Auf Kapernfahrt durch die thessalische Kornkammer und eine Abhandlung über ein Unkraut, das nach Ansicht der Griechen den Redefluß fördert.

31.08.2012 Platykampos.

Capparis Spinosa ist nicht der Abenteuerroman eines portugiesischen Seeräubers, sondern botanischer Name eines stacheligen Strauches mit wunderschönen Blüten, der im mediterranen Raum an frostgeschützten Felshängen wie auch auf „Ruderalflächen“, also Schuttplätzen, aber nur an warmen Orten, die gelegentlich mit Wasser versorgt werden, wächst. Die Blütenknospen des sich flach ausbreitenden Kriechgewächses kann man in Essig und Salz einlegen, und sind dann das unentbehrliche Essential von Königsberger Klopsen und Hühnerfrikassee: Kapern.

Kapernstrauch in Blüte. Die gesamte Pflanze enthält Senfölglykoside, die dei Schärfe und das Aroma der Kapern ausmachen. Die in Essig und Salz eingelegten Knospen sind das, was wir als „Kapern“ kennen.

Bis auf Stängel und die unangenehm spitzen Stacheln kann man von diesem Strauch alles in der Küche verwenden: Die Früchte („Kapernäpfel“), Knospen, und Blätter.

Im Ort Platikampos, in Mitten der Landwirtschaftlich intensi genutzten Kornkammer Thessaliens, haben sich Kapernsträucher eher zufällig angesiedelt. Sie finden sich am Straßenrand, auf Brachflächen und merkwürdigerweise sogar auf relativ frisch umgepflügten Weizenfeldern. Warum die in Essig- und Salzlake eingelegten Knospen und Früchte relativ teuer sind, erfährt man schnell: mit seinen spitzen Dornen wehrt sich der Strauch gegen den Raub seiner jungen Knospen und Früchte.  Des öfters hielt ein Treckerfahrer an, um zu erfahren, was ich denn da suche.“Aha, das sind also Kapern, wusste ich nicht! “

Kapern werden in der griechischen Küche eher selten verwendet, sind aber nicht ein so exotisches Gewürz wie beispielsweise Basilikum, das hier überall als Duftpflanze in Töpfen gehalten wird, aber nur äußerst selten den Weg in die Küche findet.

Glystrida, Andrakla, Trevla: Viele Namen für ein verhasstes, aber schmackhaftes Unkraut.

Portulaca oleracea ist der botanische Name einer Pflanze, die laut Wikipedia zu den achthäufigsten Pflanzen überhaupt und zu den „schädlichsten“ Unkräutern zählt. Den Wikipediaeintrag muß ein griechischer Landwirt oder Ziergartenbesitzer geschrieben haben.

Poruklaca oleracea, Glystrida, Trevla, Andrakla: Viele Namen für ein schmackhaftes Unkraut.

Tatsächlich kämpft einer unserer griechischen Gartenfreunde gegen das dickfleichige Gewächs so verzweifelt und erfolglos, wie deutsche Kleingärtner gegen Giersch und Vogelmiere. Als ich ihm berichtete, dass ich Samen davon nach Deutschland mitnehmen wollte, sah er mich entgeistert an, als hätte ich die Absicht geäußert, Pestbazillen oder Milzbranderreger freisetzen zu wollen.

Das Art-Epitheton „oleracea“ im botanischen Namen, den auch viele uns bekannte Gemüsepflanzen tragen (Kohl, Spinat pp.) weist jedoch schon darauf hin, dass das „Unkraut“ auch gegessen und in dieser Beziehung auf eine lange kulinarische Tradition verweisen kann.

 

Man isst dieses Unkraut in Griechenland seit alters her. Im Ipiros bestellten wir „Chorta“, was allgemein blanchiertes und in Essig oder Zitrone mit reichlich Olivbenöl zubereitete krautige Gewächse meint; heute sind das meistens „Vlita“, von denen schon die Rede war. Der Kellner der Taverne in Anthoussa bei Parga entschuldigte sich ausgiebig dafür, dass es keine Vlita gäbe, dafür aber nur „Andrakla“. Falls die uns nicht gefallen würden, sollten wir einfach nicht dafür bezahlen. Sie gefielen uns aber, und gerne hätte ich sogar den doppelten Preis dafür bezahlt. Die Andrakla waren nichts anders als das eben erwähnte „Unkraut“: die saftigen Stängel ergeben einen schmackigen Biß, die Pflanze schmeckt etwas nussig, die Samenkörnchen knacken zwischen den Zähnen. Im thessalischen Dorf Potamia, wo meine angeheirateten Verwandten her stammen, nennt man das Unkrautgemüse „Trevla“, aber sprichwörtlich noch bekannter ist das Gewächs in Griechenland unter der Bezeichnung „Glystrida“.

Andrakla – fertig zubereitet.

Hast Du Glystrida gefressen? („γλυστρίδα έφαγες;“) fragt man Menschen, deren lauter, schneller und unaufhörlicher Redefluß nicht enden will. Woher die Redensart stammt, und ob in dem wilden Portulak irgendwelche kommunikationserweiternde Substanzen enthalten sind, weiß ich nicht. Ich habe gerade eben die am Straßenrand gesammelte Glystrida, blanchiert, mit etwas Knoblauch, Öl und Zitrone, gegessen, und deshalb mach ich hier lieber mal einen Punkt. Denn die ernsten Themen, die Griechenland und unsere hier lebenden Freunde betreffen, vertragen kein Geschwätz.