Die Ostspitze Kretas. Der Palmenhain von Vai – Kloster Toplu-zwischen den Weltmeeren – die natürliche Saline von Xerokampos

xerokompos ostspitze

20. August 2017

Von Xerokampos bis zur äußersten Ostspitze der Insel sind es knappe 50 Kilometer, dennoch kann hier mit dem Wagen stundenlang unterwegs sein, die Straßen sind eng und kurvenreich, man ist hin und wieder gezwungen, Ziegenherden den Vortritt zu lassen, die manchmal geradezu aggressiv die Fahrer anbetteln, in der Hoffnung, es gäbe mal was anderes zu fressen als stachligen Thymian und vertrocknete Olivenblätter.

Nüscht jibts !

Nüscht jibts !

Nicht nur wegen der gefräßigen Ziegen ist der berühmte Palmenhain von Vai mit einem hohen Zaun umgeben, sondern auch aus Angst vor Rucksacktouries, die, seit der Hippiezeit von Matala dieses Stück Natur immer wieder nahezu verwüstet haben. Der Palmenhain ist auch heute noch, bzw. wieder, bei Reisenden in Mode gekommen, allerdings wegen des an der Küste liegenden, ziemlich überfüllten Strandes, der sich malerisch unter den wenigen zugänglichen Ausläufern des Dattelpalmenwaldes ausbreitet. Der Rest der etwa 30 Hektar wild wachsender Palmen ist unzugänglich, von einem Zaun umgeben,  man hat aber einen guten Einblick in das wild durcheinanderwachsende Ensemble aus hohen Exemplaren, umgeknickten Palmenleichen, und jungen, noch stammlosen Nachfahren.

Palmenhain von Vai

Palmenhain von Vai

Der Der Wald erstreckt sich entlang eines meistens ausgetrockneten, bzw unterirdisch rieselnden Wasserlaufes, der hier ins Meer mündet. Der Palmenhain von Vai ist das größte (und fast einzige) zusammenhängende, natürlich entstandene Palmenvorkommen Europas überhaupt. Es geht die Geschichte, dass die Dattelpalmen gewachsen seien, als in Kretas dunklen Zeiten karthagische Piraten hier anlandeten, ihre mitgebrachten Datteln verzehrten, und die Kerne in die Gegend spuckten.  Das ist natürlich nicht wahr, denn schon in der Antike wusste man, dass dies nicht die Kulturdatteln (Phoenix dactylifera), sondern eine verwandte, aber eigene Art, die Kreta-Dattel (Pönix theophrasti). Letzteren wissenschaftlichen Namen hat sie von dem gebildeten Herrn Theophrast von Eresos. Der Philosoph des hellenistischen 3. Jhdt. v. Ch. hat sich eingehend mit Bäumen, Hölzern und anderen Pflanzen befasst, und gilt einigen Wissenschaftlern sogar als der Begründer der Botanik schlechthin. Essen kann man die orangegelb in dichten „Trauben“ von den Gipfeln herabhängenden Früchte leider nicht. Bäh! wer es dennoch versucht (wie ich), hat ein Geschmackserlebnis, das irgendwo zwischen gallig mit seifigem Abgang in ewiger Erinnerung haften bleibt. Dennoch wird der Baum überall im südlichen Mittelmeerraum angepflanzt – als Park- und Alleebaum, gerne um Hotelanlagen herum, um ein exotisches  Flair zu erzeugen.

Der Strand selbst ist ziemlich überfüllt, die Edelhippies der dritten Generation verkaufen dort Ethno-Schmuck, bzw. was sie dafür halten, ansonsten schieben sich auf dem Parkplatz Reisebusse herum, und die umliegenden Souvenierbuden und Schnellimbisse verdienen sich eine goldene Nase.

Auf dem Weg aufwärts zum Toplu-Kloster: Blick hinab von der Roussa-Anhöhe nach Sitia

Auf dem Weg aufwärts zum Toplu-Kloster: Blick hinab von der Roussa-Anhöhe nach Sitia

Wer genug von Palmen und Sonnenölgestank hat, kann weiter zum wenige Kilometer im Landesinneren in den Bergen liegendem Kloster Toplu fahren. Es soll im 14. Jahrhundert gegründet sein, die sichtbaren Teile, der Hoch aufragende, manieristische Glockentum aus der Zeit um 1700 zeigt venezianische Einflüsse des späten Barock, ebenso wie die die Friedhofskapelle und die wie eine Festung wirkenden Klostergebäude.

„Toplu“ stammt aus dem türkischen, und bedeutet so viel wie „Kanonenfestung“ – das glaubt man sofort. Nicht so sehr davon überzeugt ist der schwarz gekleidete Geistliche, der allen Besuchern erklärt, der Name stamme von griechisch „to plousio“ (das Reiche), und sei von den unermesslichen Schätzen des Klosters abgeleitet. Das mag man gerne glauben, und tatsächlich besitzt das Kloster eine sehr reichhaltige Sammlung von Ikonen, die im Klostermuseum ausgestellt sind. Leider ist fotografieren strikt verboten, deshalb gibt es keine Bilder dazu, sondern nur Außenaufnahmen.

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Eine der berühmtesten ist die großformatige Ikone, die die Offenbarung des Johannes ( Megas ei Kyrie, wie groß bist Du, Gott) des Malers Joannis Kornarus, um 1770). Sie ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, dass die kretischen Schule, (einer nachbyzantinischen Malerschule, die sich unter westlich-venezianischen Einfluss auf Kreta entwickeln konnte) noch nachlebte, als die Venezianer längst den Türken auf Kreta das Feld überlassen hatten.


Wenn man sich die Karte der Ostspitze Kretas besieht, so entsteht unweigerlich der Wunsch, wirklich bis zum äußersten  östlichen Winkel vorzudringen. Insbesondere zeigt die Karte, dass es hier mehrere kleine Landbrücken gibt, von denen man links in die Ägäis, und rechts ins libysche Meer zum Baden steigen könnte. Der Weg dorthin ist leicht, man kommt an einigen Badebuchten vorbei, die Teils überlaufen sind, teils nur etwas verkommen, und von wilden Dauerwohnwagencampern besetzt sind. Immer wieder warnen Schilder vor Militäranlagen und Fotografierverbot. Die erste Landbrücke ist erreichbar, hier führt die Straße tatsächlich über eine gerade mal 100 Meter breiten Landstreifen zwischen beiden Meeren hindurch, leider sind die Strände mit Plastikmüll  garniert, der offenbar vom Meer hier ständig bei starkem Seegang aufgeworfen wird und in den Zäunen hängenbleibt. Die nächste Landenge erreichen wir nicht, die den Übergang bildet zur Halbinsel Kyriamadi mit der Kirche Ayios Isidoros. Ein Wachturm, Stacheldraht, Verbotsschilder und ein behelmter Soldat, der aus dem Häuschen herausgeschossen kommt, und uns sein fettes Maschinengewehr präsentiert, macht klar: nix da.

Rechts das libysche Meer, links die Ägäis. Landenge an der Ostspitze von Kreta.

Rechts das libysche Meer, links die Ägäis. Landenge an der Ostspitze von Kreta.

Die natürliche Saline von Xerokampos

Bei Xerokampos fällt ein ausgedehnter, flacher Strandabschnitt auf. Von der Ferne glänzt es weiß, rechteckige Gruben sehen aus, als seine hier Tümpel zugefroren – und das in der heißen Sonnenglut. Es sind natürliche Salinen (Aliki). Bei stärkeren Stürmen drückt hier das Meerwasser auf den Strand, der tonige Untergrund verhindert, dass das salzige Wasser versickert. Unter der Sonneneinstrahlung verdunstet es, das Wasser konzentriert sich auf, bis Salzkristalle zurück bleiben, die auf den Resten salztoleranter Pflanzen wie Rauhreif kristallisieren. Man hat mehrere Gruben ausgehoben, auf denen sich dünne Salzschichten abscheiden – feinstes Fleur de Sel, ohne menschliches Zutun. So hat man bereits in der Antike auf bequeme Art feinstes Salz gewonnen. Während dereinst der Hallesche Salzwirker sich abmühte, Brunnen grub, stinkende Plörre Schöpfte und im Schweiße seines Angesichts siedete und siedete, unmengen teuren Brennholzes verkokelte – derweil lagen die glücklichen Hellenen am Strand, und sahen zu, wie ihnen das weiße Gold einfach so zuschwamm (ἅλας – halas akhbar)

Salinen von Xerokampos

Salinen von Xerokampos

Salz ((H) allati) aus der Saline von Xerokampus. Hallelujah.

Salz ((H) alati, halas , aus der Saline von Xerokampos. Hallelujah.

Essen I

Essen kann man fast überall auf Kreta. Auch hier, im äußersten Osten, wo beispielsweise der Ort  Adravasti (Αδραβάστοι) mit seiner Taverne und den regionalen Spezialitäten lockt. Zu empfehlen: Lamm aus dem Holzbackofen, der so genannten „Gastra“. Besonders beliebt sind hier Schnecken, und zwar die gefleckte Weinbergschnecke (Helix aspera, verwand mit der etwas größeren, europäischen Weinbergschnecke), die hier seit dem Altertum gesammelt und gegessen wird.  Der Wirt serviert die Chochlious „burburistous“ (letzters benennt die Zubereitungsart) in Olivenöl angeschwitzt, mit reichlich Rosmarin und Zitrone. Geduldig und amüsiert gibt er es nicht auf, den Gästen zu zeigen, wie man die hinterhältigen Gummitierchen mit der Gabel aus dem öligen Gehäuse ziehen muss: erst auf die Häuschenspitze picken, wie bei einem Frühstücksei, dann löst sich die Schnecke. Auch Molusken müssen mal loslassen können.

Etwas besonderes sind auch die süß-pikante Käsepfannkuchen „Nerati“. Man kann sie zum Frühstück bekommen, aber auch als Nachtisch, oder Vorspeise. Sie bestehen aus Teig aus Mehl und Grieß, der zusammen mit einem säuerlichen, weißen Käse (Misithra) in der Pfanne ausgebacken wird, und dann am Tisch mit reichlich Honig übergossen wird. Ein Gedicht. Zur Verdauuung anschließend unbedingt empfohlen: Raki.

Speisekarte. Typisch die handschriftlichen Streichungen und Ergänzungen. Sie bedeuten: hier wird täglich neu disponiert und gekocht. Manchmal reicht auch die Zeit nicht, die Karten zu ändern. Dann trägt der Wirt am Tisch vor, was gerade auf dem Herd steht. Oder noch übrig ist.

Speisekarte. Typisch die handschriftlichen Streichungen und Ergänzungen. Sie bedeuten: hier wird täglich neu disponiert und gekocht. Manchmal reicht auch die Zeit nicht, die Karten zu ändern. Dann trägt der Wirt am Tisch vor, was gerade auf dem Herd steht. Oder noch übrig ist.