluchten in die Ebene ergießt: er wird – und das in jüngster Zeit sogar in zunehmendem Maße – land- und forstwirtschaftlich genutzt. Das wollen wir uns ansehen. In die Höhenlagen des Mavrovouni führt allerdings ausgebaute Straße – nur mit den in der Landwirtschaft üblichen „Agrotika“ (einer Art Geländewagen, meistens gealterte Pickups von Toyota und Mitsubishi) oder Traktoren lassen sich die steilen, unbefestigten „Chomatodromi“ befahren. Zu Fuß im Sommer sind die staubigen und heißen Forstwege mühsam zu begehen, die Strecken sind lang, Orte zur Rast für Bergwanderer gibt es hier oben nicht. Auch GPS ist nicht immer eine Hilfe – der Handyempfang versagt oft, auch hier oben immer mehr Sendeanlagen errichtet werden. In den Mavrouvouni startet man am besten von dem Dorf Potamia oder Skiti aus. Jetzt, Ende September, ist hier unten bis in die Höhe von Skiti (etwa auf 350 Höhenmetern gelegen),die Apfelernte, wie überall in Thessalien, in vollem Gange.

Von Skiti oder auch dem fast in der Ebene gelegene Potamia aus führen die mit rötlicher Erde bedeckten Staubpisten langsam, dann immer steiler werdend, in die Berge hinauf. Nach den letzten Apfelbäumen wechselt die Vegetation zunächst in eine Art Macchia, mit Harthölzern bewachsen, der westliche Erdbeerbaum, hier „Kumaria“ genannt“, ist das Leitgehölz. Die Beeren beginnen jetzt zu reifen, sie schmecken süßlich, säuerlich und vor allem etwas fad. Genutzt werden sie kaum (vgl. Hallespektrum, Pflanze der Woche). Kaum vorstellbar, dass es oberhalb dieser trockenen Gehölzzone Vegetation gibt, die sogar landwirtschaftlich genutzt wird. Und doch ist es so.

Hebt man die Augen in die sich weiter oberhalb auftürmenden, dunkel grünen Berge, so erkennt man schon von weitem, dass dort ein Wald aus recht großen Bäumen bis in die Gipfelllagen der Berggipfel aufsteigt. Ermöglicht wird dieses Baumwachstum durch die Nebelwände und Regenwolken, die sich weiter oben an den Hängen stauen und diese oft sogar in ein feuchtes Dunkel tauchen – manchmal, wie jetzt im Herbst, ganz plötzlich und unvermittelt. Bald begleiten Eichen und Buchen, dann immer mehr und mehr Kastanien, und zwar nicht etwa die uns bekannten Roßkastanien, sondern Esskastanien (Maronen, Castanea sativa) den Weg. Teils handelt es sich noch um ihre Wildform, denn der Baum ist hier heimisch.

In den meisten Fällen aber verraten die Tennisballgroßen, grüngelb leuchtenden, stachelbewehrten Fruchtstände, dass es sich Kulturformen handelt. Es fällt auf, dass viele Plantagen neu angelegt sind, besetzt mit noch recht kleinwüchsigen Bäumen, die aber, das verraten ältere Exemplare, locker Höhen bis zu 20 Meter erreichen können. Schwarze Wasserschläuche durchziehen die steil in die Hanglagen aufsteigenden Plantagen mit einem bizarren Girlandenwerk. Je weiter man aufsteigt, mittlerweile erreichen wir Höhen von 800 bis 1000 Meter, wird der Nebel dichter, die Bäume kräftiger. Motorengebrumm zeugt von unzähligen Dieselmaschinen, die tagein- tagaus das Wasser zu den Bäumen pumpen. An manchen Stellen künden verkohlte Holzreste und breite, in ihren Höhlungen ausgekohlte Baumstümpfe, von Jahren zurücklegenden Brandereignissen – die aber anders, als sonst in Griechenland, kaum katastrophale Ausdehnungen erreicht haben. Ein Glück. Das mag an der prinzipiell geringeren Entflammbarkeit der regelmäßig künstlich wie natürlich befeuchteten Baumwelt liegen. Nadelbäume sieht man hier nicht.

Aus den verkohlten Stümpfen dieser Bäume treibt frisches Grün – es sind jedoch nicht Stockausschläge. Bauern haben die verkohlten Ruinen angebohrt, Edelreiser der neuen, besonders ertragreichen Edelkastaniensorten eingesteckt, die ihren Saft nun aus den lädierten, aber noch vitalen Relikten ihrer Großväter ziehen.

Dass nun, wo die Apfelernte sich dem Ende zuneigt, der nächste Ernteeinsatz in größerer Höhe ansteht, davon zeugen die langsam aufplatzenden grünen Stachelhüllen, die die braunglänzenden Maronenfrüchte langsam freigeben. Je höher wir geraten, ums so reifer werden die Bäume – die Ernte wird hier von oben herab, absteigend, erfolgen. Auf etwa 1000 Höhenmetern finden wir herabgefallene Kastanienauf dem Weg, viele aber sind nicht auf die Straße gefallen, sondern sind die Hänge hinabgekollert, wo sie sich in Mulden sammeln. Wie werden die eigentlich professionell geerntet? Gibt es da Maschinen? Wer soll da umherklettern, und um die Ware in die bereits bereitstehenden blauen Plastekisten einsammeln? Sicher ist: anders als in den Äpfelplantagen, wo zwischen den Baumreihen kleine Traktoren mit Anhängern durch fahren, besetzt mit meist albanischen oder osteuropäischen Zeitarbeitern, kommt hier keine Technik durch. Die Bäume zu hoch, die Hänge zu steil, und die Früchte fallen einfach aus den Stachelhülsen von den Bäumen, wenn sie reif sind und häufigen Windböen sie schütteln.

Eigentlich war unsere Idee, hier oben Pilze zu sammeln. Ein hoffnungsloses Unterfangen, denken wir, aber immerhin sind unsere Taschen voll mit Maronen, die wir vor dem Überfahren gerettet haben. Was auch nicht schlecht ist. Denn sie sind frisch, nicht wie diese innen verschimmelte, bestenfalls vertrocknete Ware, die man gelegentlich in Halle im Supermarkt erwerben kann.

Statt Maronen: der Kaiserling, der begehrteste Speisepilz der antiken Welt: Amanita caesarea.

Für Pilze war es zu trocken, jedenfalls fanden wir bislang keinen, bis zwischen vertrockneten strohigen Fruchthüllen der Bäume ein einzelner orangefarbenener Fleck erscheint. Ein Pilz. Erst einer, dann mehrere. Immer wieder in kleinen Gruppen lugen sie hervor. Vorsichtig aus dem mulmigen Erdreich gehoben, zeigen sie eine deutliche, breite Konolle, aus der ein Stiel emporsteigt. Der Schaft trägt eine Manschette, wie ein Knollenblätterpilz. Keine Frage: es handelt sich um Exemplare der Gattung Wulstling. Zu ihnen gehören die giftigsten Pilze, die man kennt – aber auch einige Speisepilze, beispielsweise der Perlpilz, den man jetzt auch gelegentlich in den herbstlichen Wäldern in Deutschland findet. Der Hut ist orangegelb, trägt aber keine weißen Flecken (Hüllreste) wie der uns natürlich bekannte Fliegenpilz. Sehr auffallend: Die Blätter (Lamellen) der Hutunterseite sind intensiv gelb-orange gefärbt. Das macht die Bestimmung sicher: Es ist eine Amanita caesarea, der Kaiserling. Schon der antike Enzyclopädist Plinius nennt in seiner „Naturalis historia“, der Wikipedia der Antike, Steinpilz, Trüffel und Kaiserling als die drei besten Speisepilze.  Aber auch der Gault Millau führt ihn als den „König der Pilze“ und empfiehlt sogar, den Fruchtkörper roh als Carpaccio zu genießen.

Das ist auch das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zu anderen Arten der Gattung Amanita, und auch die wichtigste Lebensversicherung: kein anderer Wulstling hat gelbe Lamellen. Das sagt nicht nur die schlaue Wikipedia, sondern steht so auch in vielen Bestimmungsbüchern, auch diverse Apps erkennen den Pilz (obwohl – wie wir wissen – hier Vorsicht geboten ist. )
In fremden Klimazonen gibt es oft schlimme Doppelgänger – die leidvolle Erfahrung machen bekanntlich nicht nur nach Deutschland geflüchtete – anders herum passiert es auch. Aber auch die „einheimischen“ Webseiten beschreiben den „Käsarikos“ als guten Speisepilz und zeigen mögliche Verwechslungsgefahren fachkundig auf.

(Zum Thema Pilze sammeln in Griechenland gibt es in diesem Blog auch hier etwas zu lesen)

Der Wald: ein Ort, um zwanglos neue Bekanntschaften zu schließen

Motorengeräusch kommt näher, zwischen den Bäumen nahe der Lichtung, erscheint ein schwarzer Pickup, steuert langsam auf uns zu. Aus dem Wagen steigen zwei Männer, ein älter und ein jüngerer. Sie inspizieren zunächst das Wasserbecken, das hier als Pumpspeicher dient, dann mustern sie uns argwöhnisch und sprechen uns an. Was wir hier tun, sie hätten nichts dagegen, dass wir uns aufhalten – man möge es nur nicht, wenn Fremde die Kastanien zwischen den Bäumen aufsammeln. Das seien nämlich ihre. Wir versichern, dass wir mehr auf Pilze aus sind und zeigen den Herrschaften die Exemplare, die wir gefunden haben. Anerkennend stimmen sie uns zu – und bestätigen ebenfalls Art und Essbarkeit. Wir sollten uns aber vorsehen, meinten sie. Nicht nur vor giftigen Pilzen. Vielmehr sollen wir uns nicht dem Metallrohr nähern, das da zwischen den Bäumen steht und über einen Schlauch mit einer Propangasflache verbunden ist. Es ist eine Selbstschussanlage. Diese Maschinen, die übrigens kein Projektil verschießen, aber eine gehörige Druckwelle erzeugen, sind auch Ursache der merkwürdigen Knallgeräusche, die ringsum in den Wäldern zu hören sind. Sie sollen Vögel vertreiben.

So kommen ins Gespräch. Zunächst über Pilze, besonders der Jüngere scheint sich gut auszukennen. Im letzten Jahr – was ein gutes Pilzjahr war – haben die beiden einen Zentner davon aus ihrem Wald geholt, und sorgsam als Vorrat eingefroren. Die Plantage, bzw. der Wald, gehört ihnen. Wir fragen, aus welchem Ort sie kommen, von wo aus die Wälder hier oben bewirtschaftet werden. Aus Potamia, sagt der ältere. Da stammt mein Schwiegervater her, erkläre ich, und siehe: die Welt ist klein: die Familien waren Nachbarn. Wir bekommen gekochte Kastanien zum probieren, der Geschmack ist herrlich, leicht süßlich, weich wie Marzipan.
Nun erfahren wir auch, mit welchen Maschinen die Kastanienernte eingefahren wird: es gibt gar keine Maschinen. Alles wird von Hand aufgesammelt. Man habe schon vieles probiert, etwa mit Saugrüsseln: aber alles Fehlanzeige, hier zählt Handarbeit. Die erledigen wieder die albanischen, rumänischen und bulgarischen Saisonkräfte, derer allein unser Kastanienbauer über 50 jedes Jahr beschäftigt.

Schwein gehabt

Es wird frisch, geht auf sechs Uhr zu, zwischen den Bäumen weht ein kühler, geradezu kalter Wind und treibt Wolkenfetzen umher, es wird Zeit, die Talfahrt anzutreten.

Wir verabschieden uns – und sehen uns kurz darauf wieder. Vor einem großzügigen Haus in Potamia steht wieder der schwarze Pickup. Unsere Waldbekanntschaft winkt uns herbei. In der Einfahrt liegt ein frisch erlegtes Wildschwein, das den beiden auf dem Rückweg vor die Flinte gekommen ist. Während der Coronapause (wo sogar Jagen verboten war) haben die Tiere im Wald geradezu überhand genommen, erfahren wir. Vor uns liegt ein ordentliches Exemplar, seine Hauer lugen gefährlich aus dem blutenden Maul hervor, Vater und Sohn häuten das Tier. Wir bekommen eine Tüte mit einigen Fleischstücken geschenkt, versehen mit der Empfehlung, es gut zu marinieren, Knoblauch und ein Schuss Tsipouro (ein spezieller Tresterschnaps aus der Region) sollen es besonders zart und schmackhaft machen.

Hallali im Mavrovouni: die Sau ist tot

Dankend verabschieden wir und, und versichern, nächstes Jahr wiederzukommen, „einfach and der Tür klopfen, wir freuen uns“, laden sie uns ein.

Das machen wir, ganz bestimmt. Wenn die Pilze, die wir mittlerweile gegessen haben, es zulassen.

Maronen und Kaiserlinge: thessalisches Foodporn, unbearbeitet

Die Ägäische Katze: ein Haustier züchtet sich selbst

Sie haben richtig gelesen: es geht nicht um Selbstzüchtigung, sondern um Selbst-Zucht und darum, wie es in Griechenland frei lebende Katzen dazu bringen, den Rang einer bald international anerkannten Haustierrasse zu erhalten.

Kaum eine Tierart ist in Griechenland derart präsent wie Katzen. Während Ziegen und Schafherden nur gelegentlich die Landstraßen blockieren und verwilderte Hunde vorzugsweise vorbei fahrenden Autos hinterherjagen, sind ihre miauenden Mit-Carnivoren allgegenwärtig: sie bevölkern Kitschpostkarten, Tavernen und Restaurants, Müllcontainer in den Großstädten genauso wie sie in den Fischereihäfen herumlungern. Viele ihrer Artgenossen haben allerdings auch den anerkannten Status als Familienmitglieder erhalten und leben in den Etagenwohnungen der Städte: neben Hunden ist die Katze in Griechenland, ähnlich wie in den meisten europäischen Ländern, das beliebteste Haustier.

Da haben sie Glück: denn wild lebende „Streunerkatzen“ werden von der Verwaltung vieler von Tourismus lebenden Gemeinden als Problem angesehen. Von den meisten Touristen geliebt, unter dem Tavernentisch gefüttert und in malerischen Posen fotografiert, polarisieren die Tiere unter den Einheimischen. Das bemerkt man nicht erst, wenn der Wirt entnervt das Gesicht verzieht, weil die Gäste einen Teil der liebevoll servierten Speisen an die unter dem Tisch lungernden Katzen verteilen. Wie auf Kommando ist nämlich nicht nur das eine kleine süße Tierchen, das unbedingt vor dem Hungertod gerettet werden muss, zur Stelle: wie auf ein geheimes Zeichen verabredet, ist schnell das halbe Dutzend Katzen aus versteckten Winkeln herbeigesprungen, um den reichen zweibeinigen Onkel aus Amerika zu umbetteln. An Ferienorten haben sich Andenkenläden, Kioske und Mini-Märkte an den Bedarf zugereister Katzenliebhaber angepasst: Neben Dosenbier, Zigaretten und Andenken halten sie auch Katzenfutter in handlichen Portionstüten bereit. Wenn die Touristensaison vorbei ist, bleiben Heerscharen überfütterter Katzen zurück: nur ein Bruchteil überlebt den Winter.

Katzen in einer privaten Pflegestelle in Apterea / Kreta

Vielerorts haben sich – insbesondere in den Touristenregionen – Katzenschutzvereine gebildet, erstaunlich viele sind in der Hand von Einwohnern mit deutschem „Migrationshintergrund“, aber auch einheimische Tierliebhaber kümmern sich um Katzen, die sie oft in kleinen Heerscharen an Futterstellen versorgen. Die Katzenliebe ist umstritten – andere Gemeinden „entsorgen“ Katzen in mehr oder weniger brutaler Weise durch Vergiften, aber es gibt auch humane, allerdings teure Kastrationsprogramme.

Katzenvermittlung

Viele Tierschutzorganisationen vermitteln griechische Katzen – auch ins Ausland. Sie sorgen auch dafür, dass die Katze tatsächlich in gute Hände kommt, und vor Allem: dass das Tier überhaupt die erforderlichen Reisepapiere bekommt. In die Hände einer solchen Schlepperorganisation zu geraten, ist für manche Katze sicher ein Glücksfall – und für die Tierliebhaber, die unbedingt eine dieser bezaubernden Postkartenkatzen bei sich aufnehmen wollen, der einzige sichere Weg dahin.

Interessenten können sich beispielsweise an folgende Katzenvermittlungsstellen wenden:

Paroskatzen.de

Katzenvermittlung Santorin

Katzenvermittlung Kreta

Nun kann es aber passieren, dass man in die dumme Situation gerät, sich als Urlauber in eine ganz bestimmte Katze zu verlieben. So manchem Reisenden hat dieses Schicksal ereilt, zumeist unverhofft und unvorbereitet. Es ist meistens die Katze, die es mit der ihr immanenten Überzeugungskraft schafft, jegliche Grenzen der menschlichen Vernunft zu überwinden. Der Autor weiß, wovon er spricht, seit Jahren lebt in seinem Haushalt ein vierbeiniger Hausgenosse aus Thessalien. Aber das ist eine andere Geschichte.

Strenge Vorschriften bei der Katzenadoption beachten

Unser Kater, Larissa 2013, mit Impfpass

Wenn man sicher ist, dass das anhängliche und liebgewordene Tier wirklich herrenlos ist, man selbst möglichst bereits über einschlägige Katzenerfahrung verfügt und sich über die Konsequenzen seines Handelns bewusst ist: dann geht der erste Weg zum örtlichen Tierarzt. Die Vorschriften und Wege sind im EU-Recht ziemlich eindeutig, illegale Wege wie Schmuggel etc. sind ausgeschlossen:

„Bevor Ihr Haustier reisen darf, muss es von einem ermächtigten Tierarzt gegen Tollwut geimpft werden. Damit die Impfung gültig ist, muss Ihr Haustier mindestens 12 Wochen alt und vor der Impfung mit einem Mikrochip ausgestattet worden sein. Ihr Haustier darf frühestens 21 Tage nach Abschluss des Impfprotokolls reisen. Sie sollten sicherstellen, dass alle weiteren Impfungen verabreicht werden, bevor die Gültigkeitsdauer der vorherigen Impfung abgelaufen ist.“ (Quelle: europe.eu)

Nur ein Tierarzt kann die entsprechenden Untersuchungen und Impfungen verabreichen, das Tier chippen (Impfung und Chip, Bill Gates lässt grüßen 🙂 ) und am Ende auch den EU-Haustierausweis ausstellen. Schon der Zeitfaktor dürfte die meisten spontan-Katzenimporteure vor unlösbare Probleme stellen.

Junge Kätzchen, Herbst 2021, Platia Anatoli Aghias

Die griechische Wohnungskatze

Keineswegs leben in Griechenland nur herrenlosen Streunerkatzen. Im Gegenteil: schon im Straßenbild der Großstädte fällt die die Vielzahl von Geschäften für Heimtierbedarf auf, das Angebot ist vor allem auf Hunde- und Katzenbesitzer ausgerichtet. Kleintierarztpraxen arbeiten dabei mit einem kombinierten Geschäftsmodell: im vorderen Ladenbereich verkaufen sie Katzen- und Hundefutter, Hundeleinen, Katzenspielzeug und was das Herz des Tierliebhabers begehrt. In den dahinterliegenden Räumen werden die Tiere behandelt, die meisten Praxen verfügen auch über Röntgenvorrichtungen und OP-Räume nach europäischem Standard.

Ein Wurf, wie aus einem Guss: Ägäische Katzen (Zagora / Pilion)

Natürlich führt der Weg der Katze nicht nur aus Griechenland heraus – es gibt auch Einwanderer. Im Haushalt unserer Tierärztin in Larissa lebt beispielsweise Massoud – der Kater einer geflüchteten Syrerin, die ihr geliebtes Tier bis nach Griechenland gebracht hat, dann aber doch nicht ins Zielland Kanada mitnehmen konnte.

Die Katzenrasse Aegean und die Selbstzucht

Während einerseits der Mehrzahl „wilder“ Streunekatzen weltweit irgendwo das Schicksal im Spannungsfeld zwischen Verhungern, vergiftet-werden oder Adoption zuteil wird, genießen „Edelkatzen“ den Status eines Luxuslebens. Schon deshalb, weil ihre Besitzer schon für den Erwerb ihrer „Rassekatze“ größere Geldmengen aufgeboten haben.

Die Ägäische Hauskatze auf dem Weg zur „anerkannten Rasse“

Was liegt da näher, als die streunenden „Allerweltskatzen“ in den Adelsstand zu erheben? Griechische Katzenfreunde sind da offenbar auf einem guten Weg. Es gibt bereits eine Art Rassestandard, der zwar noch nicht international anerkannt ist, es aber unter anderem schon zu einem Wikipedia-Eintrag gebracht hat. Auf vielen Katzenseiten wird die „Ägäische Hauskatze“ bereits in ihren Eigenschaften von Kopf bis Schwanz, Fellfarbe, Ohrenform und Sozialverhalten klar definiert. Einig ist man sich darüber, dass sich die „Ägäische Hauskatze“ ohne menschliches Zutun – lediglich durch Selbstauswahl und Anpassung an den Menschen – erschaffen hat. Wobei: vermutlich hat sie eher ihre zweibeinigen Freunde züchterisch bearbeitet.

Wer auch nur wenig Erfahrung mit den um das Mittelmeer sich tummelnden Katzen verfügt, wir zunächst bestätigen: die herausragende Fähigkeit dieser Katzen ist, die von ihr ausgewählten Zweibeiner dazu abzurichten, ihren freien Willen aufzugeben und sich ganz dem Wunsch der Katze unterzuordnen. Im Regelfall sucht sich die Ägäische Katze den Menschen aus, indem sie sich aus der Gruppe ihrer Artgenossen löst, vor ihrem ausgewählten Partner niederlässt und ihn durch unaufhörliches Geschrei und hinterherlaufen dazu bringt, zunächst sein Essen mit ihr zu teilen, um dann notgedrungen („das arme Tier, wer, wenn nicht ich, wird sich um sie kümmern“ ) in den Hausstand aufgenommen zu werden. Wo sie fortan das Heft übernimmt und keinen Widerspruch duldet.

Laut „Züchterdefinition“ zeichnet sich die Ägäische Hauskatze durch folgende Merkmale aus:

Gewicht: 8-12 Pfund

Augenfarbe: grün, blau oder golden

Fell: zwei/ bis dreifarbig, eine davon weiß, mittellang

Schwanz: Lang, manchmal krumm

Pfoten und Beine: mittelgroß.

Unter den sozialen Eigenschaften ist vermerkt, Ägäische Hauskatzen seien intelligent und äußerst „gesprächig„.

Nicht nur unser Kater, den wir vor Jahren nach Halle mitgenommen haben, erfüllt diese Kriterien vollkommen. Gerade komme ich wieder vom Katzenfüttern zurück. Ein neuer Ägäischer Promenadenkater hat unsere volle Aufmerksamkeit erobert. Als wir hier vor ein paar Tagen in Aghiocampos eintrafen, hatte das Tier bereits zwei Nachbarsfamilien unter seine Herrschaft gebracht, nun sind wir dran.

Kater Lupin erfüllt alles Standards der Rasse „Aegean“.

Der Kater sitzt vor der Haustür und schreit, wenn man nicht schnell genug die verlangte Futterration herunterbringt, und das 7/24. Mehrere Familien buhlen um die Gunst des roten Schreihalses, der oft nicht einmal genau weiß, was er will: Fressen, Milch, gestreichelt werden. Am meisten mag er die Kinder im Erdgeschoss. Mit ihnen macht er Ausflüge an den Strand, stundenlang tummelt er sich zwischen ihnen und hilft fachkundig beim Scharren im Sand. In allen Wohnungen findet er sich mittlerweile zurecht: er weiß, wo Küche und Kühlschrank sind und hat herausgefunden, auf welche Gesangstonlage die jeweiligen Bewohner reagieren, um Bestellungen entgegenzunehmen. Die Nachbarskinder rufen ihn „Lupin“. Wir haben die Kinder nach der Herkunft des Namens gefragt und erfahren, dass eine Figur bei Harry Potter so heißt: ein Werwolf, der nachts unaufhörlich seine Gesänge zum Besten gibt. Dieser Kater bleibt auf jeden Fall hier.

Για την αγαπημενη γυναικα μου στα γηνεθλια της το 2021.

Er könnte auch Werbung für Katzenfutter machen

Streifzüge durch Larissa

Lagekarte Larissa

Wenn das Gespräch auf Larissa kommt, werden viele ältere Griechenlandreisende berichten, sie „seien da schon einmal durchgefahren“. Heute vermutlich seltenen, denn die Stadt umgibt heute ein Ring von Umgehungsstraßen und einen Autobahnring, so dass man ungeplant selten in den Genuss kommt, in den zu Stoßzeiten hoffnungslos verstopften Innenstadtbereich zu geraten. Heute hat die Stadt  etwa 165.000 Einwohner und damit die größte Stadt Thessaliens. Sie ist die Hauptstadt der gleichnamigen Präfektur. Larissa verdankt ihre Bedeutung seit der Antike zwei Faktoren: zum einen besetzt die Stadt „strategisch“ einen wichtigen Verkehrsknoten am Ausgang des Tembi-Tals, einem Durchbruch zwischen den Bergmassiven von Olymp und dem Ossa-Gebirge.

Wer Griechenland an der Küste von Thessaloniki Richtung Athen wollte, musste hier durch: das gilt bis heute. Auch das Land vom Ionischen Meer kommend, das Pindos-Gebirge durch die Passage von Pyli durchquerend, die Thessalische Ebene erreichte, wird sich auf dem weiteren Wege durch die sich nun öffnende grüne Landschaft des thessalischen Beckens in Larissa am Fluss Pinios wiedergefunden haben. Die fruchtbare weite Ebene, schon in der Antike die Kornkammer Griechenlands schlechthin, ist der zweite Pfeiler, der der Stadt Larissa schon in der Antike zu Wohlstand verhalf. Landwirtschaft und Handel prägten seitdem die Wirtschaft der Stadt: bis heute.

Silberstater (Münze) aus Larissa, 4. Jhdt v. Ch.

Besiedelt ist Larissa bereits in de Jungsteinzeit. Zu einer größeren Stadt von Bedeutung geriet sie im in der Zeit der klassischen Antike im 5. Jahrhundert. In Larissa geprägte Silberdrachmen zeigen oft ein Pferd – wohl ein Hinweis auf einen ausgedehnten Handel und Zucht dieser Tiere in der Region. Aus dem 3. Jahrhundert vor Christus sind noch eindrucksvolle Reste eines Theaters erhalten, die in den 1980er Jahren nahezu vollständig ausgegraben sind und heute auch zu öffentlichen Kulturveranstaltungen genutzt werden.

Das antike Theater in Larissa, 3. Jhdt v. Ch.

Aus der Zeit des frühen Christentums hat die Stadt einen Heiligen aufzubieten, der heute Patron der Hauptkirche (Metropolie) der Stadt ist. Achillios war Metropolit (Erzbischoff) von Larissa und soll sich um die Orthodoxie während des Konzils von Nicäa mit einem Wunder verdient gemacht haben (Kritiker um die strittige Frage nach der ursächlichen Abfolge von Vater und Sohn hat er mit Öl überzeugt, das er aus einem Stein fließen ließ).

Zeitweise schon in den 1390er Jahren, endgültig ab 1421 kam Larissa unter osmanische Herrschaft, lange schon vor dem endgültigen Fall des byzantinischen Reiches 1453. In der Folgezeit war die Stadt stark islamisch geprägt, neben Christen gab es jedoch auch eine starke jüdische Minderheit. Bekannt war sie für die Vielzahl reich gestalteter Moscheen und Bäder.

Larissa. Stich von Coronelli Vicenco 1688. Die Ansicht zeigt schematisch die Moschee sowie die Brücke über den Pinios

Die osmanische Herrschaft endete endgültig nach den Türkenkriegen 1898. Im Fortgang wurden viele Reste osmanische Herrschaft in der Stadt geschleift. 1908 wurde die – aus heutiger Sicht baukünstlerisch bedeutende Hassan Bey Moschee aus dem 16. Jahrhundert geschleift. Sie hatte das Stadtbild auf der antiken Akropolis an der Pinios-Brücke über 300 Jahre geprägt und wurde nun ab 1909 durch einen neuen Kirchenbau (Aghios Achillios) ersetzt. In neobyzantinischem Stil, unter Verwendung von viel Stahlbeton und Marmor.
Das Schicksal der Umbenennung nach der Re-Hellenisierung, das viele kleinere Orte Thessaliens erlitten, erfuhr Larissa nicht: ihren antiken Namen hatte die Stadt durch alle Zeiten, auch während der Herrschaft der Osmanen, behalten.

Skizze aus dem Judenviertel von Larissa, Bertholdy, 18. Jhdt


Nach der weitgehenden Auslöschung der osmanischen Architektur erfolgte die Zerstörung der Stadt im 2. Weltkrieg. Im März 1941 war die Stadt von einem Erdbeben heimgesucht worden, wenige Tage darauf bombardierte die italienische Luftwaffe die Stadt. Deutsche Truppen besetzten die Stadt 1941-44, in der Folge wurden von hier über 1800 Juden nach Auschwitz deportiert.

Was Erdbeben und zweiter Weltkrieg nicht vernichteten, verschwand im Zuge der Modernisierung und Neubebauung. Noch in den 1980er-1990er Jahren verschwanden fast alle der noch übrig geblieben Bauten aus der neoklassizistischen Bauten des 19. Jahrhunderts und bis auf wenige Ausnahmen alle verbliebenden Gebäude aus osmanischer Zeit.

Heute ist Larissa eine pulsierende, moderne Stadt; ein Streifzug lohnt sich dennoch allemal, keineswegs nur zum flanieren und Shopping in den großzügig angelegten Fußgängerzonen oder dem ausgedehnten Park Alkazar am Ufer des Pinios, der die Stadt durchfließt. Und wer genau hinsieht, stößt auch noch hinter modern Geschäftsfassaden auf das ein oder andere vormoderne Relikt.

Wer sich für die Geschichte Thessaliens interessiert, kommt an einem Besuch im „Diachronen Museum Larissa“ nicht vorbei. Hier werden archäologische Funde von der Jungsteinzeit bis in die osmanische Zeit ausgestellt. Außerdem werden regelmäßig Sonderausstellungen zu ausgewählten Kapiteln der Regionalgeschichte gezeigt.

Reste des alten türkischen Hamam – umbaut mit Läden vom Beginn des 20. Jahrhunderts. Aber auch sie wurden später abermals zur Unkenntlichkeit „modernisiert“.
Spuren eines Obst-und Gemüseladens aus den 1970er Jahren
Larissa: Moderner Bioladen für Obst und Gemüse
Tsipuro-Zeit in der Mittagspause
Ein noch erhaltenes neoklassizistisches Wohnhaus zwischen Hochhäusern vom Ende des 20. Jahrhunderts
Pinios-Brücke mit der Kirche Aghios Achillios auf der ehemaligen Akropolis. Bis 1907 stand hier die Hassan Bey Moschee aus dem 16. Jahrhundert
Aghios Achillios mit dem bronzenen Pferdedenkmal (1980er Jahre?)
Auch die jüngsten Zeiten – (Wirtschaftskrise, Corona-Krise) – haben im Straßenbild Spuren hinterlassen
Restauriertes Geschäftshaus aus dem 19. Jahrhundert
Zahlreiche Geschäfte in der Fußgängerzone laden zum Einkaufen ein
Straßencafes in großer Zahl erfüllen die ausgedehnten Fußgängerzonen

Graffiti unter der Pinios-Brücke

Neue Schnellstraße soll die letzten unberührten Wälder durchschneiden: „um die Schönheit des Landes zu zeigen“

Beginn eines merkwürdigen Bauprojetes durch Mavrovouni und Pilion

Die letzten Jahre berichtete ich über eine schönen, verwunschenen Feldweg, der unterhalb des Ortes Sklithro durch Berghänge und Felsen entlang der Küste bis zum Ort Keramidi in den Pilion führt. Ein holperiger unbefestigter Feldweg, der an wenigen Häusern, kleinen Olivenhainen und einem verlassenen Bergwerk entlang führt. Am Ende des Weges liegt das Bergdorf Keramidi, das seinerseits eine gute Straßenanbindung in die thessalische Ebene bei Kanalia und weiternach Volos oder Larissa verfügt.

Keramidi selbst ist ein hübsches, verschlafenes Nest, malerisch in den Bergen gelegen, darunter am Meer befindet sich eine kleinen Badebucht, Kamari genannt, drei Häuser, ein Strandcafe.

Dieser Anblick gehört bald der Vergangenheit an: weiße Quarzsansteinfelsen in den Bewaldeten Berghängen zwischen Keramidi und Skiti im Nordteil des Pilion. Bald wird hier eine Schnellstraße die Landschaft durchschneiden

Von Keramidi aus führt dann noch eine etwa 15 Kilometer lange, einfache Straße zum nächsten Ort , Veneto genannt. Auch hier leben in den Sommermonaten vielleicht 100 Menschen, in den Wintermonaten kaum jemand.

Ein kleiner Reisebericht von 2018 – zwischen Mavrovouni und dem Pilion

Halbinsel Pilion (unten/mitte) und Bergland Mavrovouni (oben)

Sieht man sich die Gegend auf der Karte an, so stellt man fest, dass die stark von Tourismus frequentierte Halbinsel Pilion jedoch eine Sackgasse darstellt. Bis heute ist sie eigentlich nur von Volos aus erschlossen, am Ort Zagora enden die Verkehrsverbindungen. Besonders im Sommer und Herbst schlängeln sich horrende Autokolonnen von Volos kommend in die Bergdörfer des Pilion, verpesten die Luft und verursachen einen höllischen Lärm. Die Folge für die einst einmal romantischen Bergdörfer mit ihren bis in die 1980er Jahre nicht gut erhaltenen Steinarchitektur des 18. und 19. Jahrhunderts: sie wurden mit einer Vielzahl von Neubauten in Form von Hotels überzogen, protzigen Privathäusern (errichtet aus Beton, verkleidet mit Natursteinen und kitschigen Accessoires, die sie („traditionell“ aussehen lassen sollen), eine Skipiste ergießt sich vom höchsten Ort Chania in die Wälder hinab, Andenkenläden und Cafes säumen die sich hinauf schlängelnde Straße, auf der sich Reisebusse in die einst naturbelassene Landschaft hinaufwälzen.

Ein Bild, das bald der Vergangenheit angehört: Ziegenherde auf dem Feldweg Weg zwischen Sklithro (Mavrovouni) und Keramidi (Pilion)

Etwas zum Pilion gab es hier schon einmal zu lesen:

Sieht man sich die Luftbildkarte weiter an, so bemerkt man, dass die Berggegend des Pilion, und vor allem die von Mavrovouni, nahezu durchweg dunkelgrün ist. Es sind Wälder, eine der letzten geschlossenen Laubwaldgebiete Mittelgriechenlands. In der Karte findet man eine blaue Linie. Das ist die von „Google-Maps“ vorgeschlagene Fahrt auf den Pilon, alle Orte am Hang der bewaldeten Halbinsel werden nur von Volos aus erschlossen. Dann sieht man auf der Karte oben an der Küste eine Rote Linie. Dort hat gerade der Bau einer gewaltigen Schneise durch den Wald begonnen. Hier soll in den nächsten Jahren schon eine breit ausgebaute Schnellstraße durch die Wälder führen – versehen mit hohen Stütz- und Begrenzungsmauern, Rastplätzen, Tankstellen und Brücken und autobahnähnlich ausgebauten Anschlussstellen. Auch angrenzende Feldwege sollen asphaltiert und ausgebaut werden. Jahrhunderte alte Baume und Vergetationsräume werden abgeräumt.

Noch mehr Autoverkehr wird sich auf den Pilion ergießen, noch mehr Beton in den einst noch malerischen Ofrten vergossen, Siedlungen werden zu Hotelburgen, ehemals allenfalls forstlich oder landwirtschaftlich genutzte Grundstücke werden zu Bauland: die Begehrlichkeiten sind enorm. Bisher waren der Pilion und Mavrovouni kaum von Waldbränden betroffen: man darf hoffen, dass das nur daran liegt, dass hier an den Nordosthängen der Berge bislang verhältnismäßig viel Regen fiel. Straßen durch unberührte NAtur verboinden nicht nur Ortschaften miteinander, sie sind Magneten für weitere Zersiedelung. Man darf nur hoffen, dass sich nicht das Schlimmste bewahrheitet. Griechenland könnte eines seiner letzten Naturräume an Wirtschaft und Tourismus verlieren.

Die Bauarbeiten haben bereits in diesem Sommer auf den ersten Kilometern zwischen begonnen. Das, was man bereits erkennen kann, lässt die Ausmaße erahnen.

Die folgenden Aufnahmen entstanden in der ersten Septemberwoche 2021. Das erste Teilstück der neuen Straße verläuft genau dort, wo zwei bis drei Jahre vorher die Bilder aus der obigen Galerie auf dieser Seite entstanden.

-einfügen Bilder Straßenbau-

Träger der Baumaßnahmen ist die Regionalregierung der beiden thessalischen Präfekturen Larissa und Magnesia. Man erhofft sich mit dem Projekt, die Region für den Tourismus weiter zu erschließen, um dabei die besondere Schönheit der Landschaft zu zeigen (sic!). „Der Hauptzweck dieser (touristischen) Reiserouten besteht darin, die natürliche und vom Menschen geschaffene Umwelt hervorzuheben „. Quelle: elektronisches Nachrichtenblatt e-thessalia.gr)

Genehmigt und im Bau befindlich ist jetzt das erste Teilstück mit einer Länge von 12,1 Kilometer zwischen Rakopotamos/Sklithro und Keramidi/Kamari. Die Kosten für dieses erste Teilstück belaufen sich auf ca. 15 Millionen Euro. Die Fortsetzung ist in Planung, nämlich von dort weiter durch den nahezu unbewohnten Teil des Pilion bis Zagora, Gesamtlange etwa 43 km.

Berichte über die Gegend hatte ich bereits in den vergangen Jahren im Blog beschrieben:

Ein Reisebericht von 2017 – holprige Wege nach Keramidi

Die letzten Tage in Thessalien

18. September 2019, Agiokampos.

Der diesjährige Aufenthalt geht dem Ende zu. Die letzten Tage haben wir ausführlich die Gegend um Mavrovouni und den Ossa erkundet und genossen. Für einen zusammenhängenden Bericht reicht das nicht, deshalb folgen in loser Reihenfolge einfach Bilder der letzen Tage. Der Sommer neigt sich erkennbar dem Ende zu, auch wenn es noch deutlich warm ist. Der sonst trubelnde Ferienort Agiokampos hat sich geleert. Wie immer haben Hunde und manchmal auch Angler Besitz von dem breiten Strand genommen. „Kalo Chimona“, einen „guten Winter“, wünscht man sich jetzt wieder, wenn es darum geht, Abschied zu nehmen. Die untergehende Sonne und das Abendrot taucht die Berge in eine feurige Glut, in der die langsam gelb werdenden Bäume noch einmal richtig aufleuchten.  Langsam beginnt die Apfelernte, die Bauern fahren leere blaue Obstkisten hinauf in die Berge. Der kleine Ort Agia hat sich mit Erntehelfern aus allen Ländern, vor allem aus Albanien gefüllt, ihnen steht eine harte und entbehrungsreiche Arbeit bevor. Die Apfelbäume an den teils hoch gelegenen, steilen Plantagen müssen von Hand einzeln abgeerntet werden und anschließend in die Kühlhäuser gebracht werden.

Wir verabschieden uns langsam von unseren Freunden, versprechen, uns spätestens im nächsten Jahr wiederzusehen. Halle ruft aus der Ferne. Der Ernst des Lebens hat auch die Kinder nach dem langen Sommer wieder eingeholt: seit einer Woche haben die Schulen wieder angefangen.

Eine besonders harte Zeit erwartet jetzt die Abiturienten.  Sie müssen nicht nur das Gymnasium erfolgreich absolvieren und damit  (theoretisch) die Hochschulreife mit dem Abitur erlangen, sondern auch die Universitätseingangsprüfung bestehen. Denn vor der Aufnahme an die Universitäten hat der Staat Eingangsprüfungen gesetzt: die sind hart, und im europäischen Maßstab eine der Härtesten überhaupt. Das Niveau des griechischen Abiturs ist etwa mit dem des deutschen Abiturs vergleichbar – doch die universitären Eingangsprüfungen verlangen weitaus mehr. In unserem Kreise bekommen wir Einblick auf das, was beispielsweise für eine Eingangsprüfung für das Fach Medizin verlangt wird: Es ist das Niveau des Stoffes, das in Physik und Chemie beispielsweise im 1. und 2. Semester an der Uni gelernt wird, oder in den gymnasialen Leistungskursen. Um die Prüfungen zu schaffen, gibt es in Griechenland so genannte „Frontistiria“. Das sind private „Aufbauschulen“, vielleicht am ehesten mit einem amerikanischen „College“ vergleichbar, die die Kinder parallel zur Schule besuchen. Hier werden die jungen Leute auf die Prüfungen, die im Mai stattfinden werden, gepaukt. Neben dem Stress kostet das Ganze auch noch eine enorme Stange Geld, monatlich um die 1500,- Euro. Das müssen die Angehörigen privat aufbringen: im Ergebnis führt das zu einer ungeheuren sozialen Selektion im Bildungswesen.  20190829_183037

 

„Ever change a running system“: generationsübergreifendes Gefummel an der Natur. Der Karla-See als mahnendes Beispiel.

Wenn man von den Höhen des Ossa südwestlich oder von denen von  Mavrovouni westlich in die ausgedehnte Thessalische Tiefebene blickt, sieht man zwischen den rechtwinkligen Flickenteppichen der landwirtschaftlichen Felder neuerdings in der Sonne ebenso kantig umrissene, silbrig glänzende Wasserflächen aufblitzen. Sie gehören zu einem ökologischen Großprojekt, das im Jahre 1988 mit Hilfen der EU gestartet wurde und immer noch anhält. Es ist der Versuch, einen einst weitläufigen natürlichen See, der in seiner größten Ausdehnung ein gutes Drittel der Thessalischen Ebene ausgefüllt hatte, und über den schon Homer berichtete, wieder herzustellen. Seit 1988 und bis zum letzten Herbst 2018 haben unzählige Bulldozer und Lastwagen, gewaltige Staubfahnen über die trocken Landschaft hinter sich herziehend, kilometerlange Dämme errichtet.   Ein gewaltiger Aufwand, den die EU mit insgesamt 100 Millionen Euro unterstützt hat.

Noch eine knappe Generation vorher, im Jahre 1962, hatte man eine große, vermeintliche Errungenschaft gefeiert: den See trocken zu legen, um die Malaria zu bekämpfen, und Land für die so wiederum arbeitslos gewordenen Fischer zu gewinnen. Das alles ist  schief gegangen, an der Beseitigung der Konsequenzen arbeitet man bis heute. Im Oktober letzten Jahres wurde am Ortsrand des Dorfes Kanalia (s. Karte) mit EU-Mitteln ein ansehnliches Besucherzentrum eröffnet, das nicht nur über die laufenden Rekultivierungsmaßnahmen des Sees informiert, sondern auch über seine geologischen Hintergründe, die Kulturgeschichte und Ökologie.

Doch der Reihe nach: Seit dem Ende der letzten Eiszeit entwässert die Thessalische Ebene in Richtung Nordosten zwischen dem Ossa- und dem Olymp-Massiv durch das tief eingeschnittene Tempi-Tal ins Meer. Allerdings geriet die Ebene durch tektonische Hebungs- und Senkungsbewegungen in der Folge in Schieflage. Der Beckenboden kippte leicht in Richtung Osten ab, wodurch sich nun der tiefste Punkt der Ebene am Rand des Mavrovouni-Gebirgszuges befand. Hier sammelte sich das Wasser, das nicht mehr komplett zum Meer hin abfließen konnte, genährt durch die Hochwässer des Pinios als auch von abfließenden Wassern des Westhanges von Mavrovouni.  Das kann man sich vorstellen, wie bei einem Gulli, der nicht an der tiefsten Stelle eines gepflasterten Platzes liegt, da  bildet sich schon eine Pfütze. Jahreszeitliche und klimatische Schwankungen bedingten einen ständig wechselnden Wasserstand und damit auch die Ausdehnung des relativ flachen Sees. Zeitweise deckte er fast ein Drittel der thessalischen Ebene ab.

In Jungsteinzeit und Bronzezeit entstanden hier erste Siedlungen, die Anwohner nutzten offenbar schon damals den Fischreichtum der schilfbestandenen flachen Seenplatte.  In der Antike nannte man den See  Βοιβηίς (Aussprache altgr. Böbeis, später Woiwis).  Zentrum der Region war in der Antike die Stadt Pherai, das heutige Velestino. In der Spätantike nahm die wirtschaftliche Bedeutung von Pherai ab, viele Nachfahren der Einwohner jedoch verteilten sich in der Folge um den See herum, betrieben weiter vor allem Fischfang. Von der kulturellen Bedeutung der Region noch im byzantinischen Mittelalter zeugen sowohl archäologische Grabungen als auch eine in der Nähe von Kanalia erhaltene byzantinische Kirche Agios Nicolaus aus dem 13. Jahrhundert. Wann der Name „Karla-See“ entstand, ist mir bisher unerschlossen geblieben, es soll wohl im Mittelalter gewesen sein, wann und wie, muss nachrecherchiert werden.

 

Der ständig wechselnde Wasserstand des Sees führte zu einer besonderen Wirtschaftsweise der Fischer: sie errichten runde Arbeitsplattformen im See, die auf hölzernen Stacken gegründet waren, die man in den Seeboden rammte. Mittels in Massen im und am See vorhandene Schilfbündeln errichteten sie darauf  eine Arbeitsebene, in deren Mitte, wiederum aus Holzstaken und Schilf eine runde Schutzhütte entstand, in der mehrere Menschen zeitweise lebten, schliefen und arbeiteten. Mit flachen Steinen wurde in der Mitte der Hütte eine kleine Herdstelle errichtet. Diese Wirtschaftsweise bestand noch bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, wovon viele Fotos in der Ausstellung des Informationszentrums zeugen.
Man darf sich das Leben dieser Fischer am und auf dem See jedoch nicht allzu idyllisch vorstellen. Malaria-Epidemien waren an der Tagesordnung, obwohl seit den 1920-er Jahren zumindest in den Industrieländern Antibiotika zur Verfügung standen. Dennoch  setzte man in vielen Ländern des Mittelmeerraums auf wirksame, radikale und flächendeckende Methoden. Sie bestanden in der großflächigen Anwendung auch für den Menschen hochgiftiger Insektizide wie DDT. In der Ausstellung werden Fotos Malariakranker Kinder gezeigt, aber auch, wie Einsatzkräfte in den Häusern der Landwirte und Fischer beherzt DDT aus großen Druckflaschen versprühen, und Flugzeuge, die den giftigen Nebel über den See und die angrenzenden Felder verteilen. Im Jahr 1962 griff man zu einer noch radikaleren Methode: man beschloss den See auszutrocknen, was mittels eines geregelten Kanal- und Schleusensystems geschah, das man mit dem Pinios verband.

Was man sich neben dem lokalen Verschwinden der Mücken erhoffte, war fruchtbares Land zu gewinnen, das man an die nun arbeitslos gewordene Fischer verteilte. Das misslang jedoch in verschiedener Hinsicht.

20190909_135935

Zunächst erwies sich der ausgetrocknete Seegrund als keineswegs so fruchtbar, wie es der seit Urzeiten landwirtschaftlich genutzte übrige Boden der Thessalischen Tiefebene, der Kornkammer Griechenlands, gewesen ist. Der kalkige Seegrund, versetzt mit viel grobem Schotter, band viele Nährstoffe, ließ kaum Humus entstehen und trocknete im Sommer rasch aus. Zudem versalzte er. Man kann dies an vielen brachliegenden Landwirtschaftsflächen sehen, die heute ringsum des wieder entstanden Sees brach liegen. Die landwirtschaftlich unerfahrenen Fischer verpachteten zudem das ihnen zugeteilte Ackerland oft an Großgrundbesitzer und fanden sich bald als Tagelöhner auf ihren eigenen Flächen wieder. Heute ist die Gegend, wenn sie denn bewirtschaftet wird, zumeist von Mandelbäumen bestanden, die offenbar noch am besten auf dem Seeschotter gedeihen.  Die Absenkung des Grundwassers, die durch die Trockenlegung des Karla-Sees hervorgerufen wurde, verschärfte sich zunehmends, als der Baumwollanbau im Norden der Thessalischen Ebene Fahrt aufnahm. Um die durstigen Plantagen zu bewässern, wurde  und wird  bis heute Grundwasser angezapft, was den Wasserhaushalt und die Versalzung von Grundwasser und Böden weiter beschleunigt.  Seit den 1980-er Jahren hat man das Problem erkannt. 1988 begann man, einen großen Plan umzusetzen, der seit letztem Jahr einen vorläufigen Abschluss fand. Man lässt den See wieder neu entstehen. Wieder wurden gewaltige Wasserbauwerke geplant, Schleusen gebaut, Dämme errichtet. Das wurde notwendig, weil man nicht mehr die gesamte Fläche des Sees rekonstruieren kann – das hätte Enteignungen und sogar die Umsiedlung einiger der seit der Trockenlegung neu entstanden Ortschaften zu Folge gehabt. Also trennte man Flächen mit langen Erd- und Steinwällen  von der Ebene ab. Die größte eingedämmte Fläche, der Neue Karla- See, liegt bei der Ortschaft Kanalia, und umfasst etwa 50 Quadratkilometer der ursprünglichen 180 Quadratkilometer Fläche. Vergleichsweise kleine Seenester sind zudem nördlich davon bei Kalamaki und Elevtherio entstanden. Verbunden sind sie durch eingedeichte Kanäle mit dem Flusssystem des Pinios. Die Rekonstruktion des Sees dient dabei keinesfalls nur der Wiederherstellung von Flora und Fauna; auch eine Wiederbelebung der Fischwirtschaft ist nicht das eigentliche Motiv. Es geht überwiegend darum, der ständig immer fortschreitenden Wasserknappheit entgegen zu wirken, die wiederum durch die intensive Landwirtschaft im Norden der Ebene verschärft wird. Das Wassermanagement in Thessalien ist also ein generationsübergreifendes Projekt, bei dem man ausrufen möchte: Never change a running System.

 

Daten zum Besucherzentrum:

 Kanalia 385 00, Greece

 +30 24210-58659

 sotiris@boebes-karla.gr

 www.boebes-karla.gr

Öffnungszeiten  
  •  Täglich auf Anfrage
  •  Sonntag 11:00-14:00

Eine Runde um Mavrovouni: Rätsel am Wegesrand

Mavrovouni (Thessalien), 6.September 2018. Agiokambos-Rakopotamos-Isiomata-Kamari-Keramidi-KarlaSee-Agia-Agiokampos

weg2 gross

Das Bergmassiv, an dessen Füßen wir, am Strand von Agiokampos, unsere Zelte aufgeschlagen haben, heißt Mavrovouni, was etwa so viel wie „schwarzer Berg“ bedeutet, und ein Höhenzug ist, der von dichten, teils dunklen Wäldern bestanden ist. Er liegt zwischen dem Bergmassiv Ossa, das sich in Richtung Norden auftürmt, und dem Pilion im Süden. Gen Osten grenzt er an die Ägäis, und im Westen fällt er in die Thessalische Ebene Richtung Larissa ab. Die Trennung zwischen dem Ossa-Massiv und Mavrovouni erfolgt durch ein Tal, das zwischen der Thessalischen Ebene zum Meer hin abfällt, dazwischen liegt die Ortschaft Agia als faktisches Mittelzentrum der Region. Von hier gelangt man zu den beliebten Ferienorten Velika und Sotiritsa, die am Strand am Fuße der Ossa-Ausläufer liegen, und Agiokampos. Wir wollen heute das gesamte Mavrovouni-Gebirge umrunden, was schwierig, aber um so interessanter ist, weil man durch Gegenden kommt, die noch viel Unerwartetes bergen, allerdings straßenmäßig kaum erschlossen sind.

Ein halbwegs geländegängiges Fahrzeug ist für Teilstrecken erforderlich, auch muss man für die Strecke einiges an Zeit einplanen. Das erste Teilstück nach Keramidi, einem Ort, der bereits zum Pilion gehört, hatten wir letztes Jahr bereits beschrieben, man biegt gen Norden, nach der Ortschaft Rakopotamos an einem unscheinbaren Schild Richtung „Keramidi / Volou“ links in einen holperigen Waldweg ab, und befindet sich in dicken Mackien, und teils kühlen Wäldern mit hohen Bäumen. Auch im Hochsommer noch rauschen die Bäche, die von den steilen Hängen herunterpurzeln, und zeigen, dass diese Seite des beginnenden Pilion sehr wasserreich ist – das Gebirge wirkt wie ein Wolkenstau. Während Deutschland dieses Jahr unter extremer Trockenheit litt, sind auf der Ostseite des Pilion lokal begrenzt bis zu 1500 mm Regen heruntergekommen.  Unser erstes Ziel sind merkwürdige Ruinen, die weit unten am Ufer der Steilküste in einer Bucht am Meeresufer liegen. Es soll der letzte „Strand“ des Nomos Larissa sein, weiter südlich verläuft die „Grenze“ zur Provinz Magnesia. Auf verschiedensten Internetseiten werden die Ruinen als Reste eines historischen Bergwerkes beschrieben, das in die Venezianische Zeit datieren soll. Von oben ist davon kaum etwas zu sehen, es sieht aus, wie eine archaische Stufenpryramide.

kk

Das Bergwerk, das wir suchen, liegt hinten, an der vorspringenden Klippe

Auch darüber, was dort abgebaut wurde, äußern sich verschiedene journalistische Lokalseiten nur wage, es ist von Porzellanerde die Rede, gar einer Porzellanfabrik. Auch die Wegbeschreibungen, wie man in die geheimnisvolle Bucht mit dem merkwürdigen Bergwerk gelangen könnte, sind mehr als unklar. Nach einer längerer Zeit des Suchens finden wir die Streusiedlung (die nur aus wenigen Häusern besteht), und sich „Isiomata“ nennt. Dort gibt es einen kleinen Feldweg, der von der Holperpiste, die weiter nach Keramidi führen soll, links abzweigt, zwischen reichlich verwilderten Olivenbäumen hindurch. Steil geht es nun abwärts durch das Gebüsch, vorbei an ein paar wenigen, kleinen Häuschen, hinunter an eine Bucht, die aus Kieselsteinen und Felsbrocken besteht, und in deren Mitte eine phallusartige Felsformation aus dem Wasser aufsteigt. Malerisch liegt diese Bucht da, zum Baden aufgrund der Steine und einer Menge Seeigeln wohl aber nicht zu empfehlen. Das rätselhafte „venezianische“ Bergwerk finden wir dort.

Unterhalb eines im Bau befindlichen kleinen Ferienhauses stehen einige Reste von aus Beton gestampften Kranfundamenten, dahinter erhebt sich die Ruine des Bergwerkes, aus Feldsteinen errichtet, aber unter Verwendung von Stahlstützen und auch armiertem Betonstreben. Das ist sicher nicht venezianisch. Das Rätsel löst sich, nach weiteren Recherchen, in Gestalt eines sehr fundiert geschriebenen Artikels in der Online-Zeιtung LarissaNet.gr – sozusagen dem großen Bruder von Hallespektrum.de. Dort wird erläutert, dass das Bergwerk anfangs der 1920er Jahre von einer deutschen Gesellschaft eröffnet wurde, und bis zu seiner Schließung 1929 Talkum förderte. Talkum, ein sehr weiches Magnesiumsilikat (Speckstein) wurde nicht nur für die Herstellung von Babypuder benötigt, dazu hätte man nicht in dieser schwer erschließbaren Gegend Bergwerke erschlossen. Talkum wurde als Füllstoff für Gummireifen, aber auch für Farben, Lacke und keramische Rohstoffe benötigt. Das Bergwerk verfügte über eine eigene Kaianlage, von der aus die die weiße, weiche Gesteinsfracht per Schiff zur großen Hafenstadt Volos gebracht wurde. Bis zu 300 Arbeiter aus den umliegenden Bergdörfern (Elaphos und Sklithro) waren hier beschäftigt, bei merhreren schweren Unfällen sind zwei Arbeiter aus Sklithro sogar tödlich verunglückt. (Die Seite verfügt übrigens über eine Reihe guter Bilder, man kann offenbar, wenn man mutiger ist, und sich über die glitschigen Steine traut, auch in den Ruinen herumklettern).

Hutbürger

Ein Hutbürger

Ein Grafitikünstler hat – offenbar schon vor einiger Zeit – aus einem der Kransockel einen Hutbürger geschaffen. Welch prophetische Begabung.

weiße felsen bei isiomata SDIM2946

Wir begeben uns nun weiter auf der Rumpelpiste in Richtung Keramidi, vorbei an merkwürdigen weißen  Felsen, die aber nicht aus Talkum bestehen, sondern irgendwas anderem, was jedenfalls die Wege aussehen lässt, als habe es gerade frisch geschneit. Kurz vor Keramidi erreicht man eine Asphaltstraße, sie führt zu einer der schönsten Badebuchten der Region, Kamari genannt. Ein halbes Dutzend Häuschen und eine platanenbestandene Plateia schmiegen sich in die Bucht, die ansonsten aus überwiegend feinem Kies besteht. Die Ecke ist kaum besucht, es wirkt sehr intim, und in einer improvisierten Strandbar gibt es dringend benötigte Erfrischungen. Zwei zahme Brieftauben und ein Wellensittich picken hier schon einmal Knabbereien von den Tellern der Gäste.

Serpentinen führen nach Keramidi hinauf, das hatten wir letztes Jahr besucht, aber damals zur falschen Tageszeit, mittags war alles zu. Heute sind wir später dran, gegen 18:00 beginnt langsam beschauliches Leben auf der Plateia, das Kafeneion serviert den landesüblichen Tsipouro (der ziemlich stark ausgefallen ist) und Mesedes, wie es sich gehört.

Darunter befindet sich ein merkwürdiges, eingelegtes Kraut. Es schmeckt erfrischend sauer, aber im Abgang etwas nach Lösungsmittel, genauer eingegrenzt, nach Terpentin. Nicht unangenehm, aber leicht schon sehr irritierend. Dieses merkwürdige Kraut, das sich dort neben den üblichen Fischlein, haben wir nie gesehen, und auch eine eingehendere Untersuchung auf der Papierserviette ergibt keinen Erkenntnisgewinn.

Tsitsiravla (rechts)

Tsitsiravla (rechts)

Die Wirtin sagte, das seien eben „Tsitsiravla“ (Τσιτσιραβλα). Nie gehört. Längeres Nachgoogeln brachte es an den Tag: der Terpentingeschmack hatte nicht getrogen. Es handelt sich um die sauer eingelegten, im zeitigen Frühjahr gesammelten Sprossen von Pistacia terebinthus, der Terpentin-Pistazie, die in der Gegend sehr häufig vorkommt. Der bis zu 5 Meter hohe Strauch mit seinen roten Beeren diente einst zur Herstellung von Terpentinharz und eben auch dem daraus destillierten Terpentinöl (was einst wertvolle Rohstoffe in der Malerei und in der Medizin waren, ähnlich wie der verwandte Mastix).

Da es bald zu dämmern beginnt, nehmen wir nicht den Weg durch die Schotterpiste im Wald zurück, sondern begeben uns „hintenrum“, um den Mavrovouni. Wir fahren nun über den Bergkamm zwischen dem Pilion auf der Linken in Richtung der Thessalischen Ebene. Die Landschaft hat sich hier völlig verändert, sie sieht aus, wie von Niederländern zur Barockzeit gemalt. In der von Weidetieren gestalteten Parklandschaft stehen vereinzelte hohe Eichen und Kastanien, darunter lümmeln sich Kühe und … Wildschweine? Jedenfalls sehen die so aus, verhalten sich aber zahm und friedlich, es ist beim genaueren Hinsehn eine Familie einer besonderen, dunkelbraun behaarten Hausschweinart, die sich an den ersten, herabgefallenen Maronen und Eicheln satt fressen.

Vor uns liegt nun, in der Ferne unter der untergehenden Abendsonne, der „Limi Karla“ in der Ebene. Es ist ein halbkünstlicher See. Einst befand sich hier ein natürlicher See, gespeist von den abfließenden Wässern des Gebirges. In den 1950er Jahren wurde er, um die Malaria zu bekämpfen, trockengelegt. Nun hat man ihn, versehen mit kilometerlangen Dämmen, wieder aufgestaut. Wie das nun mit der Malaria ist? Keine Ahnung.

Limni Karla (Karla-See)

Limni Karla (Karla-See)

Entlang des Karla-Sees, dann am Fuße des Mavrovouni weiter, durchfährt man in der Dunkelheit Ortschaften wie Amygdali (Mandeldorf), die Gegend ist tatsächlich von Mandelplantagen geprägt, die sich bis nach Agia hinziehen, wo diese Ausflugsbeschreibung in der Dunkelheit (gerade noch rechtzeitig  vor Schließung des dortigen Supermarktes um 22.00 h) endet.

 

 

 

 

Nach- und Ausklänge in Thessalien

Mavrouvouni, am Ende des Sommers 2016, die letzte Septemberhälfte.

Nach der Makedonien-Thrakienreise gibt es keine großen Erzählungen mehr. Ausklänge finden jetzt wieder in Thessalien stat, Larissa, Mavrovouni, irgendwo hier. Ein paar Bilder zum Ausklang…

Auf der Rückfahrt von Thessaloniki in Mavrovouni: ein kleiner Abstecher vor dem Tempi-Tal: hier bildet der Pinios ein sandiges Delta, bevor er im Meer landet.

Besuch bei unseren Freundinnen, den Schwestern des Klosters Joannis Prodromos, auf 1200 Meter Höhe, oberhalb des Dorfes Anatoli, oberhalb von Aghia, im Ossa-Gebirge. Schwestern zeigen uns den Erfolg des letzten Jahres: aufwändig und mit vielen Eigenmitteln wurde die historische Klosterkirche des 16.Jhdt mitsamt ihren Fresken gerade noch vor dem Einsturz gerettet. Meisterhafte Restaurierungsarbeiten.

Hochwassserschutz als Bewässerungsmaßnahme

Auch die thessalische Hochebene weiß, Flutmittel abzugreifen: ein cirka 25 Kilometer langer links- und rechts eingedeichter Kanal soll Hochwasser von den im Winter zu Tal stürzenden Bächen sammeln, vor allem aber vom durch und an Larissa vorbei fließendem Fluß Pinios. Der fließt aber etwa 25 Kilometer weiter weg. . Das Wassser soll in den See „Limni Karla“ sowie andere künstlich angelegter Seen in der Ebene bringen. Die Limni Karla ist einst natürlicher See gewesen, den man in der Antike Βοιβηίς (Voiviis) nannte. Noch Anfangs des 20. Jahrhunderts pflegte man hier Fischfang, die Fischer lebten während der Fangsaison in provisorischen Schilfhütten, die sie am Ufer errichteten.  Um landwirtschaftliche Produktionsflächen zu gewinnen, legte man den See 1962 trocken. Allerdings war der zurückbleibende Boden derart versalzen, dass der erhoffte Gewinn ausblieb. Seit 1988 enstand auf dem Gelände des ausgetrockneten Sees ein neuer, künstlich angelegter Stausee, von geradwinklig verlaufenden Dämmen umgrenzt. Der neue See hat schon wegen seiner geringen Größe nicht viel mit seinem natürlichen Vorgänger zu tun. Das Wasser wird vorwiegend zur Bewässerung der Baumwollfelder gespeichert, und soll auch helfen, den Grundwasserspiegel wieder zu erhöhen (das dann andernorts wieder abgepumpt wird). Von einer wirklichen Renaturierung der historischen Landschaft kann also keine Rede sein, und mehrfach gingen im Sommer Bilder von einem Fisch-Massensterben durch die Zeitungen, weil der See, mangels Wasserzufluss, zu wenig Lebensraum und Sauerstoff bot.  Die EU und die Mitfinanzierer lassen sich den Abschnitt des neuen, eingedeichten Dammkanals, der das Problem dadurch lindern soll, indem weiteres, gelegentliches Hochwasser vom Pinios zugeführt wird, etwa so viel kosten, wie für den Gimritzer Damm veranschlagt wird: 3,6 Millionen Euro. Das sagt jedenfalls das Bauschild.

 

20160916_195259-bamnies

Schwiegermama hat gekocht: Moschari me Bamnies.

17. September, Larissa

Noch einmal gibt es was zu Feiern, ähnlich wie zu Beginn unserer Reise, zu ähnlichem Anlaß. Wir begeben uns daher in Larissa, in der Innenstadt, wo wir für 9 Personen vorbestellt haben, und zwar in der Psitopoleio ( Grillrestaurant) Adamos. Es ist der erste und traditionellste Laden seiner Art am Platze. Da einem Leser diesesr Berichte die fotografische Darstellung des Kokoretsi von Samothrake nicht sagte, möchte ich oier bessere Darstellungen abgeben. Die Kokortetsia bei Adamos sind aus Lamminnereien, etwas eine Idee und noch besser gewürzt als die in Samothraki. In ihrer Anatomie (innen Leber, andere Innereien, umwickelt mit Darmschnüren)  aber vergleichbar. Der Tisch in der Fußgängerzone vor dem Lokal ist weiß gedeckt, in den eloxierten Kannen darauf gibt es Weißwein, und an sonsten Gegrilltes, jede Menge Unterhaltung, über die Krise, Herrn Schäuble, Frau Merkel, die EU und überhaupt.

 

18. September, überall in Mavrovouni 

Und endlich sind die Kastanien reif, öffnen bereitwillig ihre stacheligen Kapseln . Wir pflücken sie, einige nehmen wir mit nach Hause. Es sind typische Herbstboten, sie lassen uns wissen: lang ist unser Bleiben hier leider nicht mehr. „Kalo Chimona“, einen schönen Winter, scheinen sie uns zuzuflüstern. .

20160916_142301-kastana-maronen

Die „Kastana“ (Maronen) werden reif.