Die Flut in Thessalien

4.-7. September 2023

Auf der Hinfahrt von Athen nach Larissa kommen wir an vielen verbrannten Bergen und Landschaften vorbei, und kurz vor Beginn der Thessalischen Ebene verdunkeln Rauchschwaden die Sonne – einer der letzten noch aktiven Waldbrände, irgendwo westlich der Ortschaft Almyros.

30. August: Rauchschwaden eines Waldbrandes westlich von Almiros (Thessalien) verdunkeln die Sonne

Am Donnertag, den 31. August saßen wir endlich im Garten unserer Freunde in Platykampos, einem – der Name sagt es schon – Ort in der flachen Ebene zwischen Larissa und Aghia, von wo wir dann weiter nach Aghiokampos fahren wollen. Die Freunde haben hier ein wunderbares zweistöckiges Haus in einen idyllischen Blumen- und Gemüsegarten gesetzt, wo sie vieles ihres täglichen Bedarfes anbauen. Es ist zu recht ihr Stolz. Hier wachsen Auberginen, Feigen, Riesentomaten, Melonen, Kürbisse, aber auch Wein und solche Banalitäten wie Kohl. Wir fachsimpeln über das Wetter. Beide sind nicht besonders glücklich über den Zustand des Gartens. Die ständigen, heißen und trockenen Winde haben vieles verdorren lassen. Meltemi heißt dieser heiße Wind. Heute ist die Luft schwül, und wir mutmaßen, dass es ja eine Chance auf Regen geben könne. Ja, das habe sie schon im Wetterbericht vernommen – aber sie glaube es nicht, sagt unsere Freundin.

Wir verabreden uns für den Samstag zum Krabbenfischen, und am Sonntag verbringen wir gemeinsam einen Tag am Strand und essen Fisch in einer Taverne in Aghiokampos.. Es ist warm, und von der Ferne dröhnt unglaublich laute Musik – das „Abschlusskonzert“ einer Strandbar, die Nachts nochmal richtig aufdreht, denn die Saison ist endgültig zu Ende. Montag früh fahren unsere Freunde wieder zurück nach Platykampos. Noch ahnte niemand, was nun kommen würde – wenngleich die Nachrichtensender für Montagabend vor Unwetter mit Starkregen und utopisch anmutenden Niederschlagsmengen für die kommenden Tage warnen. Man spricht von bis zu 2000 Litern Niederschlag in den kommenden Tagen pro Quadratmeter – was niemand glaubt (das ist eine zwei Meter hohe Schicht Wasser !). Das wäre die etwa 4-5-fache Menge eines durchschnittlichen Niederschlags in Griechenland pro Jahr.

Montagmorgen ist die Saison am Strand tatsächlich zu Ende – es hat in der Nacht leicht geregnet, Pfützen haben sich am Strand gebildet, aber der Himmel ist wieder klar. Es liegt eine merkwürdige Schwüle in der Luft. Abermals warnen die Nachrichten vor Regengüssen katastrophalen Ausmaßes. Gegen Abend werden die Wolken dichter, es donnert, und plötzlich prasselt ein Regen herunter, den die Welt noch nicht gesehen hat. Wir jedenfalls nicht. Es kracht und donnert, und vor allem fegt ein kräftiger Sturm den Regen fast waagerecht über die Straße – von der so wenig wie vom Strand noch irgend etwas zu sehen ist.


Beeindruckt – und nun auch etwas besorgt – gehen wir schlafen – versuchen es zumindest. Der Wind rüttelt am Haus, und ich wache morgens von einem merkwürdigen Gequäke auf – es ist die Alarmanlage des Autos, wohl von dem Unwetter ausgelöst. Ob es die kräftigen Donnerschläge oder die Windböen waren, – keine Ahnung. Jetzt hat sich das griechische Katwarn gemeldet und warnt vor Überflutungen im ganzen Land. Die Unwetter haben sich über genau unsere Region ergossen – man spricht an diesem Tag von über 700-800 Litern.

Erst langsam kommen die ersten Katastrophenmeldungen. Wir gehen raus, wollen sehen, was die Chimaroi machen. Ein Chimaros ist ein Trockental oder ausgetrocknetes Flussbett von oft beeindruckender Breite, und noch nie haben wir einen fließen gesehen, wir kennen sie immer nur trocken, mit vielen großen, rundgeschliffenen Felsen darin. Im Winter wenn es mehr regnet,, führen sie Wasser, daher auch der Name (Chimonas=Winter, Chimaros – Winterfluss). In einem Kilometer Entfernung steht die etwas übertriebene Brückenkonstruktion (nach einem spanischen Architekten, der für diese Konstruktionen bekannt ist, von den Einheimischen hier spöttisch „Kalatrava-Brücke“ genannt). Mit donnerndem Getöse rauschen die gelben Wassermassen nicht nur durch die Brücke, sondern auch an ihr vorbei, die halbe Straße haben sie bereits weggerissen, es droht immer mehr nachzustürzen. Durch den Supermarkt neben der Brücke hat sich das schmutzige Wasser ebenfalls einen Weg gebahnt, die Ladenbesitzer sind verzweifelt und versuchen zu retten, was zu retten geht.

Langsam lässt der Regen etwas nach, man hört, dass die Straßen von Volos überschwemmt sind, der nächst größeren Stadt 50 km weiter südlich. In den Fernsehaufnahme wird der Bürgermeister gezeigt, wie er verzweifelt auf Autofahrer einredet, ihren Wagen stehen zu lassen, und nicht durch die Fluten zu fahren. Vergeblich. Man sieht verzweifelte Fahrer, das griechische Katastrophenfernsehn berichtet rund um die Uhr, zeigt immer wieder die selben schockierenden Bilder in Dauerschleife, in Briefmarken großen Fensterchen versuchen aufgeregte Fernsehjournalistinnen gleichzeitig Bürgermeister, Feuerwehrleute und Betroffene zu „interviewen“, am meisten hören sie sich selbst reden, und fallen den Befragten ins Wort. Das ist nichts besonderes, sondern griechisches Fernsehen. Hier geht es aber nicht um irgend einen Nachbarschaftsstreit, sondern eine Katastrophe, die sich in den folgenden Stunden und Tagen noch entwickeln wird.

Am Strand schieben die Wogen weißlich-gelbe Schaumteppiche vor sich her. Der Wind treibt sie rollend wie Schäfchen über den Strand, wo sie knisternd zerfallen und einen braunen Schmier hinterlassen. Der Schaum ist ein Ergebnis von Algenblüte und den Schlammmassen, die von Land ins Meer strömen.

Die Erleichterung war zu früh. Am Abend des Folgetages türmen sich abermals schwarze Wolken über den Bergen von Mavrovouni auf. Nun scheint sich der Regen voll auf die Ebene um Larissa, aber auch auf Karditsa und umliegende Dörfer zu konzentrieren. Man sieht im Fernseher, wie Dörfer der Ebenen im Schlamm versinken, Häuser bis zum Dach im Waser stehen. Die Telefonleitungen nach Larissa sind gekappt, unsere Verwandschaft erreichen wir noch auf dem Handy. Sorge um unsere Freunde in Platykampos – denn der Ort liegt gefährlich in der Ebene, außerdem gibt es dort Kanäle, die vom Fluss Pinios zum Limni Karla führen. Wir erreichen unsere Freunde nicht, irgendwann bekommen wir sie doch auf dem Handy. Sie sind überschwemmt, im Haus steht eine Hand breit Wasser, das aber nicht vom Fluss gekommen ist, sondern von der Dachrinne, die dummerweise mit der Küche verbunden war. Im Garten steht das Wasser kniehoch, versunkenes Paradies. Morgen werden wir versuchen, zu unseren Freunden zu fahren, wenn das Wasser abgelaufen ist.

Wir waren nochmal an der Kalatrava-Brücke. In der Nacht ist der Fluss wiedergekommen. Er hat die Straße jetzt komplett weggerissen, und leider ist er wieder durch den Supermarkt gelaufen, den die Besitzer tags zuvor wieder geputzt und mit neuen Waren gefüllt hatten. Ihnen standen die Tränen in den Augen.

Das gesamte Ausmaß der Katastrophe haben wir hier nur über den Fernseher und das Internet mitbekommen, sie scheint „biblische“ Ausmaße genommen zu haben, das meiste wird man wohl erst begreifen, wenn die Wassermassen weg sind. Aber jetzt schon ist klar, dass die Ahrtal-Flut gegen die Thessalische Unwetterkatastrophe wohl nur ein Vorspiel war, dessen, was noch als Klimafolgen auf Europa zukommt. Leider gibt es auch im griechischen Parlament schon wieder Redner der rechtsaußen-Parteien, die den Klimawandel für eine Verschwörung halten oder eine Strafe Gottes (Und da Griechenland noch viel kleiner ist und noch weniger Wirtschaftskraft hat als Deutschland, hat es ja erst recht keinen Einfluss auf die Zusammensetzung der Atmosphäre.)

Fortsetzung: Nach dem Regen kommt erst die richtige Flut

Als Jäger und Sammler im wilden Mavrovouni: Ein kulinarischer Streifzug zwischen Maronen, Edelpilzen und Wildschweinragout

Dieser Pilz lässt Kenner in Verzückung geraten: Der Kaiserpilz, Amanita caesarea, gefunden im Mavrovouni /Thessalien
Der auf dieser Google-Karte mit „Dasoktima Polydendrio „(Forstbezirk Polydendri)“ bezeichnete grüne Berg ist das Kerngebiet von Mavrovouni in Thessalien.

Mavrovouni heißt die Landschaft in Thessalien zwischen dem Ossa-Massiv im Norden, dem Pilion im Süden, zwischen der Küste im Osten und der Thessalischen Ebene im Westen. Mavrovoni ist eigentlich ein Berg, ein ansehnlich hoher sogar, ein Bergkamm mit Höhenlagen um die 1000 Meter. Mavrovouni bedeutet auf griechisch „schwarzer Berg“, was eigentlich nur zutrifft, wenn seine dicht bewaldeten Hänge morgens von den beschaulichen Ortschaften Potamia, Aghia oder Aetolofos im Gegenlicht stehen. Denn sonst müsste man ihn eigentlich „Grünberg“ nennen. Das Gebirge ist kaum besiedelt, abgesehen von den Dörfen Skiti und Sklithro sind die Orte, die allesamt von der Landwirtschaft leben, um den Fuß des Berges herum verteilt. Das erscheint merkwürdig, erklärt sich wohl aber damit, dass seine steilen, bewaldeten Hänge früher schwierig zu bezwingen waren und das Siedeln an den Füßen, von wo man auf der einen Seite in der fruchtbaren Ebene Landwirtschaft betreiben kann, und einst auf der anderen Meerseite zum Fischfang auszog. Heute liegen an der Ägäisküste des Berges mit seinen Badebuchten und einem langen Strand die Wochenend- und Ferienorte der Städter.

(Mehr über Mavrovouni gibt es in diesem Blog beispielsweise hier oder hier)

Der Berg jedoch versorgt bis heute die Bewohner der Ortschaften nicht nur mit Unmengen von Wasser, das sich bei den zahlreichen Regenfällen durch die Täler und Schluchten in die Ebene ergießt: er wird – und das in jüngster Zeit sogar in zunehmendem Maße – land- und forstwirtschaftlich genutzt. Das wollen wir uns ansehen. In die Höhenlagen des Mavrovouni führt allerdings ausgebaute Straße – nur mit den in der Landwirtschaft üblichen „Agrotika“ (einer Art Geländewagen, meistens gealterte Pickups von Toyota und Mitsubishi) oder Traktoren lassen sich die steilen, unbefestigten „Chomatodromi“ befahren. Zu Fuß im Sommer sind die staubigen und heißen Forstwege mühsam zu begehen, die Strecken sind lang, Orte zur Rast für Bergwanderer gibt es hier oben nicht. Auch GPS ist nicht immer eine Hilfe – der Handyempfang versagt oft, auch hier oben immer mehr Sendeanlagen errichtet werden. In den Mavrouvouni startet man am besten von dem Dorf Potamia oder Skiti aus. Jetzt, Ende September, ist hier unten bis in die Höhe von Skiti (etwa auf 350 Höhenmetern gelegen),die Apfelernte, wie überall in Thessalien, in vollem Gange.

Von Skiti oder auch dem fast in der Ebene gelegene Potamia aus führen die mit rötlicher Erde bedeckten Staubpisten langsam, dann immer steiler werdend, in die Berge hinauf. Nach den letzten Apfelbäumen wechselt die Vegetation zunächst in eine Art Macchia, mit Harthölzern bewachsen, der westliche Erdbeerbaum, hier „Kumaria“ genannt“, ist das Leitgehölz. Die Beeren beginnen jetzt zu reifen, sie schmecken süßlich, säuerlich und vor allem etwas fad. Genutzt werden sie kaum (vgl. Hallespektrum, Pflanze der Woche). Kaum vorstellbar, dass es oberhalb dieser trockenen Gehölzzone Vegetation gibt, die sogar landwirtschaftlich genutzt wird. Und doch ist es so.

Hebt man die Augen in die sich weiter oberhalb auftürmenden, dunkel grünen Berge, so erkennt man schon von weitem, dass dort ein Wald aus recht großen Bäumen bis in die Gipfelllagen der Berggipfel aufsteigt. Ermöglicht wird dieses Baumwachstum durch die Nebelwände und Regenwolken, die sich weiter oben an den Hängen stauen und diese oft sogar in ein feuchtes Dunkel tauchen – manchmal, wie jetzt im Herbst, ganz plötzlich und unvermittelt. Bald begleiten Eichen und Buchen, dann immer mehr und mehr Kastanien, und zwar nicht etwa die uns bekannten Roßkastanien, sondern Esskastanien (Maronen, Castanea sativa) den Weg. Teils handelt es sich noch um ihre Wildform, denn der Baum ist hier heimisch.

In den meisten Fällen aber verraten die Tennisballgroßen, grüngelb leuchtenden, stachelbewehrten Fruchtstände, dass es sich Kulturformen handelt. Es fällt auf, dass viele Plantagen neu angelegt sind, besetzt mit noch recht kleinwüchsigen Bäumen, die aber, das verraten ältere Exemplare, locker Höhen bis zu 20 Meter erreichen können. Schwarze Wasserschläuche durchziehen die steil in die Hanglagen aufsteigenden Plantagen mit einem bizarren Girlandenwerk. Je weiter man aufsteigt, mittlerweile erreichen wir Höhen von 800 bis 1000 Meter, wird der Nebel dichter, die Bäume kräftiger. Motorengebrumm zeugt von unzähligen Dieselmaschinen, die tagein- tagaus das Wasser zu den Bäumen pumpen. An manchen Stellen künden verkohlte Holzreste und breite, in ihren Höhlungen ausgekohlte Baumstümpfe, von Jahren zurücklegenden Brandereignissen – die aber anders, als sonst in Griechenland, kaum katastrophale Ausdehnungen erreicht haben. Ein Glück. Das mag an der prinzipiell geringeren Entflammbarkeit der regelmäßig künstlich wie natürlich befeuchteten Baumwelt liegen. Nadelbäume sieht man hier nicht.

Aus den verkohlten Stümpfen dieser Bäume treibt frisches Grün – es sind jedoch nicht Stockausschläge. Bauern haben die verkohlten Ruinen angebohrt, Edelreiser der neuen, besonders ertragreichen Edelkastaniensorten eingesteckt, die ihren Saft nun aus den lädierten, aber noch vitalen Relikten ihrer Großväter ziehen.

Dass nun, wo die Apfelernte sich dem Ende zuneigt, der nächste Ernteeinsatz in größerer Höhe ansteht, davon zeugen die langsam aufplatzenden grünen Stachelhüllen, die die braunglänzenden Maronenfrüchte langsam freigeben. Je höher wir geraten, ums so reifer werden die Bäume – die Ernte wird hier von oben herab, absteigend, erfolgen. Auf etwa 1000 Höhenmetern finden wir herabgefallene Kastanienauf dem Weg, viele aber sind nicht auf die Straße gefallen, sondern sind die Hänge hinabgekollert, wo sie sich in Mulden sammeln. Wie werden die eigentlich professionell geerntet? Gibt es da Maschinen? Wer soll da umherklettern, und um die Ware in die bereits bereitstehenden blauen Plastekisten einsammeln? Sicher ist: anders als in den Äpfelplantagen, wo zwischen den Baumreihen kleine Traktoren mit Anhängern durch fahren, besetzt mit meist albanischen oder osteuropäischen Zeitarbeitern, kommt hier keine Technik durch. Die Bäume zu hoch, die Hänge zu steil, und die Früchte fallen einfach aus den Stachelhülsen von den Bäumen, wenn sie reif sind und häufigen Windböen sie schütteln.

Eigentlich war unsere Idee, hier oben Pilze zu sammeln. Ein hoffnungsloses Unterfangen, denken wir, aber immerhin sind unsere Taschen voll mit Maronen, die wir vor dem Überfahren gerettet haben. Was auch nicht schlecht ist. Denn sie sind frisch, nicht wie diese innen verschimmelte, bestenfalls vertrocknete Ware, die man gelegentlich in Halle im Supermarkt erwerben kann.

Statt Maronen: der Kaiserling, der begehrteste Speisepilz der antiken Welt: Amanita caesarea.

Für Pilze war es zu trocken, jedenfalls fanden wir bislang keinen, bis zwischen vertrockneten strohigen Fruchthüllen der Bäume ein einzelner orangefarbenener Fleck erscheint. Ein Pilz. Erst einer, dann mehrere. Immer wieder in kleinen Gruppen lugen sie hervor. Vorsichtig aus dem mulmigen Erdreich gehoben, zeigen sie eine deutliche, breite Konolle, aus der ein Stiel emporsteigt. Der Schaft trägt eine Manschette, wie ein Knollenblätterpilz. Keine Frage: es handelt sich um Exemplare der Gattung Wulstling. Zu ihnen gehören die giftigsten Pilze, die man kennt – aber auch einige Speisepilze, beispielsweise der Perlpilz, den man jetzt auch gelegentlich in den herbstlichen Wäldern in Deutschland findet. Der Hut ist orangegelb, trägt aber keine weißen Flecken (Hüllreste) wie der uns natürlich bekannte Fliegenpilz. Sehr auffallend: Die Blätter (Lamellen) der Hutunterseite sind intensiv gelb-orange gefärbt. Das macht die Bestimmung sicher: Es ist eine Amanita caesarea, der Kaiserling. Schon der antike Enzyclopädist Plinius nennt in seiner „Naturalis historia“, der Wikipedia der Antike, Steinpilz, Trüffel und Kaiserling als die drei besten Speisepilze.  Aber auch der Gault Millau führt ihn als den „König der Pilze“ und empfiehlt sogar, den Fruchtkörper roh als Carpaccio zu genießen.

Das ist auch das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zu anderen Arten der Gattung Amanita, und auch die wichtigste Lebensversicherung: kein anderer Wulstling hat gelbe Lamellen. Das sagt nicht nur die schlaue Wikipedia, sondern steht so auch in vielen Bestimmungsbüchern, auch diverse Apps erkennen den Pilz (obwohl – wie wir wissen – hier Vorsicht geboten ist. )
In fremden Klimazonen gibt es oft schlimme Doppelgänger – die leidvolle Erfahrung machen bekanntlich nicht nur nach Deutschland geflüchtete – anders herum passiert es auch. Aber auch die „einheimischen“ Webseiten beschreiben den „Käsarikos“ als guten Speisepilz und zeigen mögliche Verwechslungsgefahren fachkundig auf.

(Zum Thema Pilze sammeln in Griechenland gibt es in diesem Blog auch hier etwas zu lesen)

Der Wald: ein Ort, um zwanglos neue Bekanntschaften zu schließen

Motorengeräusch kommt näher, zwischen den Bäumen nahe der Lichtung, erscheint ein schwarzer Pickup, steuert langsam auf uns zu. Aus dem Wagen steigen zwei Männer, ein älter und ein jüngerer. Sie inspizieren zunächst das Wasserbecken, das hier als Pumpspeicher dient, dann mustern sie uns argwöhnisch und sprechen uns an. Was wir hier tun, sie hätten nichts dagegen, dass wir uns aufhalten – man möge es nur nicht, wenn Fremde die Kastanien zwischen den Bäumen aufsammeln. Das seien nämlich ihre. Wir versichern, dass wir mehr auf Pilze aus sind und zeigen den Herrschaften die Exemplare, die wir gefunden haben. Anerkennend stimmen sie uns zu – und bestätigen ebenfalls Art und Essbarkeit. Wir sollten uns aber vorsehen, meinten sie. Nicht nur vor giftigen Pilzen. Vielmehr sollen wir uns nicht dem Metallrohr nähern, das da zwischen den Bäumen steht und über einen Schlauch mit einer Propangasflache verbunden ist. Es ist eine Selbstschussanlage. Diese Maschinen, die übrigens kein Projektil verschießen, aber eine gehörige Druckwelle erzeugen, sind auch Ursache der merkwürdigen Knallgeräusche, die ringsum in den Wäldern zu hören sind. Sie sollen Vögel vertreiben.

So kommen ins Gespräch. Zunächst über Pilze, besonders der Jüngere scheint sich gut auszukennen. Im letzten Jahr – was ein gutes Pilzjahr war – haben die beiden einen Zentner davon aus ihrem Wald geholt, und sorgsam als Vorrat eingefroren. Die Plantage, bzw. der Wald, gehört ihnen. Wir fragen, aus welchem Ort sie kommen, von wo aus die Wälder hier oben bewirtschaftet werden. Aus Potamia, sagt der ältere. Da stammt mein Schwiegervater her, erkläre ich, und siehe: die Welt ist klein: die Familien waren Nachbarn. Wir bekommen gekochte Kastanien zum probieren, der Geschmack ist herrlich, leicht süßlich, weich wie Marzipan.
Nun erfahren wir auch, mit welchen Maschinen die Kastanienernte eingefahren wird: es gibt gar keine Maschinen. Alles wird von Hand aufgesammelt. Man habe schon vieles probiert, etwa mit Saugrüsseln: aber alles Fehlanzeige, hier zählt Handarbeit. Die erledigen wieder die albanischen, rumänischen und bulgarischen Saisonkräfte, derer allein unser Kastanienbauer über 50 jedes Jahr beschäftigt.

Schwein gehabt

Es wird frisch, geht auf sechs Uhr zu, zwischen den Bäumen weht ein kühler, geradezu kalter Wind und treibt Wolkenfetzen umher, es wird Zeit, die Talfahrt anzutreten.

Wir verabschieden uns – und sehen uns kurz darauf wieder. Vor einem großzügigen Haus in Potamia steht wieder der schwarze Pickup. Unsere Waldbekanntschaft winkt uns herbei. In der Einfahrt liegt ein frisch erlegtes Wildschwein, das den beiden auf dem Rückweg vor die Flinte gekommen ist. Während der Coronapause (wo sogar Jagen verboten war) haben die Tiere im Wald geradezu überhand genommen, erfahren wir. Vor uns liegt ein ordentliches Exemplar, seine Hauer lugen gefährlich aus dem blutenden Maul hervor, Vater und Sohn häuten das Tier. Wir bekommen eine Tüte mit einigen Fleischstücken geschenkt, versehen mit der Empfehlung, es gut zu marinieren, Knoblauch und ein Schuss Tsipouro (ein spezieller Tresterschnaps aus der Region) sollen es besonders zart und schmackhaft machen.

Hallali im Mavrovouni: die Sau ist tot

Dankend verabschieden wir und, und versichern, nächstes Jahr wiederzukommen, „einfach and der Tür klopfen, wir freuen uns“, laden sie uns ein.

Das machen wir, ganz bestimmt. Wenn die Pilze, die wir mittlerweile gegessen haben, es zulassen.

Maronen und Kaiserlinge: thessalisches Foodporn, unbearbeitet

Die Ägäische Katze: ein Haustier züchtet sich selbst

Sie haben richtig gelesen: es geht nicht um Selbstzüchtigung, sondern um Selbst-Zucht und darum, wie es in Griechenland frei lebende Katzen dazu bringen, den Rang einer bald international anerkannten Haustierrasse zu erhalten.

Kaum eine Tierart ist in Griechenland derart präsent wie Katzen. Während Ziegen und Schafherden nur gelegentlich die Landstraßen blockieren und verwilderte Hunde vorzugsweise vorbei fahrenden Autos hinterherjagen, sind ihre miauenden Mit-Carnivoren allgegenwärtig: sie bevölkern Kitschpostkarten, Tavernen und Restaurants, Müllcontainer in den Großstädten genauso wie sie in den Fischereihäfen herumlungern. Viele ihrer Artgenossen haben allerdings auch den anerkannten Status als Familienmitglieder erhalten und leben in den Etagenwohnungen der Städte: neben Hunden ist die Katze in Griechenland, ähnlich wie in den meisten europäischen Ländern, das beliebteste Haustier.

Da haben sie Glück: denn wild lebende „Streunerkatzen“ werden von der Verwaltung vieler von Tourismus lebenden Gemeinden als Problem angesehen. Von den meisten Touristen geliebt, unter dem Tavernentisch gefüttert und in malerischen Posen fotografiert, polarisieren die Tiere unter den Einheimischen. Das bemerkt man nicht erst, wenn der Wirt entnervt das Gesicht verzieht, weil die Gäste einen Teil der liebevoll servierten Speisen an die unter dem Tisch lungernden Katzen verteilen. Wie auf Kommando ist nämlich nicht nur das eine kleine süße Tierchen, das unbedingt vor dem Hungertod gerettet werden muss, zur Stelle: wie auf ein geheimes Zeichen verabredet, ist schnell das halbe Dutzend Katzen aus versteckten Winkeln herbeigesprungen, um den reichen zweibeinigen Onkel aus Amerika zu umbetteln. An Ferienorten haben sich Andenkenläden, Kioske und Mini-Märkte an den Bedarf zugereister Katzenliebhaber angepasst: Neben Dosenbier, Zigaretten und Andenken halten sie auch Katzenfutter in handlichen Portionstüten bereit. Wenn die Touristensaison vorbei ist, bleiben Heerscharen überfütterter Katzen zurück: nur ein Bruchteil überlebt den Winter.

Katzen in einer privaten Pflegestelle in Apterea / Kreta

Vielerorts haben sich – insbesondere in den Touristenregionen – Katzenschutzvereine gebildet, erstaunlich viele sind in der Hand von Einwohnern mit deutschem „Migrationshintergrund“, aber auch einheimische Tierliebhaber kümmern sich um Katzen, die sie oft in kleinen Heerscharen an Futterstellen versorgen. Die Katzenliebe ist umstritten – andere Gemeinden „entsorgen“ Katzen in mehr oder weniger brutaler Weise durch Vergiften, aber es gibt auch humane, allerdings teure Kastrationsprogramme.

Katzenvermittlung

Viele Tierschutzorganisationen vermitteln griechische Katzen – auch ins Ausland. Sie sorgen auch dafür, dass die Katze tatsächlich in gute Hände kommt, und vor Allem: dass das Tier überhaupt die erforderlichen Reisepapiere bekommt. In die Hände einer solchen Schlepperorganisation zu geraten, ist für manche Katze sicher ein Glücksfall – und für die Tierliebhaber, die unbedingt eine dieser bezaubernden Postkartenkatzen bei sich aufnehmen wollen, der einzige sichere Weg dahin.

Interessenten können sich beispielsweise an folgende Katzenvermittlungsstellen wenden:

Paroskatzen.de

Katzenvermittlung Santorin

Katzenvermittlung Kreta

Nun kann es aber passieren, dass man in die dumme Situation gerät, sich als Urlauber in eine ganz bestimmte Katze zu verlieben. So manchem Reisenden hat dieses Schicksal ereilt, zumeist unverhofft und unvorbereitet. Es ist meistens die Katze, die es mit der ihr immanenten Überzeugungskraft schafft, jegliche Grenzen der menschlichen Vernunft zu überwinden. Der Autor weiß, wovon er spricht, seit Jahren lebt in seinem Haushalt ein vierbeiniger Hausgenosse aus Thessalien. Aber das ist eine andere Geschichte.

Strenge Vorschriften bei der Katzenadoption beachten

Unser Kater, Larissa 2013, mit Impfpass

Wenn man sicher ist, dass das anhängliche und liebgewordene Tier wirklich herrenlos ist, man selbst möglichst bereits über einschlägige Katzenerfahrung verfügt und sich über die Konsequenzen seines Handelns bewusst ist: dann geht der erste Weg zum örtlichen Tierarzt. Die Vorschriften und Wege sind im EU-Recht ziemlich eindeutig, illegale Wege wie Schmuggel etc. sind ausgeschlossen:

„Bevor Ihr Haustier reisen darf, muss es von einem ermächtigten Tierarzt gegen Tollwut geimpft werden. Damit die Impfung gültig ist, muss Ihr Haustier mindestens 12 Wochen alt und vor der Impfung mit einem Mikrochip ausgestattet worden sein. Ihr Haustier darf frühestens 21 Tage nach Abschluss des Impfprotokolls reisen. Sie sollten sicherstellen, dass alle weiteren Impfungen verabreicht werden, bevor die Gültigkeitsdauer der vorherigen Impfung abgelaufen ist.“ (Quelle: europe.eu)

Nur ein Tierarzt kann die entsprechenden Untersuchungen und Impfungen verabreichen, das Tier chippen (Impfung und Chip, Bill Gates lässt grüßen 🙂 ) und am Ende auch den EU-Haustierausweis ausstellen. Schon der Zeitfaktor dürfte die meisten spontan-Katzenimporteure vor unlösbare Probleme stellen.

Junge Kätzchen, Herbst 2021, Platia Anatoli Aghias

Die griechische Wohnungskatze

Keineswegs leben in Griechenland nur herrenlosen Streunerkatzen. Im Gegenteil: schon im Straßenbild der Großstädte fällt die die Vielzahl von Geschäften für Heimtierbedarf auf, das Angebot ist vor allem auf Hunde- und Katzenbesitzer ausgerichtet. Kleintierarztpraxen arbeiten dabei mit einem kombinierten Geschäftsmodell: im vorderen Ladenbereich verkaufen sie Katzen- und Hundefutter, Hundeleinen, Katzenspielzeug und was das Herz des Tierliebhabers begehrt. In den dahinterliegenden Räumen werden die Tiere behandelt, die meisten Praxen verfügen auch über Röntgenvorrichtungen und OP-Räume nach europäischem Standard.

Ein Wurf, wie aus einem Guss: Ägäische Katzen (Zagora / Pilion)

Natürlich führt der Weg der Katze nicht nur aus Griechenland heraus – es gibt auch Einwanderer. Im Haushalt unserer Tierärztin in Larissa lebt beispielsweise Massoud – der Kater einer geflüchteten Syrerin, die ihr geliebtes Tier bis nach Griechenland gebracht hat, dann aber doch nicht ins Zielland Kanada mitnehmen konnte.

Die Katzenrasse Aegean und die Selbstzucht

Während einerseits der Mehrzahl „wilder“ Streunekatzen weltweit irgendwo das Schicksal im Spannungsfeld zwischen Verhungern, vergiftet-werden oder Adoption zuteil wird, genießen „Edelkatzen“ den Status eines Luxuslebens. Schon deshalb, weil ihre Besitzer schon für den Erwerb ihrer „Rassekatze“ größere Geldmengen aufgeboten haben.

Die Ägäische Hauskatze auf dem Weg zur „anerkannten Rasse“

Was liegt da näher, als die streunenden „Allerweltskatzen“ in den Adelsstand zu erheben? Griechische Katzenfreunde sind da offenbar auf einem guten Weg. Es gibt bereits eine Art Rassestandard, der zwar noch nicht international anerkannt ist, es aber unter anderem schon zu einem Wikipedia-Eintrag gebracht hat. Auf vielen Katzenseiten wird die „Ägäische Hauskatze“ bereits in ihren Eigenschaften von Kopf bis Schwanz, Fellfarbe, Ohrenform und Sozialverhalten klar definiert. Einig ist man sich darüber, dass sich die „Ägäische Hauskatze“ ohne menschliches Zutun – lediglich durch Selbstauswahl und Anpassung an den Menschen – erschaffen hat. Wobei: vermutlich hat sie eher ihre zweibeinigen Freunde züchterisch bearbeitet.

Wer auch nur wenig Erfahrung mit den um das Mittelmeer sich tummelnden Katzen verfügt, wir zunächst bestätigen: die herausragende Fähigkeit dieser Katzen ist, die von ihr ausgewählten Zweibeiner dazu abzurichten, ihren freien Willen aufzugeben und sich ganz dem Wunsch der Katze unterzuordnen. Im Regelfall sucht sich die Ägäische Katze den Menschen aus, indem sie sich aus der Gruppe ihrer Artgenossen löst, vor ihrem ausgewählten Partner niederlässt und ihn durch unaufhörliches Geschrei und hinterherlaufen dazu bringt, zunächst sein Essen mit ihr zu teilen, um dann notgedrungen („das arme Tier, wer, wenn nicht ich, wird sich um sie kümmern“ ) in den Hausstand aufgenommen zu werden. Wo sie fortan das Heft übernimmt und keinen Widerspruch duldet.

Laut „Züchterdefinition“ zeichnet sich die Ägäische Hauskatze durch folgende Merkmale aus:

Gewicht: 8-12 Pfund

Augenfarbe: grün, blau oder golden

Fell: zwei/ bis dreifarbig, eine davon weiß, mittellang

Schwanz: Lang, manchmal krumm

Pfoten und Beine: mittelgroß.

Unter den sozialen Eigenschaften ist vermerkt, Ägäische Hauskatzen seien intelligent und äußerst „gesprächig„.

Nicht nur unser Kater, den wir vor Jahren nach Halle mitgenommen haben, erfüllt diese Kriterien vollkommen. Gerade komme ich wieder vom Katzenfüttern zurück. Ein neuer Ägäischer Promenadenkater hat unsere volle Aufmerksamkeit erobert. Als wir hier vor ein paar Tagen in Aghiocampos eintrafen, hatte das Tier bereits zwei Nachbarsfamilien unter seine Herrschaft gebracht, nun sind wir dran.

Kater Lupin erfüllt alles Standards der Rasse „Aegean“.

Der Kater sitzt vor der Haustür und schreit, wenn man nicht schnell genug die verlangte Futterration herunterbringt, und das 7/24. Mehrere Familien buhlen um die Gunst des roten Schreihalses, der oft nicht einmal genau weiß, was er will: Fressen, Milch, gestreichelt werden. Am meisten mag er die Kinder im Erdgeschoss. Mit ihnen macht er Ausflüge an den Strand, stundenlang tummelt er sich zwischen ihnen und hilft fachkundig beim Scharren im Sand. In allen Wohnungen findet er sich mittlerweile zurecht: er weiß, wo Küche und Kühlschrank sind und hat herausgefunden, auf welche Gesangstonlage die jeweiligen Bewohner reagieren, um Bestellungen entgegenzunehmen. Die Nachbarskinder rufen ihn „Lupin“. Wir haben die Kinder nach der Herkunft des Namens gefragt und erfahren, dass eine Figur bei Harry Potter so heißt: ein Werwolf, der nachts unaufhörlich seine Gesänge zum Besten gibt. Dieser Kater bleibt auf jeden Fall hier.

Για την αγαπημενη γυναικα μου στα γηνεθλια της το 2021.

Er könnte auch Werbung für Katzenfutter machen

Neue Schnellstraße soll die letzten unberührten Wälder durchschneiden: „um die Schönheit des Landes zu zeigen“

Beginn eines merkwürdigen Bauprojetes durch Mavrovouni und Pilion

Die letzten Jahre berichtete ich über eine schönen, verwunschenen Feldweg, der unterhalb des Ortes Sklithro durch Berghänge und Felsen entlang der Küste bis zum Ort Keramidi in den Pilion führt. Ein holperiger unbefestigter Feldweg, der an wenigen Häusern, kleinen Olivenhainen und einem verlassenen Bergwerk entlang führt. Am Ende des Weges liegt das Bergdorf Keramidi, das seinerseits eine gute Straßenanbindung in die thessalische Ebene bei Kanalia und weiternach Volos oder Larissa verfügt.

Keramidi selbst ist ein hübsches, verschlafenes Nest, malerisch in den Bergen gelegen, darunter am Meer befindet sich eine kleinen Badebucht, Kamari genannt, drei Häuser, ein Strandcafe.

Dieser Anblick gehört bald der Vergangenheit an: weiße Quarzsansteinfelsen in den Bewaldeten Berghängen zwischen Keramidi und Skiti im Nordteil des Pilion. Bald wird hier eine Schnellstraße die Landschaft durchschneiden

Von Keramidi aus führt dann noch eine etwa 15 Kilometer lange, einfache Straße zum nächsten Ort , Veneto genannt. Auch hier leben in den Sommermonaten vielleicht 100 Menschen, in den Wintermonaten kaum jemand.

Ein kleiner Reisebericht von 2018 – zwischen Mavrovouni und dem Pilion

Halbinsel Pilion (unten/mitte) und Bergland Mavrovouni (oben)

Sieht man sich die Gegend auf der Karte an, so stellt man fest, dass die stark von Tourismus frequentierte Halbinsel Pilion jedoch eine Sackgasse darstellt. Bis heute ist sie eigentlich nur von Volos aus erschlossen, am Ort Zagora enden die Verkehrsverbindungen. Besonders im Sommer und Herbst schlängeln sich horrende Autokolonnen von Volos kommend in die Bergdörfer des Pilion, verpesten die Luft und verursachen einen höllischen Lärm. Die Folge für die einst einmal romantischen Bergdörfer mit ihren bis in die 1980er Jahre nicht gut erhaltenen Steinarchitektur des 18. und 19. Jahrhunderts: sie wurden mit einer Vielzahl von Neubauten in Form von Hotels überzogen, protzigen Privathäusern (errichtet aus Beton, verkleidet mit Natursteinen und kitschigen Accessoires, die sie („traditionell“ aussehen lassen sollen), eine Skipiste ergießt sich vom höchsten Ort Chania in die Wälder hinab, Andenkenläden und Cafes säumen die sich hinauf schlängelnde Straße, auf der sich Reisebusse in die einst naturbelassene Landschaft hinaufwälzen.

Ein Bild, das bald der Vergangenheit angehört: Ziegenherde auf dem Feldweg Weg zwischen Sklithro (Mavrovouni) und Keramidi (Pilion)

Etwas zum Pilion gab es hier schon einmal zu lesen:

Sieht man sich die Luftbildkarte weiter an, so bemerkt man, dass die Berggegend des Pilion, und vor allem die von Mavrovouni, nahezu durchweg dunkelgrün ist. Es sind Wälder, eine der letzten geschlossenen Laubwaldgebiete Mittelgriechenlands. In der Karte findet man eine blaue Linie. Das ist die von „Google-Maps“ vorgeschlagene Fahrt auf den Pilon, alle Orte am Hang der bewaldeten Halbinsel werden nur von Volos aus erschlossen. Dann sieht man auf der Karte oben an der Küste eine Rote Linie. Dort hat gerade der Bau einer gewaltigen Schneise durch den Wald begonnen. Hier soll in den nächsten Jahren schon eine breit ausgebaute Schnellstraße durch die Wälder führen – versehen mit hohen Stütz- und Begrenzungsmauern, Rastplätzen, Tankstellen und Brücken und autobahnähnlich ausgebauten Anschlussstellen. Auch angrenzende Feldwege sollen asphaltiert und ausgebaut werden. Jahrhunderte alte Baume und Vergetationsräume werden abgeräumt.

Noch mehr Autoverkehr wird sich auf den Pilion ergießen, noch mehr Beton in den einst noch malerischen Ofrten vergossen, Siedlungen werden zu Hotelburgen, ehemals allenfalls forstlich oder landwirtschaftlich genutzte Grundstücke werden zu Bauland: die Begehrlichkeiten sind enorm. Bisher waren der Pilion und Mavrovouni kaum von Waldbränden betroffen: man darf hoffen, dass das nur daran liegt, dass hier an den Nordosthängen der Berge bislang verhältnismäßig viel Regen fiel. Straßen durch unberührte NAtur verboinden nicht nur Ortschaften miteinander, sie sind Magneten für weitere Zersiedelung. Man darf nur hoffen, dass sich nicht das Schlimmste bewahrheitet. Griechenland könnte eines seiner letzten Naturräume an Wirtschaft und Tourismus verlieren.

Die Bauarbeiten haben bereits in diesem Sommer auf den ersten Kilometern zwischen begonnen. Das, was man bereits erkennen kann, lässt die Ausmaße erahnen.

Die folgenden Aufnahmen entstanden in der ersten Septemberwoche 2021. Das erste Teilstück der neuen Straße verläuft genau dort, wo zwei bis drei Jahre vorher die Bilder aus der obigen Galerie auf dieser Seite entstanden.

-einfügen Bilder Straßenbau-

Träger der Baumaßnahmen ist die Regionalregierung der beiden thessalischen Präfekturen Larissa und Magnesia. Man erhofft sich mit dem Projekt, die Region für den Tourismus weiter zu erschließen, um dabei die besondere Schönheit der Landschaft zu zeigen (sic!). „Der Hauptzweck dieser (touristischen) Reiserouten besteht darin, die natürliche und vom Menschen geschaffene Umwelt hervorzuheben „. Quelle: elektronisches Nachrichtenblatt e-thessalia.gr)

Genehmigt und im Bau befindlich ist jetzt das erste Teilstück mit einer Länge von 12,1 Kilometer zwischen Rakopotamos/Sklithro und Keramidi/Kamari. Die Kosten für dieses erste Teilstück belaufen sich auf ca. 15 Millionen Euro. Die Fortsetzung ist in Planung, nämlich von dort weiter durch den nahezu unbewohnten Teil des Pilion bis Zagora, Gesamtlange etwa 43 km.

Berichte über die Gegend hatte ich bereits in den vergangen Jahren im Blog beschrieben:

Ein Reisebericht von 2017 – holprige Wege nach Keramidi

Clash of culture: Unfallabwicklung in Griechenland

Thessaloniki, 31. August

Die mittägliche Rückfahrt vom Flughafen „Makedonias“ bei Thessaloniki in die Innenstadt ist ein mühseliges Unterfangen. Nach Athen ist Thessaloniki die Großstadt mit den größten Verkehrsproblemen. Auf mehrspurigen Straßen wälzt sich der Verkehr im Stop-And-Go in Richtung Innenstadt. Zwar gibt es eine Umgehungsstraße, die autobahnähnlich ausgebaute „Periferiaki“, die aber oft auch zu ist, aber auch niemanden weiterhilft, der wie wir, die Innenstadt erreichen will. Zur gleißenden Sonne, die es schwierig macht, Ampeln zu erkennen, kommen noch schlecht erkennbare Fahrbahnmarkierungen hinzu. Hier heißt es: Geduld und nochmals Geduld. Wir haben das Stadtzentrum fast erreicht, mit dem geliehenen, für den Innenstadtverkehr kaum geeigneten Geländewagen schieben wir uns durch die Straße „Odos Tsimiski“, halten vor einer roten Ampel. Der heftige Knall und ein scharfer Stoß kommen von hinten. Es dauert gefühlte lange Sekunden: alle Insassen OK, Unfall, aussteigen, eine Frau mittleren Alters ist uns mit ihrem Kleinwagen hinten aufgefahren. Die ist sichtlich geschockt, entschuldigt sich vielmals, ist sichtlich verzweifelt. Was nun, Polizei? „Nein, keine Polizei, bei so was ruft man nicht die Polizei“, rufen uns die Verkehrsteilnehmer von den Nachbarspuren rüber. „Fahrt an den Rand, ruft Eure Versicherungen an !“ Der Schaden ist beträchtlich, zumindest bei unserer Unfallgegnerin, bei uns ist anscheinend kaum etwas passiert. Wie war das jetzt mit den Versicherungen? Genau, so läuft das in Griechenland: Hier nimmt tatsächlich nicht die Polizei den Unfall auf, sondern mobile Versicherungsagenten. Ausnahme: schwere Unfälle mit Personenschaden. Der Agent unserer Unfallgegnerin ist schon nach einer Viertel Stunde da, unserer braucht etwas länger. Die Versicherungsagenten kommen mit dem Motorrad, damit schlängeln sie sich geschickt durch den dicken Verkehr. Mit einem Android-Tablett bewaffnet, tun sie das, womit in Deutschland regelmäßig die Verkehrspolizei behelligt wird: Papiere kontrollieren, Fotos machen, die Teilnehmer zum Hergang befragen. Den Rest regeln die Versicherungen untereinander – das ist dann nicht anders als in Deutschland. Nach der Unfallaufnahme fahren wir weiter – und sehen 500 Meter weiter unseren Agenten im Vorbeifahren noch einmal: am Straßenrand ist er schon mit dem nächsten Unfall beschäftigt.

(P.S: mit dem Schreiben hänge ich hinterher – mittlerweile eine Woche im Rückstand – es wird weitergehen mit: Thessaloniki – Komotini – Alexandroupoli – Samothraki – EvrosDelta – Feres- Stavroupolis(Xanthis). Das wird alles aufgeholt 🙂

Thessaloniki-Unfall

Unfallaufnahme in Thessaloniki

Nach Wahlsieg: Tsipras wird schon heute als Ministerpräsident vereidigt.

20150920_230019Aufregung im Briefmarkenfernsehn: mindestens zwei Journalistenfensterchen quasseln, im Hauptfenster werden Jubelszenen gezeigt. Unten eingeblendet die Stimm- und Sitzverteilung. Tzipras und Kammenos-ein ungleiches Paar, umarmen sich demonstrativ und geben sich „alle Fünfe“.
„Schon morgen wird Tzipras als Ministerpräsident vereidigt“, steht im Untertitel.

Der Fernseher läuft auf der Terrasse, wir feiern mit einem opulenten Mahl, über der Ebene von Larissa bricht ein heftiges Gewitter los, ein gewaltiges Feuerwerk aus Blitz und Donner. „Dass die Sonne wieder über Griechenland aufgehen wird, verspricht das „Palikari“ Tsipras derweil in seiner flammenden Rede. Die Wahlverlierer kommen auch ausreichend zu Wort, bedanken sich bei den Wählern20150921_010404 usw. . Damit beende ich den diesjährigen Blog, morgen ist Rückflug nach Halle.
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Schon wieder ein Jahr Halle vorüber. Bald wieder zuhause in Griechenland.

Der kleine Winzling von Kater, den wir letztes Wochenende in Aghiocampos eingesammelt haben, und dessenthalben ich den letzten Reisebericht so aprupt abbrechen mußte, lebt nun schon ein Jahr auf Gimritz. Ein Prachtexemplar. Die Tierärztin in Larissa hatte ihm einen „καλλο χαρακτηρας“, also einen sehr guten Charakter, bescheinigt (sie ist selber Katzenliebhaberin, und kennt sich da aus), also bekam das Würmchen einen Chip (armes Tier, so eine riesen blutende Wunde), dann einen EU-Pass (Nein, keine ErwerbsUnfähigkeitsbescheinigng, Tiberius ist nun vollwertiges Mitglied der Europäischen Union), was ihm auch die bequeme Einreise in die VR Gimritz ermöglichte (Es gibt ein Tierfernaustauschabkommen der VR Gimritz mit der Europäischen Union).
Tiberius wurde bereits im Februar diesen Jahres der internationalen Völkergemeinschaft als „Cat of The Day“ vorgestellt: http://catoftheday.com/archive/2014/February/10.html
Und letzte Woche hatte er seinen letzten Initiationsritus erfolgreich bestanden, indem ihm die Tierärtztin das Gemächte und damit den genetischen Code für diesen besonderen Katercharakter wegschnitt und in die Amputattonne warf. Oh, welche wertvolle Zuchtmaterial ist der europäischen Katzengesellschaft verloren gegangen!

Tiberius untersucht einen Gimritzer Saale-Hecht. Es ist für ihn nicht nicht immer ganz einfach gewesen, sich von dem mediterranen Futterangebot auf das Gimritzer Beutespektrum umzugewöhnen. Doch wir helfen ihm dabei, und nun isst er auch Hecht aus der Saale mit größtem Vergnügen. Wir sind ja so stolz auf ihn !

Tiberius untersucht einen Gimritzer Saale-Hecht. Es ist für ihn nicht nicht immer ganz einfach gewesen, sich von dem mediterranen Futterangebot auf das Gimritzer Beutespektrum umzugewöhnen. Doch wir helfen ihm dabei, und nun isst er auch Hecht aus der Saale mit größtem Vergnügen. Wir sind ja so stolz auf ihn !

Tiberius ist nun ein vollwertiges Mitglied der Gimritzer Gemeinschaft, ein Kulturbereicherer, doch er muss nun genau so wie seine Mitkätzin Agrippina zu Hause bleiben, auf Gimritz, derweil wir morgen wieder in unsere Heimat abreisen, nach Griechenland, genauer gesagt, Thessalien. Ubi Patria, ibi bene. Für unsere Katzen ist das Gimritz, unser Revier ist größer.
Darüber werde ich dann wieder schreiben, sowie Weh-Lan, Zeit und sonstige Widrigkeiten es zulassen. Die Delegation der VR Gimritz ist übrigens verstärkt worden. Eine gute Freundin, Nachbarin und Mitglied des regierenden Zentralrats der Gimritzer kommt mit. Sie wird selber berichten.

Tiberius von Aghiokampos.

Tiberius von Aghiokampos. Das war 2013, als wir ihn mitnahmen.

Genug Cat-Content. Die Nachbarn werden auf Haus, Garten und Vieh aufpassen. Es ist halt immer jemand da, was auch beruhigt, nicht nur die Tiere.
Draußen tobt das Laternenfest, und ich packe den Koffer. Also: meinen Handgepäck-Koffer. Ladegeräte, Kameras, Handys, Plastebeutel zum Pflanzensammeln, all den ganzen Quatsch. Versuche mich auch noch gerade zu sortieren: wie war das das letze Mal, Internet-Zugang in GR außer Haus, Internet-WLan-Karten von Cosmote. Wie ging das noch?

Ach so: wo wir ankommen: in Athen. Was wir danach machen: Darüber denken wir nach, wenn wir da sind. Es gibt kein Programm. Außer: unsere Freunde und Verwandten sehen. Rumfahren, Blödsinn machen. Der Rest kommt von alleine.

Aber Ihr, liebe HalleSpektrum-Leser, könnt uns verfolgen. Hier, auf diesem Kanal. Es wird mehr geben, als Cat-Content. Bleibt dran. Drei Wochen lang.