Im Zickzack durch Kreta über Ierapetra und Aghios Nikolaos auf die Lassithi-Hochebene.

Auffahr von Xerokampos in Serpentinen

Auffahrt von Xerokampos in Serpentinen

cptdsd

Von Xerokampos über Ierapetra und Aghios Nikolaos nach Mesa Lasithi

In  Schangenlinien windet sich die Straße von Xerokampos hinauf ins Landesinnere. Noch einmal beim Blick hinab wird klar, dass dern Ort Xerokampos seinen Namen zu recht trägt. Wir verlassen nun diese unwirtliche Stätte, durchqueren die Insel im Zick-Zack-Kurs in die Berge hinein, dann wieder hinunter an die Südküste nach Ierapetra, wieder quer durch das land Richtung Aghios Nikolaos, um dann wieder in die Berge hinauf zu fahren, Ziel ist die Hochebene von Lassithi, die wir erst nach mehreren Stunden erreichen werden.Der Routenplaner gibt diesen Kurs als kürzeste und schnellste Verbindung an, was man zunächst nicht glauben mag. Es ist aber tatsächlich so, dass man auf Kreta wegen der engen kurvenreichen Straßen nicht mehr als 30-40 Kilometer pro Stunde zurücklegt, Muttipanzer brauchen dazu noch einiges länger, während die „Agrotika“, die verbeulten Toyota-Pritschenwagen der Hirten und Landwirte, mit Schaf und Heuballen auf der Ladefläche, durchaus zügiger unterwegs sein können. Immer wieder ändert sich nun die Landschaft, man erreicht Bergdörfer von geradezu charmanter Langeweile,  die in durchaus grünen, fruchtbaren Tälern oder Hochebenen liegen. Hier gibt es keine Verkaufsstände, die Honig oder „landestypische“ Produkte wie etwa mit Windmühlen bemalte Kieselsteine anpreisen, keine „Traditional Greek Tavern „, gar nichts. In den graulaubigen Olivenfeldern liefern sich die Zikaden wieder einen akustischen Wettstreit mit den Motorpumpen, hin und wieder rumpelt ein Lastwagen durch. An und wann ist auch Fotografierverbot – da, wo das Militär ganz geheime Radarstationen als Landmarken auf den Berggipfeln aufgebaut hat. Die Fotoverbote sind rührend und in Form rostiger Schilder an den Weidezäunen angebracht, sie stammen noch aus Zeiten, da jedermann wusste, wie die Kamera eines professionellen Spions aussehen muss: mit einem richtig langen Balgen und einem fetten Objektiv.  Dann führt die Straße wieder unten an der Küste entlang – links blaues Meer, rechts Häuser, Strandpromenaden, Touries in Badelatschen, die unvorsichtig über die stark befahrene Straße schlappen, bis hin nach der Großstadt und der Betonhotelhochburg Ierapetra ändert sich das etwas langweilige Bild nicht. Die lassen wir links liegen. Am Abend erfuhren wir dann auch, dass das keine falsche Entscheidung war. Unsere griechischen Freunde, die mit uns die letzten paar Tage in Xerokampos verbracht hatten,waren am selben Tage nach Ierapetra aufgebrochen, wo sie eine Unterkunft gebucht hatten. Sie waren aus vielen Gründen derart entsetzt, dass sie am selben Tag umbuchten und sich zurück nach Xerokampos begaben.  Doofes Hotel, doofer Strand, langweilige Stadt. Sagten sie. Wir können das nicht beurteilen, aber der erste Eindruck, den man von dem Ort hat, könnte dem entsprechen. Dazu muss man wissen, dass Ierapetra relativ neu auf der Bühne des Tourismus erschienen ist. Immerhin die viertgrößte Stadt auf Kreta, die Wirtschaft war bislang eher auf die Vermarktung des in den umliegenden Dörfern angebauten Gemüses ausgerichtet. Seit 2012 bemüht man sich um „nachhaltigen Tourismus“, was aber offenbar nur sehr zögerlich von statten geht.

Ierapetra (In der Ferne)

Ierapetra (In der Ferne)

 

In Ierapetra biegen wir also rechts ab, hinauf wieder in die Berge. Das ist ein interessantes Stück Landschaft. Die Hügel bestehen aus einem schneeweißem, immer wieder auch in Form kleiner Lawinen auf die Straße rutschendem Stoff, einer Mineralerde, die bis heute den Namen der Insel in sich trägt: Kreide, lateinisch „Terra cretae“ oder ebene einfach nur „creta“. Man gerät hier sprichwörtlich in die Kreide, und an manchen Ecken sollte man, wollte man in den gleißenden, sonnenbeschienenen Hügeln verweilen, besser eine Schneebrille tragen.

Kreide

Kreidelandschaft oberhalb von Ierapetra bei Kentri

Nach einer landschaftlich anmutigen Berg- und Talfahrt – die Hänge sind hier vielerorts grün, man merkt, dass man auf der wasserreicheren Nordseite Kretas angelangt ist, erblickt man die Bucht von Aghios Nikolaus, und von dort suchen wir uns den Eingang in den „heimlichen Grund“. Der ist in den Wirren der Umgehungsstraßen von Aghios Nikolaus nicht einfach zu finden, auch nicht mit Navi. An dieser Stelle ein Tip im Umgamg mit deutschsprachigen Navis: unbedingt den Ton abschalten. Wenn die Computerstimme versucht, griechische Ortsnamen oder Landstraßen nachzusprechen, erkennt man gar nichts. Die Bezeichnung „Eparchiaki odos“ (επαρχιακη οδος, Landstraße) ist schon ohnehin schwer, es folgen dann meistens die Name der Orte, die sie verbindet, beispielsweise  „Eparchiaki Odos Neapolis – Chersonisou (Landstraße zwischen Neapoli und Chersonisos“. Das Navi haspelt dann die langen Buchstabenfolge herunter..: “ dem Straßenverlauf auf Eparchia kiodos Nea Polistschertschonisio zwei Kilometer folgen, bei odos kappa punkt konstantinou abbiegen“.  Das versteht kein Mensch. Ohnehin führt auch die lateinische Umschreibung der Ortsnamen nicht nur bei Navidamen zu Verwirrungen. Viele Ortsnamen beginnen mit „Αγιος“, das bedeutet schlichtweg „Heiliger“, und gesprochen wird es Ajos“. Umschrieben wird es aber, je nach beliebig angewendeter Umschriftkonvention, mit „Aghiaos“, Ayos, Agios, Ajos“. St. Pauli wäre dann Αγιος Παυλος, gesprochen „Ajos Pavlos“, umschriftlich: alles ist möglich.  Da mag man das Gerät beschimpfen, wenn es in den Häuser- oder Gebirgsschluchten schon mal den totalen Bodenkontakt verliert, oder den / die BeifahrerIn, weil sie das Ding nicht richtig hält. Im Höhepunkt im Wortgefecht mit dem Kopiloten meldet die inzwischen totgeschimpft geglaubte, verstummte Computerstimme plötzlich wieder zu Wort: “ Wenn du etwas gesagt haben solltest, dann habe ich es nicht gehört“. Der folgende Lachkrampf auf diese Loriotade vereint die streitenden Menschen, wir finden den Weg zur Hochebene von Lassithi auch so, sie führt durch felsige Schluchten, und bevor wir das Ziel (Eingabeempfehlung: „Mesa Lassithi“), erreichen, wird uns klar, wir brauchen eine Erfrischung. Mittlerweile ist das Handy samt Navi ausgefallen, es meldet:  „Apps mussten wegen Überhitzung des Gerätes beendet werden“.  Das liegt daran, dass wir die Klimaanlage ausgeschaltet haben, denn immer, wenn man das Gaspedal des ächzend stotternden Leihwagens hier richtig durchdrückt, um die teils heftigen Steigungen zu nehmen, bläst die Lüftung lauwarme Benzindämpfe ins Wageninnere. Abgesehen möglicher Gesundheitsgefährdungen ist das  ist eine ziemliche Verschwendung, der  Tankanzeiger neigt sich langsam einer bedrohlichen Untergrenze, und wir sind bislang nur an stillgelegten Tankstellen vorbei gekommen. Wasser wäre nicht schlecht, endlich taucht nach einer Biegung wie eine Fata Morgana eine Oase auf.

Die vordem genannten Freunde sagten neulich, dass man griechische Faschisten daran erkenne, dass sie überall ihre Nationalflaggen hissen. „Sind wir etwa keine Griechen, wenn wir  das nicht tun?

dfgdgf

Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein

Griechische Fähnchen schmücken eine Kitschburg, die sich in der Straßenböschung auf rechter Seite unter einen Felsvorsprung schmiegt. Die Fähnchen scheinen hier jedenfalls keine griechische Ordensburg zu markieren, hier erfüllen sie den Zweck, Reisende darauf hinzuweisen, dass hier das Erwartungsbild bedient wird,  das sie aus der Heimat mitgebracht haben, und gefälligst unbeschadet wieder so zurückkehren soll.  Wir halten bei der unbeschreiblichen Hölle aus Souvenierbuden an, werden vom Betreiber  Manolis Moutsounas  auf die besonderen Vorzüge seines Angebotes hingewiesen: auf dem vom Opa geerbten, engen Landstreifen zwischen Straße und Felsen betreibt er eine Gemäldegalerie mit selbstgemalten Bildern (mit dem Handfeger gemalt, viel blaues Meer, weiße Häuser, Windmühlen), eine Glyptothek (mundgebissenes Olivenholz), einen Verkaufsstand für Wunderheilmitteln (Raki mit Honig (Rakomelo).  „No Doktor!“ verheißt das Pappschild darüber), es gibt einen kostenlosen Fernrohrstand, die alten Feldstecher sind starr auf die gegenüberliegenden Felsen gerichtet. Wir suchen Erfrischung, die besteht aus viel Wasser und dem üblichen Frappe metrio (kalter, aufgeschäumter Nesskaffe), Langsam geht es uns besser, der Benzingestank ist verflogen . Nach der üblichen Herkunftsabfrage seiner Gäste präsentiert er stolz mehrere Reiseführer – tatsächlich hat es der Imbissstand nicht nur in den Guide Michelin, sondern auch in den DuMont und etliche nicht gerade für Pauschaltourismus relevante Printmedien geschafft. Und natürlich haben viele begeisterte Touries samt Bildern ihre Spuren hinterlassen.

Das verdammte T-Stück

Google Maps sagt, dass sich Menschen hier in diese Straßenkurve durchschnittlich zwei Stunden aufhalten. Die Erklärung dafür liefert Manolis Moutsounas, indem er uns ein paar zackig gesägte Holzstücke auf den Tisch wirft. Wir sollen daraus ein „T“ zusammensetzen. Das dauert, verbissen schieben wir zwischen Wassergläsern, kaltem Kaffeschaumgläsern und einer sehr opulenten Früchteplatte die Teile hin und her. Es will nicht gelingen, Herr Moutsounas  sagt, es fehle vielleicht auch ein Teil, nimmt uns eines weg, holt ein gleiches von Nachbartisch herüber, wo sich ein paar Franzosen schon verzweifelt seit Stunden mit den Holzklötzchen bemühen. Nichts geht. Wir überlassen unseren Lesern den Versuch einer Lösung. Moutsounas löst uns das Rätsel mit den von vielen verschwitzten Touristenhänden abgegriffenen Holzbrettchen auch nach weiteren Bestellungen nicht auf – er meint, wir könnten es dich erst ein mal mit etwas Leichterem probieren, „nehmt doch erst mal das Alpha“.

sdfsf

Verdammtes T-Stück. Nein, mehr teile gibt es nicht ! Vielleicht sind unsere Leser schlauer, und bekommen das zusammen.

Dankend lehnen wir ab, machen uns auf den Weg in Richtung Mesa Lassithi. Wir haben unser Ziel erreicht. Nach der letzten Anhöhe liegt das vorläufige Ziel der Reise unter uns. Das gelobte Land, ein gewaltiger grüner Paradiesgarten, inmitten der schroffen unwirtlichen Berge Ostkretas. Das Land , das sich unter unseren Augen in der Abendsonne ausbreitet, liegt auf frischen, kühlen 800 Höhenmetern. Umrandet wird es in der Ferne von graublauen, wolkenumspielten Bergen, die diesen heimlichen Grund in einem Radius von etwa einem Dutzend Kilometern zu einem der großen landschaftlichen Mysterien Kretas machen. Dieses gelobte Land, das uns hier, inmitten der kretischen Hochwüste, zu Füßen liegt,  ist unser vorläufiges Ziel.

Lassithi

Lassithi: Blick hinab in das Kanaan Kretas

(Fortsetzung folgt)