Preveli: wehrhafte Mönche über dem Palmenstrand

Die Preveli-Gegend Brücke, Strand, Klöster

Die Preveli-Gegend: Brücke, Strand, Klöster

Aus der Kourtaliotiko-Schlucht kommend, mündet der Bach „Megalospotamos“ („großer Fluss“) in einen lang gestreckten, schmalen, kristallklaren See, der etwa bei der „venezianischen“ Brücke beginnt, die für sich genommen ein beeindruckendes Bauwerk osmanischer Baukunst ist. Solche steil aufragenden Bogenbrücken sind typische Hinterlassenschaften osmanischer Baukunst, unser Exemplar stammt aus der Zeit des beginnenden 19. Jahrhunderts.

"Venetianische Brücke" unterhalb von kato manastiri prevelis

„Venezianische Brücke“ unterhalb von kato monastiri preveli

Warum die Brücke nicht als das bezeichnet wird, was sie ist, nämlich eine typisch osmanische Brücke, mag daran liegen, dass man – insbesondere in der Nähe der beiden Klosteranlagen, deren Mönche sich gegen die Osmanen auflehnten, keine Relikte der einstigen Unterdrücker dulden möchte. Nationalistische Geschichtsklitterung. Gerade zu Beginn des 19. Jahrhunderts kommt die türkische  Brückenbauweise, einst entlehnt aus der Janitsarenarchitektur, beispielsweise des Sinan, zu einer neuen Blüte.  Die Bogenspannweiten werden größer, die Bogenscheitel geradezu gewagt dünn. Möglicht macht das eine neue Technik, indem man die dünnen, exakt zugesägten Wölbsteine zusätzlich mit schmiedeeisernen Klammern untereinander verbindet. Über den Bogen führt ein schmaler, mit Kantsteinen leicht getreppt ansteigender Pflasterweg, ein so genannter „Galdirim“, der Eseln und Maultieren eine gewisse Trittfestigkeit verschaffen sollte.  Das Wasser unter der Brücke ist kristallklar, eiskalt und in dieser Jahreszeit ziemlich niedrig, man kann bequem hindurchwaten. Auf dem davor liegenden, von blühenden Oleanderbüschen umsäumten Teich ziehen Gänse ihre Runden, und schnattern die ankommenden Besucher um Essbares an. Von hier aus führt eine Schotterpiste durch Buschwerk, Macchien und dösende Schafherden hinunter ans Meer, wo der berühmte Strand von Preveli liegt.
SDIM2848 schafe katopreveli

Das ist die verkleinerte Ausgabe des großen Palmenstrandes von Vai, auch hier haben sich die Palmen natürlich angesiedelt. Sie umsäumen den Verlauf des Baches bis zum Meer hinunter, im Gegensatz zu Vai ist hier nichts abgesperrt, aber der Weg entlang des Baches ist ohnehin von Buschwerk zugewuchert, so dass die meisten Badegäste eben den Schotterweg hinunter nehmen. Unten angelangt, kann man das Auto parken, dann verläuft ein steiler Pfad über die Felsen etwa 600 Meter zum eigentlichen Naturschauspiel, dem Preveli-Stand mit seiner Mündung des Baches. Ähnlich wie Matala und Vai war dies in den 1970er Jahren Hippiereservat, heute ist davon nichts zu spüren, aber der Andrang der Touries aller Nationen ist beträchtlich. Das liegt sicher auch an der parkähnlichen Landschaftsformation, die die Mündung des Baches geschaffen hat: hier ist eine Mini-Nehrung entstanden. Der Bach hat eine kleine Sandbank vor sich hergeschoben, die sozusagen das Preveli- Haff gegen das offene Meer abtrennt. Man kann also abwechselnd im kühlen Süßwasser baden (das bei dieser Wetterlage auch schon ziemlich ansehnlich warm ist), oder eben im Meer, getrennt durch den 20 Meter breiten Sand- und Kiesriegel. Unzählige Menschen tun das, machen Selfies mit dem Handystick im Wasser, ansonsten lagern sie unter den Palmen und Büschen, lassen sich von selbstbewussten Gänsevögeln anschnattern, oder umdrängen den kleinen Erfrischungsstand, dessen Personal bei dem Andrang der Massen etwas überfordert ist. Hunde verscharren ordentlich ihre Häufchen im Sand, und das Personal sammelt hier regelmäßig abgestellte Dosen, Papier und Plastiktüten ein. Die gesamte Kulisse, auch der Geräuschpegel, erinnert stark an ein städtisches Freibad im Hochsommer.

Haff und Nehrung am Strand von Preveli

Haff und Nehrung am Strand von Preveli

Die wehrhaften Mönche von Preveli

Man kann sich nun wieder die Schotterpiste zurück begeben, bis zur Brücke, um dann an der Straße auf der anderen Seite hinauf zu den beiden Klosterteilen Kato Moni Prevelli (unteres Kloster) und Ano (oder piso) Moni Preveli (oberes Kloster) begeben. Unbedingt empfehlenswert !
Die Klosteranlagen gehören zu den wohl bedeutendsten Kretas. Das Kloster wurde möglicherweise schon im 10. oder 11.  Jahrhundert gegründet, wahrscheinlicher ist aber eine Gründung um 1600 n. Ch, also während der venezianischen Herrschaft. Der Name soll auf den Gutsbesitzer namens Prevelis zurückgehen, der sein Vermögen für den Bau des Kloster stiftete. Die Klosteranlage wurde erstmals bei der Einnahme Kretas durch die Osmanen 1649 zerstört, die neuen Herrscher gestatteten jedoch den Wiederaufbau, so dass das Kloster, ausgestattet mit etlichen Privilegien, durch das 17. und 18. Jahrhundert hindurch, sich wirtschaftlich entfalten konnte. Offenbar von den Osmanen unbemerkt – oder sogar geduldet – entwickelte sich hier ein Zentrum griechisch-orthodoxer Identität und Tradition, wie dies auch in vielen anderen geistlichen Zentren inmitten des muslimisch geprägten Umfeldes durchaus an der Tagesordnung war. Die dem Kloster gewährte wirtschaftliche Freiheit führte zu einem erheblichen Wohlstand. Dabei nahm das obere Kloster die Rolle als geistiges Zentrum mit umfangreicher Bibliothek ein, das untere Kloster war für die Betreuung der ausgedehnten landwirtschaftlichen Güter zuständig. In Preveli entfaltete man jedoch nicht  nur christliche Traditionspflege und wirtschaftliche Macht, das Kloster entwickelte sich insgeheim zu einem geistigen Widerstandsnest gegen die türkische Herrschaft. Das sollte ihm dann zunächst nicht gut bekommen. In den Befreiungskriegen ab 1821 kämpften Mönche mit Waffengewalt gegen die Osmanen, in der Folge wurde das untere Kloster durch die Osmanen zerstört, die allerdings das Oberkloster nicht einnehmen konnten. Nach dem raschen Wiederaufbau ereilte das Unterkloster in den Auseinandersetzungen der Jahre  1867-1869 noch einmal ein ähnliches Schicksal. Das Gebäude wurde endgültig Ruine, das obere Kloster konnte dagegen abermals gehalten werden. Von den kriegerischen Auseinandersetzungen zeugen heute in den beiden Museen der Klöster unzählige Waffen und teils Ölbilder von Mönchen, die stolz wie weltliche Feldherren ihre Waffen präsentieren. Auch an weiteren Kämpfen nahm das Kloster aktiv teil, die erst mit der völkerrechtlichen Anerkennung des Anschlusses von Kreta an Griechenland 1913 vorläufig endeten.

Widerstand gegen die Deutsche Nazi-Besatzung im zweiten Weltkrieg

Nach der deutschen Luftinvasion auf Kreta ab dem 20. Mai 1941 und der Besatzung des Flughafens bei Maleme waren die alliierten Truppen der Briten und Australier zur Flucht gezwungen. Man versuchte, auf dem Weg nach Süden das Libysche Meer zu erreichen. Mehrere Klöster, vor allem Preveli, versteckten dabei alliierte Soldaten, denen es nicht mehr gelungen war, die zur Flucht bereitliegende Schiffe zu erreichen. Bis zur Ende der Besatzungszeit organisierten die Mönche zusammen mit kretischen Widerstandskämpfern die Verstecke der alliierten Soldaten, einigen gelang sogar die Flucht mittels U-Boote vom Strand von Preveli aus. An den Widerstand der Mönche gegen die Besatzungszeiten und den Naziterror erinnern heute im Kloster mehrere Gedenktafeln, eine Gedenkstätte sowie mehrere Ausstellungen in oberen und unteren Kloster.

Auch das untere Kloster ist in Teilen wieder aufgebaut, größtenteils aber Ruine geblieben. Das Oberkloster wird heute noch von einigen Mönchen bewohnt.

Die Anlagen sind allesamt sehenswert. Im Unterkloster herrscht eine stille, intime Atmosphäre zwischen den halb aufgebauten Ruinen.

Kato Preveli Kloster

Kato Preveli Kloster

Kato Preveli Kloster Ruinen

Kato Preveli Kloster Ruinen

Die Eintrittspreise gestalten sich unterschiedlich. Ausländer zahlen 2,50 € pro Person. Griechen, und dies ist in fast allen Klöstern aber auch vielen staatlichen Museen ein weit ausgedehnter Begriff, zahlen oft nichts. Fragt man also auf halbwegs passables Griechisch, was der Eintritt kostet, wird man entweder sofort durchgewunken oder gefragt, ob man Grieche sei. Beantwortet man diese Frage ehrlich (also mit nein), wird  mit einer auffordernden Geste erst recht durchgelassen. Diese Praxis stammt aus den 1980er Jahren, ist offiziell längst abgeschafft, hält sich aber in manchen Einrichtungen bis heute hartnäckig.

Cat-Content
In der Abendsonne räkeln sich wunderschöne Katzen, es sind in ihrer Art besonders edel anmutende Geschöpfe. Vorwiegend rötlich, insbesondere die Kater, schlank und ausgesprochen langbeinig. Kein professioneller Züchter würde solche Tiere hervorbringen, wie sie im Umfeld und Schutz  kretischer Klöster gewissermaßen von alleine entstehen. Sie wären die Stars jeder internationalen Katzenausstellung.

Kretische Klosterkatze

Kretische Klosterkatze

Von dem weitaus größeren oberen Kloster aus hat man einen schönen Blick über die Bucht von Preveli und das Libysche Meer.

Ano Preveli Kloster

Ano Preveli Kloster

Altphilologen sei auf einen Brunnen mit einer Inschrift aufmerksam gemacht, die erstmals im 8. Jahrhundert an einem ähnlichen Brunnen in der Aghia Sophia in Konstantinopel aufgetaucht sein soll:
ΝΙΨΟΝ ΑΝΟΜΗΜΑΤΑ ΜΗ ΜΟΝΑΝ ΟΨΙΝ
(Nipson anomimata mi monan opsin)
Aus dem byzantinischen Griechisch übersetzt bedeutet es: „Reinige dich von Deinen Sünden, nicht nur Dein Gesicht“. Das besondere daran: es ist wohl das längste, Sinn ergebende Palindrom der Geschichte: Man kann es sowohl von Hinten als auch von Vorne lesen.

Nipson anomimata min monan opsin

Nipson anomimata min monan opsin

Ein Abend zum Essen im Bergdorf Drimiskos

Schon am Nachmittag Vortags haben wir auf unseren Schotterfahrten durch die Gegend um Preveli einen Ort in einiger Höhe ausgemacht, nur dieser eine Weg führte dorthin, und plötzlich sahen wir uns auf einer typischen, etwas alternativ angehauchten Plateia (Dorfplatz) unter einer gewaltigen, ausgehöhlten Platane wieder. Nach ihr hat der Wirt, der vor einem Jahr aus Athen hierher umgesiedelt ist, sein Lokal genannt (Geroplatanos, alte Platane) . Es roch so herrlich nach Grillzeug, vor allem leckeren Paidakia (Lammkoteletts). Der Wirt fragte, was wir eigentlich ständig mit unseren blöden Tabletts machten (Pflanzen bestimmen), das fand er interessant, und brachte sein Herbarium mit. Wir sollten die Kräuter benennen und dazu deren wundertätige  Wirkung. Ein Opa nebenan wollte unbedingt fotografiert werden, und wir beschlossen, den nächsten Abend hier hoch zu fahren zum Essen. Die Auffahrt gelang noch halbwegs bequem, die nächtliche Abfahrt entlang der unbeleuchteten, steil abfallenden Straßenböschungen ist etwas für Menschen mit Neigung zum Blindflug. Den Laden kann man auf jeden Fall empfehlen, man sollte sich aber für Abends auf jeden Fall warme Pullover mitnehmen – jetzt, Ende August, weht schon mal ein kühler , steifer Wind aus Libyen hier hinauf. Wer hätte das gedacht.

Landschaft von der Straße aus nach Drimiskos gesehen

Landschaft von der Straße aus nach Drimiskos gesehen

Drimiskos

Drimiskos, Plateia, Cafe-Taverna Geroplatanos

Das Herbar von Drimiskos

Das Herbar von Drimiskos

 

Von Rethymno durch die Berge an die Südküste nach Plakias und Preveli. Auf der Suche nach dem legendären Myrtios.

rethymnon-preveli

Auch gedruckte Reiseführer können den Menschen in die Irre leiten.  Myrtios, so stand es in einem angesehenen Führer (Dumont), sei ein malerisches Dorf, von von Rethymno aus in einer knappen Stunde zu erreichen. Neben ansprechenden Unterkünften mit Blick auf das Meer gäbe es zahllose Tavernen, in denen man raffinierte kretische Küche genießen könne. Zudem liege es in der Gegend von Preveli, dahin wollten wir ja ohnehin. Auch der elektronische Beifahrer findet den Ort sofort, und stammelt uns in ihrer gewohnten Art auch dort hin. Der Weg führt tatsächlich durch spannende Landschaften, hohe Berge, tiefe Täler, Schluchten, und so weiter, wie man das von Kreta halt kennt.

Blick von der Straße nach Myrthios in Richtung Norden auf die Talsperre von Amoudia

Blick von der Straße nach Myrthios in Richtung Norden auf die Talsperre von Amari

Ferula communis, im Hintergrund der Ort

Riesenfenchel (Ferula communis) , im Hintergrund der Ort Myrthios

Die Ohren beginnen langsam zu knacken. Kurve für Kurve geht es immer steiler in hinauf. Noch wenige Kilometer bis Myrthios, das wird auch langsam Zeit, denn Durst und Hunger melden sich. Wir sehnen uns nach den versprochenen Köstlichkeiten und Erfrischungen.

yyxcc

Landschaft auf dem Weg nach Myrthios: Blick in die Schlucht von Prassianos

Die Strasse wird von beeindruckenden, hochgewachsenen Stängeln von Riesenfenchel (Ferula communis) begleitet, und dann erscheint das sagenumwobene Myrthios. Ein paar Opas sitzen vor den schlichten Häusern, sehen uns etwas verwundert nach, das „was wollen die denn hier“ steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Denn hier will offenbar selten jemand etwas, die wenigen, engen Gassen sind unbelebt, es gibt keine Taverne, und auch kein Hotel. Nur etwas Aussicht, aber nicht aufs Meer. Gar nix. Herr Dumont war sicher nicht hier, Fake-Guide, vielen Dank auch.

Kourtaliotiko-Schlucht

Kourtaliotiko-Schlucht

Also weiter, die Berge hoch, nach einiger Strecke auf Schotterpisten erreichen wir einen Pass, dann geht es hinunter, über Selli, Pale und Koxare durch die ziemlich tief eingeschnittene, felsige Schlucht von Kourtaliotiko  hindurch, bis sie sich wie ein Fenster in die Ebene um Levkoja öffnet, die wie ein fruchtbares Delta sanft zum Meer hin abfällt.

Die Ebene um Levkoja

Die Ebene um Levkoja

Preiswerte und angenehme Unterkünfte gibt es hier eine ganze Reihe, freistehende Bungalowanlagen zumeist, preislich ähnlich günstig wie zuvor beschrieben (Empfohlen z. B. dieses) Bei der Suche nach Unterkunft und Erkundung der Gegend finden wir dann auch noch ein anderes Myrtios. Es ist ganz in der Nähe, liegt 2 Kilometer oberhalb der Küstenstadt Plakias, und man hat hier tatsächlich einen recht schönen Ausblick über die Bucht.  „Taverna Dionysos“ klingt erst einmal nicht vielversprechend, der Name klingt halt nach den mittelmäßigen hellenischen Abfertigungsanstalten in mittelmäßigen deutschen Provinzstädten. Doch hier lauern nicht der Zorbas-Teller oder die Zeus-Platte, und auch kein Gyros auf einem Haufen Pommes mit Krautsalat. Was der Wirt hier serviert, hat die übliche, gute kretische Qualität: Schnecken (Chochlious), Hackfleichbällchen (Keftedes), Kartoffeln mit Graviera- Käse, gefüllte Zuchiniblüten (Anthous) und Würste Loukarnika (die sind auf Kreta meistens nicht so gut wie auf dem Festland, die Pelle hart, und ansonsten sehr fettig).

Myrthi

„Myrtios Nr. 2,“ oberhalb von Plakias,  Taverna Dionysos.

 

Apo

Weniger appetitlich, aber eine kretische Nationalmacke: An Zäunen aufgespießte Köpfe von Schlachtvieh, die langsam vor sich hinwittern, bis die Sonne die Knochen komplett ausgebleicht hat. Es ist offenbar ein antiker Abwehrzauber (Apotropaion), die sich bis in die Gegenwart gehalten hat (Hier gesehen in Schinaria, findet man aber  in ländlichen Gegenden auf Kreta oft).

Manolis, der beste Koch

Den Beschreibungen des Hotelwirtes folgend,  finden wir das Lokal von Manolis ohne Schwierigkeiten, es befindet sich nach der in Dunkel gehüllten Tankstelle am Ortsausgang. „Niemand isst hier“, sagt meine allerbeste Reisebegleiterin von allen, und will mich überreden, lieber das „Kronos“ aufzusuchen. „Kommt gar nicht in Frage.“ Wir setzen uns an einen der wenigen freien Tische, beobachten die Gruppen, die an den Tischen sitzen, nichts zu Essen haben, an einem „Frappe“ nippen oder einfach nur Karten spielen. Schräg hinter uns hat eine Familie an einem blitzeblanken Tisch Platzt genommen, rechts gegenüber eine Gruppe ziemlich junger Studenten. Meine beste Begleiterin von allen will gehen. Da kommt der junge Wirt Manolis, breitet eine flatternde Plastedecke über unseren Tisch aus, befestigt sie mit den üblichen Stahlfederklammern am Tisch. „Wollt Ihr eher Wein oder Raki?“, fragt er. „Beides!“ sagen wir, woraufhin er wortlos verschwindet. Die sonst übliche Nachfrage, nach „rot oder weiß“  unterbleibt, und lässt auch nicht die übliche Gegenfrage zu, was es denn an Weißwein so geben, wie trocken, ob von hier, man mal erstmal probieren könne usw. Derweil sehen wir, wie sich Manolis am Nachbartisch niederlässt, ein längeres Gespräch mit der Familie führt, die immer noch auf dem Trockenen sitzt, dann ist er weg, nein, er sitzt bei einem anderen Tisch in der Tiefe des Lokals, dann ist er tatsächlich weg. „Gibt es hier überhaupt Essen?“, fragt meine Begleiterin, „offenbar schon, sieh mal dahinten, in der Küche wird etwas umgerührt“. Es erscheint eine blonde Dame, stellt uns etwas Weißwein, ein Fläschchen Raki und eine nicht unbeträchtliche Menge an Vorspeisen hin, alles vegetarisch, sehr lecker, beispielsweise Anthous jemistous (gefüllte Zucchiniblüten mit Reis und Kräutern). Haben wir nicht bestellt, aber das gehört in vielen Gegenden zum Programm, zum bestellte Wein/Schnaps werden Mesedes serviert, irgendwelche. Das ist alles total OK, das sollte man auch kennen, aber wenn in der gefühlten folgenden Stunde weiter nichts passiert, wir auf dem Trockenen sitzen, Winke an das Personal derart ignoriert werden, als seien wir Marsmännchen, dann stimmt etwas nicht. „Die sind Gesundheitsapostel, Fleisch gibt es hier nicht, und Alkohol wird hier rationiert“ bekomme ich zu hören, und die Studentengruppe, die schräg gegenüber geduldig sich zwei Flaschen Bier teilt, macht eben den selben Eindruck. Eine Gesundheitssekte? Wir versuchen, die blonde Kellnerin mit der markanten Figur einer jungsteinzeitlichen Kykladenskulptur (dieses Modell flacher Geigenkasten mit breiten Hüften) zu kontaktieren. Es ist unmöglich. Sie ignoriert uns, während wir Manolis immer wieder einmal fröhlich schwatzend am Tisch anderer Gäste ausmachen können. Wir machen ein Experiment, es dient vor allem dazu, uns unserer Existenz in dieser Welt zu versichern. Behutsam und unauffällig schieben wir einen Stuhl in den Kellnergang, den die Kykladenskulptur nehmen muss. Behende schwingt sie mit ihren Hüften den Stuhl zur Seite, ohne uns eines Blickes zu würdigen. Ein gekonntes Zirkusstück. Nun wollen wir es wissen. Die dunkelhaarige Dame, die in den Töpfen gerührt hat, ist Ziel eines Direktangriffs. Ich bitte sie um Nachschub. Nickend nimmt sie die Bestellung entgegen. Es stehen auf einmal diverse Leckereien auf dem Tisch. Wunderbar gekochte und gewürzte Fleichstücke, Mesedes, Wein, Raki. Alles so fein und ein Träumchen, wie der Hallenser zu sagen pflegt. Dann passiert wieder  nichts. Auf dem Gang zur Toilette passiere ich einen der Tische, an denen sich  Manolis gerade niedergelassen hat. Freudig begrüßt er mich mit Handschlag. Ob alles klar sei? Ja, wunderbar, ein paar Früchte noch, dann würden wir gerne zahlen. Nachdem wir die allerhand wirklichen Köstlichkeiten, die nach und nach unseren Tisch passiert haben, genossen haben, erscheint Manolis, stellt eine große Karaffe Wasser auf unseren Tisch, deren Inhalt sich dann als hochprozentigen (und ziemlich guten) Raki  entpuppt, einen guten Liter Wein, und eine merkwürdig gestaltete Wurst.

InnereienWurst

Die Wurst des Manolis

Wir unterhalten uns über dies und das, die Wurst ist ein Gedicht (etwas aus Innereien, wirklich wunderbar) und, auf die Frage, ob er uns die Rechnung machen könne, sieht er uns mit wunderschönen großen Augen an. „Rechnung? Wollt Ihr was zahlen?“ Nun ja, schon, wir loben seine Küche, den Raki, Tsermiado als Ort und Kreta im Allgemeinen, aber er  kann zu so später Stunde damit nichts anfangen. Wir schlagen ihm einen runden Preis vor, „nun ja, wenn ihr wollt“ sagt er.

Unser Hotelwirt hat uns wenigstens am nächsten Morgen aufgeklärt. Das stumme Personal kann kein Griechisch, es stammt aus Prag, mit Ausnahme Manolis.  Aber unter seiner  Aufsicht – wenn er sie denn hat – entsteht das beste Essen von Kreta. Das können wir bestätigen.

 

 

Die Hochebene von Lassithi – Agrotourismus im Schreberkrater

Die Hochebene von Lassithi ist eine geologische Besonderheit. Auch wenn man an ihrem Rand stehend den Eindruck haben mag, die von einem hohen Ring von Bergen umschlossene, rundovale Ebene könnte durch einen Meteoriteneinschlag entstanden, oder vulkanischen Ursprungs sein, so täuscht das. Es handelt sich um einen Kessel, der in langen geologischen Zeiträumen ohne Abfluss war. Die fruchtbare Ebene zwischen den Bergen ergab sich durch Geröll- und Sedimentablagerungen, die das in großen Mengen von den Kalksteinbergen abfließende Wasser mit sich brachte. Auch heute noch entwässert sich die Gegend vornehmlich durch Karsthöhlen im Untergrund. Mehrfach in der Geschichte waren diese Abflüsse verstopft, so dass das Land im Sumpf und Hochwasser unterging. Seit der Jungsteinzeit ist die für Landwirtschaft attraktive Gegend besiedelt, wenn auch immer wieder mit erheblichen Unterbrechungen, als in regenreichen Jahren die eintretenden Hochwässer die Ernten vernichteten, wie dies aus venetianischer und osmanischer Zeit mehrfach berichtet wurde.

sdfsdf

Apfelbäume, Windmühlen: am Eingang der Lassithi-Hochebene

Starke Erosion, die wohl auch durch intensive Abholzungen der umliegenden Gebirgshänge begünstigt wurde, sorgte dafür, dass der Geländeboden in historischer Zeit um mehrere Meter anwuchs – verbunden mit dem Vorteil, dass immer wieder neuer phosphathaltiger Mineralboden der Landwirtschaft zur Verfügung stand. Heutzutage ist der unregelmäßige Wasserhaushalt technisch reguliert, sowohl durch Kanalsysteme, die den Wasserüberfluss in Speicherbecken abführen, als auch durch ein Pumpensystem, das zu Trockenzeiten das in Kavernen versickerte Wasser wieder aus der Tiefe hervorholt – teils aus über 15 Meter tiefen Pumpenschächten. Im Mittelalter wurde dies vorwiegend von handbetriebenen Ziehbrunnen bewerkstelligt. In den
1920-er Jahren kamen unzählige kleine Windmühlen auf, die auf schmiedeeisernen Ständern ruhend, das Wasser mittels der fast ständig zur Verfügung stehenden Windkraft emporhoben. Mit einem Kolbenhub von ca. 100 Millilitern war die Leistung zwar spärlich, für einen Kubikmeter Wasser mussten sich die kleinen segeltuchbespannten Flügelräder 10.000 mal drehen. Aber die Menge machte es, es gibt Bilder aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, die die Ebene mit einer Unmenge an kleinen, weißen Windrädern zeigen. Heute sind diese Räder größtenteils durch Elektropumpen ausgetauscht, zu einem großen Teil verfallen, teils auch abtransportiert, und als Touristengarnitur an unmöglichen und sinnlosen Stellen wieder aufgebaut. Einige wenige sind aber noch in Betrieb, und erfüllen ihre Funktion in der Landwirtschaft, die auch noch immer die Haupteinnahmequelle der hier auf 800 bis 900 Metern Höhe lebenden Menschen darstellt. Der Tourismus führt, bis auf wenige Ausnahmen (Psychros-Höhle) ein Schattendasein.

Es empfiehlt sich daher, bei Ankunft sich rechtzeitig nach einer geeigneten Unterkunft umzusehen. Beschaulich aber extrem rustikal ist der Ort Agios Georgios, das Hotel Maria befindet sich mitten im Dorf, die Wirtsleute sind etwas unbeholfen, dafür wird man aber morgens von Treckergeräuschen, gackernden Hühner und einem schreienden Hahn geweckt. Es gibt dann noch oberhalb des Ortes eine schicki-micki-Hotelanlage, die aus merkwürdig steril anmutenden Bungalows am Hang besteht, und einem „Eco-Park“, der nach reichlich EU-Förderung aussieht, mit ein paar eingepferchten Tieren griechischen Mittelstandskindern Natur vermitteln soll, und ihren Müttern Gelegenheit bietet, die Kunst des Töpferns und anderer Handarbeiten zu erlernen, während die Väter in Gruppen auf „Safari“ in kleinen Minijeeps in die Landschaft entlassen werden. Wirklich empfehlen kann man eigentlich nur den Hauptort der Lassithi- Ebene, Tsermiado. Es ist ein vollkommen normaler Siedlung, mit Struktur.  Unaufgeregt, kein „Yes-Please“, schwarzgekleidete Omas sitzende vor den Hauseingängen, Jugendliche  basteln an ihren  Motorrädern herum, unter den Autos verhuschen sich wunderschöne Katzen.

Tsermiado, Straßenbild

Tsermiado, Straßenbild

Und hier unsere Empfehlung: Xenonas Argoulias (www.argoulias.gr), etwas oberhalb am Ortsrand gelegen.  Hier gibt es sehr geschmackvolle, traditionell eingerichtete und geräumige  „Studios“, die zudem noch ausgesprochen preisgünstig (45,- €/Nacht mit Frühstück) angeboten werden. Der Blick von der ausladenden Schlafzimmerterrasse über den von der Abendsonne beschiedenen Ort und die grüne Ebene mit ihren grauen Bergen dahinter ist traumhaft schön.

Und was macht man dann hier oben? OK, man kann sich ins Bett legen, bei geöffnetem Fenster die Höhenluft genießen, den aus dem Dorf leise heraufklingenden Alltagsklängen lauschen.

Oder eine Fahrt rund um die ca. 20 Dörfer unternehmen, die den großen Gemüsegarten der Ebene wie eine Ring umschließen. Schon die Venetianer hatten es untersagt, die fruchtbare (aber auch überschwemmungsgefährdete) Ebene zu bebauen, und daran hält man sich aus ökonomischen Gründen bis heute.

Bei Marmaketo ist gerade die Tomatenernte in vollem Gange.

Tomatenernte

Tomatenernte

Die beiden Wsserreservoirs, die aus der Ferne mit ihrem blauen, kristallklaren Wasser zum Baden einladen, erscheinen aus der Nähe als  drahtzaunumwehrte technische Anlagen.

Wasserreservoir auf der Lassithi-Hochebene

Wasserreservoir auf der Lassithi-Hochebene

Bei Arvakontes kann man Schäfchen zählen…

Arvakontes

Arvakontes

Bei Kaminaki haben sie die wohl größten Paprika zu stehen, irgendwoher müssen sie ja stammen, die man dann im „greek traditional salad“ wiederfindet..

 

Paprikafeld bei Kaminaki

Paprikafeld bei Kaminaki

Bei Magoulas, in den eher trockenen Feldern, passen Menschen auf ihre Schafe auf   und wedeln mit ihren Stöcken, weil sie unbedingt aufs Bild wollen.

sdfsdf

Schafherde bei Magoulas

Und malerisch heben sich die Silouetten der Windmühlenruinen aus den 1920er Jahren gegen den azurblauen Himmel ab.

Windmühlenruinen bei Magoula

Windmühlenruinen bei Magoulas

Bei Psychro konzentriert sich der Tourismus auf die dortigen Höhlen. Derweil bereiten sich die Bewohner des Ortes auf den Winter vor: es wird  Kohl gepflanzt. Beispielsweise für die Lachanodolmades, der griechischen Entsprechung unserer Kohlrouladen.

sdfdf

Kohlpflanzung bei Psychro. Im Vordergrund: Fenchel (Marathos). Das Wildkraut umsäumt Felder und Straßenränder. Seine grünen Blattfedern sind ein unverzichtbares Würzkraut der kretischen Küche. Im übrigen Griechenland benutzt man es kaum.

Trockener ist es wiederum bei Kato Metochi. Die Schafe ziehen erwartungsvoll hinter dem Agrotiko ihres Herrn hinterher. Er hat Wasser und frisch geschnittenes Grünzeug als Abendmahlzeit mitgebracht.

Kato Metochi

Kato Metochi: bukolische Szene mit Toyota-Pritschenwagen

Wie sehen eigendich die Dörfer hier aus: die meisten etwa so, wie hier, Pinakiano:

Pinak

Pinakiano.

Die Abendsonne sinkt. Letzter Halt, bevor wir wieder von unserer Rundreise zurück sind. Da haben wir den Salat:

Gemüsefelder mit Salat bei Lago

Gemüsefelder mit Salat bei Lagou

Nun sind wir einmal rum, um die Gemüsefelder der Lassithi-Hochebene, dem wahrscheinlich größten Schrebergarten Europas. Dass sich dabei Hunger einstellt, ist selbstverständlich.

Die Mutter des Hotelwirtes ist möglicherweise mit der Empfehlung ihres Sohnes nicht einverstanden.

Die Mutter des Hotelwirtes ist möglicherweise mit der Empfehlung ihres Sohnes nicht einverstanden.

Der Hotelwirt betreibt auch ein Restaurant, empfiehlt aber sein Essen nicht. „Wenn Ihr wirklich vernünftig und typische Speisen der Region haben wollt, geht besser hinunter in den Ort, entweder zum „Kronos“ – oder besser, also, wenn Ihr mehr auf Mesedes und Raki steht, geht zu Manolis. Der Weg ist einfach. Durch den Ort, das seht Ihr von hier oben, hinter dem Haus mit den grünen Fensterläden, am Hotel „Kronos“ vorbei, da kommt erst die Tankstelle, dann ist der auf der rechten Seite. Müsste heute eigentlich auf haben“

(Fortsetzung folgt: Manolis, der beste Koch)

Im Zickzack durch Kreta über Ierapetra und Aghios Nikolaos auf die Lassithi-Hochebene.

Auffahr von Xerokampos in Serpentinen

Auffahrt von Xerokampos in Serpentinen

cptdsd

Von Xerokampos über Ierapetra und Aghios Nikolaos nach Mesa Lasithi

In  Schangenlinien windet sich die Straße von Xerokampos hinauf ins Landesinnere. Noch einmal beim Blick hinab wird klar, dass dern Ort Xerokampos seinen Namen zu recht trägt. Wir verlassen nun diese unwirtliche Stätte, durchqueren die Insel im Zick-Zack-Kurs in die Berge hinein, dann wieder hinunter an die Südküste nach Ierapetra, wieder quer durch das land Richtung Aghios Nikolaos, um dann wieder in die Berge hinauf zu fahren, Ziel ist die Hochebene von Lassithi, die wir erst nach mehreren Stunden erreichen werden.Der Routenplaner gibt diesen Kurs als kürzeste und schnellste Verbindung an, was man zunächst nicht glauben mag. Es ist aber tatsächlich so, dass man auf Kreta wegen der engen kurvenreichen Straßen nicht mehr als 30-40 Kilometer pro Stunde zurücklegt, Muttipanzer brauchen dazu noch einiges länger, während die „Agrotika“, die verbeulten Toyota-Pritschenwagen der Hirten und Landwirte, mit Schaf und Heuballen auf der Ladefläche, durchaus zügiger unterwegs sein können. Immer wieder ändert sich nun die Landschaft, man erreicht Bergdörfer von geradezu charmanter Langeweile,  die in durchaus grünen, fruchtbaren Tälern oder Hochebenen liegen. Hier gibt es keine Verkaufsstände, die Honig oder „landestypische“ Produkte wie etwa mit Windmühlen bemalte Kieselsteine anpreisen, keine „Traditional Greek Tavern „, gar nichts. In den graulaubigen Olivenfeldern liefern sich die Zikaden wieder einen akustischen Wettstreit mit den Motorpumpen, hin und wieder rumpelt ein Lastwagen durch. An und wann ist auch Fotografierverbot – da, wo das Militär ganz geheime Radarstationen als Landmarken auf den Berggipfeln aufgebaut hat. Die Fotoverbote sind rührend und in Form rostiger Schilder an den Weidezäunen angebracht, sie stammen noch aus Zeiten, da jedermann wusste, wie die Kamera eines professionellen Spions aussehen muss: mit einem richtig langen Balgen und einem fetten Objektiv.  Dann führt die Straße wieder unten an der Küste entlang – links blaues Meer, rechts Häuser, Strandpromenaden, Touries in Badelatschen, die unvorsichtig über die stark befahrene Straße schlappen, bis hin nach der Großstadt und der Betonhotelhochburg Ierapetra ändert sich das etwas langweilige Bild nicht. Die lassen wir links liegen. Am Abend erfuhren wir dann auch, dass das keine falsche Entscheidung war. Unsere griechischen Freunde, die mit uns die letzten paar Tage in Xerokampos verbracht hatten,waren am selben Tage nach Ierapetra aufgebrochen, wo sie eine Unterkunft gebucht hatten. Sie waren aus vielen Gründen derart entsetzt, dass sie am selben Tag umbuchten und sich zurück nach Xerokampos begaben.  Doofes Hotel, doofer Strand, langweilige Stadt. Sagten sie. Wir können das nicht beurteilen, aber der erste Eindruck, den man von dem Ort hat, könnte dem entsprechen. Dazu muss man wissen, dass Ierapetra relativ neu auf der Bühne des Tourismus erschienen ist. Immerhin die viertgrößte Stadt auf Kreta, die Wirtschaft war bislang eher auf die Vermarktung des in den umliegenden Dörfern angebauten Gemüses ausgerichtet. Seit 2012 bemüht man sich um „nachhaltigen Tourismus“, was aber offenbar nur sehr zögerlich von statten geht.

Ierapetra (In der Ferne)

Ierapetra (In der Ferne)

 

In Ierapetra biegen wir also rechts ab, hinauf wieder in die Berge. Das ist ein interessantes Stück Landschaft. Die Hügel bestehen aus einem schneeweißem, immer wieder auch in Form kleiner Lawinen auf die Straße rutschendem Stoff, einer Mineralerde, die bis heute den Namen der Insel in sich trägt: Kreide, lateinisch „Terra cretae“ oder ebene einfach nur „creta“. Man gerät hier sprichwörtlich in die Kreide, und an manchen Ecken sollte man, wollte man in den gleißenden, sonnenbeschienenen Hügeln verweilen, besser eine Schneebrille tragen.

Kreide

Kreidelandschaft oberhalb von Ierapetra bei Kentri

Nach einer landschaftlich anmutigen Berg- und Talfahrt – die Hänge sind hier vielerorts grün, man merkt, dass man auf der wasserreicheren Nordseite Kretas angelangt ist, erblickt man die Bucht von Aghios Nikolaus, und von dort suchen wir uns den Eingang in den „heimlichen Grund“. Der ist in den Wirren der Umgehungsstraßen von Aghios Nikolaus nicht einfach zu finden, auch nicht mit Navi. An dieser Stelle ein Tip im Umgamg mit deutschsprachigen Navis: unbedingt den Ton abschalten. Wenn die Computerstimme versucht, griechische Ortsnamen oder Landstraßen nachzusprechen, erkennt man gar nichts. Die Bezeichnung „Eparchiaki odos“ (επαρχιακη οδος, Landstraße) ist schon ohnehin schwer, es folgen dann meistens die Name der Orte, die sie verbindet, beispielsweise  „Eparchiaki Odos Neapolis – Chersonisou (Landstraße zwischen Neapoli und Chersonisos“. Das Navi haspelt dann die langen Buchstabenfolge herunter..: “ dem Straßenverlauf auf Eparchia kiodos Nea Polistschertschonisio zwei Kilometer folgen, bei odos kappa punkt konstantinou abbiegen“.  Das versteht kein Mensch. Ohnehin führt auch die lateinische Umschreibung der Ortsnamen nicht nur bei Navidamen zu Verwirrungen. Viele Ortsnamen beginnen mit „Αγιος“, das bedeutet schlichtweg „Heiliger“, und gesprochen wird es Ajos“. Umschrieben wird es aber, je nach beliebig angewendeter Umschriftkonvention, mit „Aghiaos“, Ayos, Agios, Ajos“. St. Pauli wäre dann Αγιος Παυλος, gesprochen „Ajos Pavlos“, umschriftlich: alles ist möglich.  Da mag man das Gerät beschimpfen, wenn es in den Häuser- oder Gebirgsschluchten schon mal den totalen Bodenkontakt verliert, oder den / die BeifahrerIn, weil sie das Ding nicht richtig hält. Im Höhepunkt im Wortgefecht mit dem Kopiloten meldet die inzwischen totgeschimpft geglaubte, verstummte Computerstimme plötzlich wieder zu Wort: “ Wenn du etwas gesagt haben solltest, dann habe ich es nicht gehört“. Der folgende Lachkrampf auf diese Loriotade vereint die streitenden Menschen, wir finden den Weg zur Hochebene von Lassithi auch so, sie führt durch felsige Schluchten, und bevor wir das Ziel (Eingabeempfehlung: „Mesa Lassithi“), erreichen, wird uns klar, wir brauchen eine Erfrischung. Mittlerweile ist das Handy samt Navi ausgefallen, es meldet:  „Apps mussten wegen Überhitzung des Gerätes beendet werden“.  Das liegt daran, dass wir die Klimaanlage ausgeschaltet haben, denn immer, wenn man das Gaspedal des ächzend stotternden Leihwagens hier richtig durchdrückt, um die teils heftigen Steigungen zu nehmen, bläst die Lüftung lauwarme Benzindämpfe ins Wageninnere. Abgesehen möglicher Gesundheitsgefährdungen ist das  ist eine ziemliche Verschwendung, der  Tankanzeiger neigt sich langsam einer bedrohlichen Untergrenze, und wir sind bislang nur an stillgelegten Tankstellen vorbei gekommen. Wasser wäre nicht schlecht, endlich taucht nach einer Biegung wie eine Fata Morgana eine Oase auf.

Die vordem genannten Freunde sagten neulich, dass man griechische Faschisten daran erkenne, dass sie überall ihre Nationalflaggen hissen. „Sind wir etwa keine Griechen, wenn wir  das nicht tun?

dfgdgf

Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein

Griechische Fähnchen schmücken eine Kitschburg, die sich in der Straßenböschung auf rechter Seite unter einen Felsvorsprung schmiegt. Die Fähnchen scheinen hier jedenfalls keine griechische Ordensburg zu markieren, hier erfüllen sie den Zweck, Reisende darauf hinzuweisen, dass hier das Erwartungsbild bedient wird,  das sie aus der Heimat mitgebracht haben, und gefälligst unbeschadet wieder so zurückkehren soll.  Wir halten bei der unbeschreiblichen Hölle aus Souvenierbuden an, werden vom Betreiber  Manolis Moutsounas  auf die besonderen Vorzüge seines Angebotes hingewiesen: auf dem vom Opa geerbten, engen Landstreifen zwischen Straße und Felsen betreibt er eine Gemäldegalerie mit selbstgemalten Bildern (mit dem Handfeger gemalt, viel blaues Meer, weiße Häuser, Windmühlen), eine Glyptothek (mundgebissenes Olivenholz), einen Verkaufsstand für Wunderheilmitteln (Raki mit Honig (Rakomelo).  „No Doktor!“ verheißt das Pappschild darüber), es gibt einen kostenlosen Fernrohrstand, die alten Feldstecher sind starr auf die gegenüberliegenden Felsen gerichtet. Wir suchen Erfrischung, die besteht aus viel Wasser und dem üblichen Frappe metrio (kalter, aufgeschäumter Nesskaffe), Langsam geht es uns besser, der Benzingestank ist verflogen . Nach der üblichen Herkunftsabfrage seiner Gäste präsentiert er stolz mehrere Reiseführer – tatsächlich hat es der Imbissstand nicht nur in den Guide Michelin, sondern auch in den DuMont und etliche nicht gerade für Pauschaltourismus relevante Printmedien geschafft. Und natürlich haben viele begeisterte Touries samt Bildern ihre Spuren hinterlassen.

Das verdammte T-Stück

Google Maps sagt, dass sich Menschen hier in diese Straßenkurve durchschnittlich zwei Stunden aufhalten. Die Erklärung dafür liefert Manolis Moutsounas, indem er uns ein paar zackig gesägte Holzstücke auf den Tisch wirft. Wir sollen daraus ein „T“ zusammensetzen. Das dauert, verbissen schieben wir zwischen Wassergläsern, kaltem Kaffeschaumgläsern und einer sehr opulenten Früchteplatte die Teile hin und her. Es will nicht gelingen, Herr Moutsounas  sagt, es fehle vielleicht auch ein Teil, nimmt uns eines weg, holt ein gleiches von Nachbartisch herüber, wo sich ein paar Franzosen schon verzweifelt seit Stunden mit den Holzklötzchen bemühen. Nichts geht. Wir überlassen unseren Lesern den Versuch einer Lösung. Moutsounas löst uns das Rätsel mit den von vielen verschwitzten Touristenhänden abgegriffenen Holzbrettchen auch nach weiteren Bestellungen nicht auf – er meint, wir könnten es dich erst ein mal mit etwas Leichterem probieren, „nehmt doch erst mal das Alpha“.

sdfsf

Verdammtes T-Stück. Nein, mehr teile gibt es nicht ! Vielleicht sind unsere Leser schlauer, und bekommen das zusammen.

Dankend lehnen wir ab, machen uns auf den Weg in Richtung Mesa Lassithi. Wir haben unser Ziel erreicht. Nach der letzten Anhöhe liegt das vorläufige Ziel der Reise unter uns. Das gelobte Land, ein gewaltiger grüner Paradiesgarten, inmitten der schroffen unwirtlichen Berge Ostkretas. Das Land , das sich unter unseren Augen in der Abendsonne ausbreitet, liegt auf frischen, kühlen 800 Höhenmetern. Umrandet wird es in der Ferne von graublauen, wolkenumspielten Bergen, die diesen heimlichen Grund in einem Radius von etwa einem Dutzend Kilometern zu einem der großen landschaftlichen Mysterien Kretas machen. Dieses gelobte Land, das uns hier, inmitten der kretischen Hochwüste, zu Füßen liegt,  ist unser vorläufiges Ziel.

Lassithi

Lassithi: Blick hinab in das Kanaan Kretas

(Fortsetzung folgt)

 

Zwischenbericht – weil das Netz hakt

Plakias bei Preseli, 23.08.2017

Es wird noch viele Berichte geben. Allerdings hakt das Internet gerade, und so muss die weitere Erzählungen aus Kreta warten. Die folgenden Kapitel:

Im Zickzack durch Kreta über Ierapetra, Aghios Nikolaus auf die Lassithi-Hochebene. Rund um das Paradies Kretas auf 800 Meter Höhe.
Geschichte der Windkraft seit dem Altertume bis heute
Tsermiado. Bei Manolis: Das merkwürdigste Lokal von Kreta und seine Besatzung.
Über Rethymno durch die Berge gen Süden.
Merkwürdiges Myrthios.
Preveli: Kloster, Strand, Katzen und Natur.
Die kriegerischen Mönche von Preveli.20170823_084810

Bis dahin müssen Katzenbilder reichen.

SDIM2881kato preveli katze

 

 

 

Die Ostspitze Kretas. Der Palmenhain von Vai – Kloster Toplu-zwischen den Weltmeeren – die natürliche Saline von Xerokampos

xerokompos ostspitze

20. August 2017

Von Xerokampos bis zur äußersten Ostspitze der Insel sind es knappe 50 Kilometer, dennoch kann hier mit dem Wagen stundenlang unterwegs sein, die Straßen sind eng und kurvenreich, man ist hin und wieder gezwungen, Ziegenherden den Vortritt zu lassen, die manchmal geradezu aggressiv die Fahrer anbetteln, in der Hoffnung, es gäbe mal was anderes zu fressen als stachligen Thymian und vertrocknete Olivenblätter.

Nüscht jibts !

Nüscht jibts !

Nicht nur wegen der gefräßigen Ziegen ist der berühmte Palmenhain von Vai mit einem hohen Zaun umgeben, sondern auch aus Angst vor Rucksacktouries, die, seit der Hippiezeit von Matala dieses Stück Natur immer wieder nahezu verwüstet haben. Der Palmenhain ist auch heute noch, bzw. wieder, bei Reisenden in Mode gekommen, allerdings wegen des an der Küste liegenden, ziemlich überfüllten Strandes, der sich malerisch unter den wenigen zugänglichen Ausläufern des Dattelpalmenwaldes ausbreitet. Der Rest der etwa 30 Hektar wild wachsender Palmen ist unzugänglich, von einem Zaun umgeben,  man hat aber einen guten Einblick in das wild durcheinanderwachsende Ensemble aus hohen Exemplaren, umgeknickten Palmenleichen, und jungen, noch stammlosen Nachfahren.

Palmenhain von Vai

Palmenhain von Vai

Der Der Wald erstreckt sich entlang eines meistens ausgetrockneten, bzw unterirdisch rieselnden Wasserlaufes, der hier ins Meer mündet. Der Palmenhain von Vai ist das größte (und fast einzige) zusammenhängende, natürlich entstandene Palmenvorkommen Europas überhaupt. Es geht die Geschichte, dass die Dattelpalmen gewachsen seien, als in Kretas dunklen Zeiten karthagische Piraten hier anlandeten, ihre mitgebrachten Datteln verzehrten, und die Kerne in die Gegend spuckten.  Das ist natürlich nicht wahr, denn schon in der Antike wusste man, dass dies nicht die Kulturdatteln (Phoenix dactylifera), sondern eine verwandte, aber eigene Art, die Kreta-Dattel (Pönix theophrasti). Letzteren wissenschaftlichen Namen hat sie von dem gebildeten Herrn Theophrast von Eresos. Der Philosoph des hellenistischen 3. Jhdt. v. Ch. hat sich eingehend mit Bäumen, Hölzern und anderen Pflanzen befasst, und gilt einigen Wissenschaftlern sogar als der Begründer der Botanik schlechthin. Essen kann man die orangegelb in dichten „Trauben“ von den Gipfeln herabhängenden Früchte leider nicht. Bäh! wer es dennoch versucht (wie ich), hat ein Geschmackserlebnis, das irgendwo zwischen gallig mit seifigem Abgang in ewiger Erinnerung haften bleibt. Dennoch wird der Baum überall im südlichen Mittelmeerraum angepflanzt – als Park- und Alleebaum, gerne um Hotelanlagen herum, um ein exotisches  Flair zu erzeugen.

Der Strand selbst ist ziemlich überfüllt, die Edelhippies der dritten Generation verkaufen dort Ethno-Schmuck, bzw. was sie dafür halten, ansonsten schieben sich auf dem Parkplatz Reisebusse herum, und die umliegenden Souvenierbuden und Schnellimbisse verdienen sich eine goldene Nase.

Auf dem Weg aufwärts zum Toplu-Kloster: Blick hinab von der Roussa-Anhöhe nach Sitia

Auf dem Weg aufwärts zum Toplu-Kloster: Blick hinab von der Roussa-Anhöhe nach Sitia

Wer genug von Palmen und Sonnenölgestank hat, kann weiter zum wenige Kilometer im Landesinneren in den Bergen liegendem Kloster Toplu fahren. Es soll im 14. Jahrhundert gegründet sein, die sichtbaren Teile, der Hoch aufragende, manieristische Glockentum aus der Zeit um 1700 zeigt venezianische Einflüsse des späten Barock, ebenso wie die die Friedhofskapelle und die wie eine Festung wirkenden Klostergebäude.

„Toplu“ stammt aus dem türkischen, und bedeutet so viel wie „Kanonenfestung“ – das glaubt man sofort. Nicht so sehr davon überzeugt ist der schwarz gekleidete Geistliche, der allen Besuchern erklärt, der Name stamme von griechisch „to plousio“ (das Reiche), und sei von den unermesslichen Schätzen des Klosters abgeleitet. Das mag man gerne glauben, und tatsächlich besitzt das Kloster eine sehr reichhaltige Sammlung von Ikonen, die im Klostermuseum ausgestellt sind. Leider ist fotografieren strikt verboten, deshalb gibt es keine Bilder dazu, sondern nur Außenaufnahmen.

kloster toplu SDIM2629

Eine der berühmtesten ist die großformatige Ikone, die die Offenbarung des Johannes ( Megas ei Kyrie, wie groß bist Du, Gott) des Malers Joannis Kornarus, um 1770). Sie ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, dass die kretischen Schule, (einer nachbyzantinischen Malerschule, die sich unter westlich-venezianischen Einfluss auf Kreta entwickeln konnte) noch nachlebte, als die Venezianer längst den Türken auf Kreta das Feld überlassen hatten.


Wenn man sich die Karte der Ostspitze Kretas besieht, so entsteht unweigerlich der Wunsch, wirklich bis zum äußersten  östlichen Winkel vorzudringen. Insbesondere zeigt die Karte, dass es hier mehrere kleine Landbrücken gibt, von denen man links in die Ägäis, und rechts ins libysche Meer zum Baden steigen könnte. Der Weg dorthin ist leicht, man kommt an einigen Badebuchten vorbei, die Teils überlaufen sind, teils nur etwas verkommen, und von wilden Dauerwohnwagencampern besetzt sind. Immer wieder warnen Schilder vor Militäranlagen und Fotografierverbot. Die erste Landbrücke ist erreichbar, hier führt die Straße tatsächlich über eine gerade mal 100 Meter breiten Landstreifen zwischen beiden Meeren hindurch, leider sind die Strände mit Plastikmüll  garniert, der offenbar vom Meer hier ständig bei starkem Seegang aufgeworfen wird und in den Zäunen hängenbleibt. Die nächste Landenge erreichen wir nicht, die den Übergang bildet zur Halbinsel Kyriamadi mit der Kirche Ayios Isidoros. Ein Wachturm, Stacheldraht, Verbotsschilder und ein behelmter Soldat, der aus dem Häuschen herausgeschossen kommt, und uns sein fettes Maschinengewehr präsentiert, macht klar: nix da.

Rechts das libysche Meer, links die Ägäis. Landenge an der Ostspitze von Kreta.

Rechts das libysche Meer, links die Ägäis. Landenge an der Ostspitze von Kreta.

Die natürliche Saline von Xerokampos

Bei Xerokampos fällt ein ausgedehnter, flacher Strandabschnitt auf. Von der Ferne glänzt es weiß, rechteckige Gruben sehen aus, als seine hier Tümpel zugefroren – und das in der heißen Sonnenglut. Es sind natürliche Salinen (Aliki). Bei stärkeren Stürmen drückt hier das Meerwasser auf den Strand, der tonige Untergrund verhindert, dass das salzige Wasser versickert. Unter der Sonneneinstrahlung verdunstet es, das Wasser konzentriert sich auf, bis Salzkristalle zurück bleiben, die auf den Resten salztoleranter Pflanzen wie Rauhreif kristallisieren. Man hat mehrere Gruben ausgehoben, auf denen sich dünne Salzschichten abscheiden – feinstes Fleur de Sel, ohne menschliches Zutun. So hat man bereits in der Antike auf bequeme Art feinstes Salz gewonnen. Während dereinst der Hallesche Salzwirker sich abmühte, Brunnen grub, stinkende Plörre Schöpfte und im Schweiße seines Angesichts siedete und siedete, unmengen teuren Brennholzes verkokelte – derweil lagen die glücklichen Hellenen am Strand, und sahen zu, wie ihnen das weiße Gold einfach so zuschwamm (ἅλας – halas akhbar)

Salinen von Xerokampos

Salinen von Xerokampos

Salz ((H) allati) aus der Saline von Xerokampus. Hallelujah.

Salz ((H) alati, halas , aus der Saline von Xerokampos. Hallelujah.

Essen I

Essen kann man fast überall auf Kreta. Auch hier, im äußersten Osten, wo beispielsweise der Ort  Adravasti (Αδραβάστοι) mit seiner Taverne und den regionalen Spezialitäten lockt. Zu empfehlen: Lamm aus dem Holzbackofen, der so genannten „Gastra“. Besonders beliebt sind hier Schnecken, und zwar die gefleckte Weinbergschnecke (Helix aspera, verwand mit der etwas größeren, europäischen Weinbergschnecke), die hier seit dem Altertum gesammelt und gegessen wird.  Der Wirt serviert die Chochlious „burburistous“ (letzters benennt die Zubereitungsart) in Olivenöl angeschwitzt, mit reichlich Rosmarin und Zitrone. Geduldig und amüsiert gibt er es nicht auf, den Gästen zu zeigen, wie man die hinterhältigen Gummitierchen mit der Gabel aus dem öligen Gehäuse ziehen muss: erst auf die Häuschenspitze picken, wie bei einem Frühstücksei, dann löst sich die Schnecke. Auch Molusken müssen mal loslassen können.

Etwas besonderes sind auch die süß-pikante Käsepfannkuchen „Nerati“. Man kann sie zum Frühstück bekommen, aber auch als Nachtisch, oder Vorspeise. Sie bestehen aus Teig aus Mehl und Grieß, der zusammen mit einem säuerlichen, weißen Käse (Misithra) in der Pfanne ausgebacken wird, und dann am Tisch mit reichlich Honig übergossen wird. Ein Gedicht. Zur Verdauuung anschließend unbedingt empfohlen: Raki.

Speisekarte. Typisch die handschriftlichen Streichungen und Ergänzungen. Sie bedeuten: hier wird täglich neu disponiert und gekocht. Manchmal reicht auch die Zeit nicht, die Karten zu ändern. Dann trägt der Wirt am Tisch vor, was gerade auf dem Herd steht. Oder noch übrig ist.

Speisekarte. Typisch die handschriftlichen Streichungen und Ergänzungen. Sie bedeuten: hier wird täglich neu disponiert und gekocht. Manchmal reicht auch die Zeit nicht, die Karten zu ändern. Dann trägt der Wirt am Tisch vor, was gerade auf dem Herd steht. Oder noch übrig ist.

 

Anreise nach Iraklion (Kreta): Urlaub auf dem Pizzastein

Xerokampos, 18. August 2017

Die Anreise gestaltet sich dieses mal einfach – es gibt einen Direktflug von Leipzig nach Iraklion (Heraklion (Kreta). Astra ist eine griechische Fluggesellschaft mit Sitz in Thessaloniki. Es ist ein kleines Flugzeug, spielt in der Kategorie der Billigflieger, die Sitzreihen sind eng, was aber nichts ausmacht. Ärgerlicher schon, dass die Fluggesellschaft zwei Tage vorher ankündigt, dass der Flug drei Stunden später abhebt. Also landen wir erst kurz vor 24:00h Ortszeit am kleinen Flughafen von Iraklion. Der Ton an Bord ist harsch, Essen gibt es wenigstens keines, was bei der Qualität von Verpflegung, die größere Fluggesellschaften anbieten, kein Verlust ist. Der Ton an Bord ist etwas rauh – Passagiere werden ständig kontrolliert, ob sie auch wirklich richtig angeschnallt sind. Egal. Auch die Hotelbuchung über Booking.com im Vorfeld war eine Katastrophe. Gebucht, bestätigung erhalten, dann kommt die Absage, das Hotel ist doch belegt. Die Vermittlungsgesellschaft bietet das nächste Hotel aan – die selbe Geschichte. Beim dritten  Hotel dann den Vertrag storniert, mit HRS.com klappte dann alles auf Anhieb.  Hotel „Castello“ oberhalb der Altstadt sehr passabel, das erste „Mythos“ am Abend, ein paar Biftekia und Patates in einem „Schnellimbiss“ bringt die Versöhnung.  Nächsten Tag die Mietwagenfirma aufgesucht, vorbestellten Wagen übernommen, alles reibungslos.  Mittags brechen wir in glühender Mittagshitze auf, Richtung Sitia im Osten Kretas, dann durch die Berge über die Orte sitanos hinunter nach Zakros (das hatten wir schon beschrieben, hier gibt es eine minoische „Palastanlage). Von dort aus erreichen wir den kleinen Ferienort Xerokampos.

Marslandschaft mit Windkraftanlagen am Horizont

Marslandschaft mit Windkraftanlagen am Horizont

Die Fahrt durch diesen Teil Kretas offenbart eine ausgesprochene Karstlandschaft. Das schroffe Gebirge ist aus kalkigen Felsen aufgetürmt, hier wächst fast nichts, möchte man meinen, und an etlichen Stellen fühlt man sich an die Bilder erinnert, die „Couriosity“ vom Mars funkt. Wenn die Farben nicht anders wären, weil hin und wieder grau-blaues Meer auftaucht. Aber die Felsen sind sehr marsianisch, rote Erde bröckelt zwischen grauen, im steifen Wind hier oben rundgeschliffenen Kalkbrocken hervor. Doch, es gibt Leben. Die merkwürdigen, runden, schwammartigen Gebilde, die die Felsen überziehen, entpuppen sich bei näherem Hinsehen als Pflanzen, und wenn man auf sie tritt, ist man plötzlich umgeben von einer Duftwolke, die an Pizza, Leberwurst und würziger Bohnensuppe erinnert. Setzt man die Brille auf, so entdeckt man, dass die kratzigen Pflanzenbüschel mit kleinen lila Blüten übersät sind, in denen sich hunderte von Bienen tummeln. Es ist eine Art Bergbohnenkraut (kopfiger Thymian, Thymbra capitata), das die gesamte Landschaft überzieht – wie eine gewaltige Pizza.

Thymbra capitata

Thymbra capitata

Jetzt versteht man auch, warum in dieser merkwürdig toten Landschaft überall Bienenkästen aufgestellt sind.  Diese Teil Kretas ist ein einziger, glühender, duftender Pizzastein zu dieser Jahreszeit.  Die wenigen, armseligen Dörfer sind großenteils verlassen, lediglich Kapellen mit marmornen, weiß gleißenden Friedhöfen künden von menschlichem Leben. Und die großen Windparks natürlich, die auf den Bergkämmen ebenso Überreste menschlicher Zivilisation sind als auch die Solaranlagen mit ihren großen, sich von Geisterhhand in die Sonne verstellenden Sonnensegeln.

Solaranlagen

Solaranlagen

Mit ihren hohen Stacheldrahtzäunen sehen sie wie gespenstische Militäranlagen aus – aber kein Mensch ist schwingt hier den Schraubenschlüssel, alles geht vollautomatisch. Das Brummen der Transformatoren bildet mit dem Gekrächze der Zikaden und dem Brummen der Bienen einen merkwürdigen Dreiklang. Gelangt man nun abwärts Richtung Zakros, wird die Landschaft etwas milder, Olivenhaine tauchen auf, und entlang eines schroffen Canyons gelangt man ans Meer, wo man dann weiter östlich nach Xerokampos an der Küste gelangt. Xerokampos bedeutet „trockenes Feld“, die Herkunft des Namens bedarf sicher keiner Erläuterung. Die Strandlandschaft ist dagegen bilderbuchmäßig, das Wasser ist brühwarm, das Apartmenthotel (40 € für ein bescheidenes „Studio“) liegt direkt am Strand, sauber, gepflegt, die Wirtsleute herzlich. Der Ort ist kaum überlaufen, Geheimtip.

Strand von Xerokampos in der Abendsonne

Strand von Xerokampos in der Abendsonne