Auch wenn die unmittelbaren Folgen des Großbrandes von Thessaloniki (Hier gibt es einen Youtube-Film über die Katastrophe) heute, nach über 100 Jahren, kaum noch erkennbar sind, ist das Ergebnis des ziemlich rasanten Wiederaufbaus ab 1918 heute noch allgegenwärtig. Nachdem die Regierung unter Ministerpräsident Eleftherios Venizelos den Wiederaufbau der Stadt nach altem Muster strikt untersagt hatte, suchte man nach einem Generalplaner, der der Stadt sowohl einen neuen Grundriss als auch ein „Corporate Design“ verpassen sollte. Die Altstadt von Thessaloniki gleicht heute einem Lehrbuch europäischer Architekturgeschichte der Zeit nach dem ersten Weltkrieg.
Dass die Stadt heute so „französisch“ wirkt, hat nicht nur damit zu tun, dass das griechische Bürgertum zu dieser Zeit stark nach Frankreich orientierte war. Der französische Charakter hat auch eng mit der Person des einberufenen Stadtplaners zu tun, dem Architekten und Archäologen Ernest Hébrard .
Hebrard plante einen Grundriss auf Basis eines breiten, rechtwinkligen Straßenrasters. In der Mitte führt eine Hauptachse aus einer Folge von Monumentalen Plätzen die sanfte Anhöhe hinauf. Hier hat Herbrard auch selbst Bauten hinterlassen: Die Bauten im einem verhaltenen „Neobyzantinischen“ Stil (Hebrard selbst konnte sich Zeit seines Lebens nie so richtig vom Historismus lösen) , die den Aristotelos-Platz formen, gehen auf seine Entwürfe zurück. Endgültig fertig gestellt wurden einige dieser monumentalen Mehrgeschosser erst in den 1950er Jahren. Im weiteren Umfeld des Platzes konnten sich viele Architekten und Bauherren stilistisch austoben – wenn sie sich an den neuen Stadtgrundriss und Geschosshöhen hielten.
So findet man die verschiedensten Stilrichtungen -. und natürlich Mischformen – der Architekturströmungen der 1920er bis 1930er Jahre wider. Man findet Bauten, die sich grob als “ Art déco“ bezeichnen lassen, wobei hier oft deutliche Anleihen und Einflüsse von Bauhaus, aber auch Jugendstil erkennen lassen. Einige der Bauten wirken auch älter, als sie sind. So gibt es durchaus auch Fassaden, die man eher noch dem französischen Fin de Siècle zurechnen würde. Nicht jeder Bauherr war wohl nach der Katastrophe gleich neuesten Architekturmoden zugetan.
Ein Spaziergang durch Thessalonikis Altstadt mit einem Blick nach oben auf die Fassaden lohnt sich allemal. Aber Vorsicht: auch in Thessaloniki folgt die Pflasterung der Bürgersteige griechischem Standard: Alle zehn Meter muss man mit Bodenwellen, Schlaglöchern und geöffneten Kellerluken rechnen.
(Mehr über Thessaloniki gibt es hier und hier und da.)
Und eine großartige informative Seite – allerdings nur griechisch – zur Architektur der Neubauten findet man hier. Eine Vielzahl von Gebäuden ist hier mit Foto aufgelistet und mit umfassenden Beschreibungen zur Geschichte versehen.