Den Bach hinunter: Kanufahren im Pinios-Delta

Das Pinios-Delta zieht mich jedes Jahr immer wieder magisch an – so oft wurde hier auch schon darüber berichtet. Immer schon kam der Gedanke auf, diese Gegend nicht nur vom Lande aus, sondern sich auch auf dem Wasserwege zu erschließen. Ein kleines Stück wenigstens. Der Kanu-Ausflug, gebucht nach einer etwas umständlichen Recherche von Deutschland aus, wird in der Hochsaison im Sommer von verschieden Reiseveranstaltern angeboten, jetzt, in der Nachsaison, wurde es schwierig, jemanden zu finden, aber es hat dann funktioniert. Surftip: z.B. hier entlang. Oder hier: (Olympostrek.gr)

Einer der vielen Arme des Pinios schleicht sich durch das Delta in Richtung Meer

Start ist die Plateia von Paläopyrgos, einem verschlafenen Ort in mitten der schilfig-grünen Ebene des Deltas. Direkt neben dem berühmten Muschel-Haus von Opa Sotiris, über das wir schon berichtet hatten, werden wir von einem Führer der Trekking-Gesellschaft empfangen und zur Ablegestelle unter der Flussbrücke geführt, wo schon seine junge Kollegin vier weiteren Mitreisenden – es sind offenbar Polen mittleren Alters – eine Einführung in die Benutzung der Paddel erteilt. Es ist wie immer bei solchen Kanutouren – die verpflichtenden Einführungen sind etwa so interessant wie die Sicherheitsbelehrungen im Linienflieger, aber unvermeidlich.

Bei den Booten handelt es sich um die typischen, „idiotensicheren“ Vollkammer-Plastik-Kanus, wie sie auch an der Saale zur Vermietung angeboten werden.

Die Strecke die wir dem breiten, nahezu strömungsarmen Flusse bis zur Mündung (etwa 8 Kilometer) folgen, bietet verschiedene Wasservögel, vor allem Graureiher und Kormorane. Die Ufer sind mit Pappeln und Platanen bestanden, dazwischen blüht Blutweiderich. Das könnte man durchaus auch in der Altmark haben – wenn hier nicht zwischendurch auch Feigenbäume ihre Blätter über das Wasser reichen würden. Man kommt an kleinen, verwunschenen Flussinselchen vorbei, auf denen dieses Jahr gerade eine Cannabis-Plantage mit 20.000 Pflanzen ausgehoben wurde, berichtet die Führerin. Zwischendrin in den Büschen gibt es Fischerhütten, die sehr an unsere Schrebergartenlauben erinnern. Und Fischerboote, die an den Hütten festgemacht haben. Die Idylle muss aber täuschen, denn vor nicht allzu langer Zeit kamen hier im Sturm drei Fischerbrüder ums Leben – wenn der Sturm das Meer in das Flussdelta drückt, wird es hier rau und gefährlich. Kann man sich nicht vorstellen, wenn man hier durch diese friedliche Idylle paddelt. Auch dann noch nicht, wenn bei der Weiterfahrt Richtung Küste auch auf dem Fluss der Wellengang deutlich zunimmt.

Nach der Passage durch die Öffnung einer kleinen Sandbank, die der Fluss vor sich her ins Meer geschoben hat, wird es auch für uns sportlich: wir stechen ein kurzes Stück hinaus in die offene See, bei dem Wellengang wird jetzt jeder nass, und die Paddel müssen kräftig durchgezogen werden, um den Kurs zu halten. Jetzt biegen wir rechts ab, und steuern auf den Strand zu. Hier bekommen wir in einer Art improvisierten „Strandbar“ noch einen kurzen Imbiss serviert, gehen am vollkommen menschenleeren Strand, der immer wieder durch Priele und Flusseinmündungen durchsetzt ist, entlang. Ein spannender Ort, leider, obwohl hier so wenig „los“ ist, haben die Menschen (wohl überwiegend Hobbyangler) hier ihre Spuren hinterlassen. Man stößt zwischen Schilf, Strandkletten und Sand immer wieder auf Plastikabfälle. Neben einer verlassene Fischerhütte rostet ein alter roter Toyota vor sich hin.

Idylle mit Autoschrott

Die Polen hatten noch „Bogenschießen“ am Strand gebucht, und wir etwas anderes: Flusskrebse („Kavouria“) fangen, also teilt sich die Gruppe hier.

Mit dem Kanu auf dem Nestos von Stavroupoli nach Galani und zurück über die Berge

Stavroupoli, 06. September 2016

Unser Wirt Pantelis bestand darauf, dass wir uns entscheiden sollen: Den Nestos, der sich tief unterhalb von Stavroupoli durch tiefe Schluchten zwängt, entweder mit der Bahn zu erkunden (was wohl ein Erlebnis sein soll), oder aber mit dem Kanu. Letzteres klingt spannender. Er ruft seinen Kumpel Georgios an, der erscheint nach einer halben Stunde mit seinem Wagen und holt uns ab. Unten am Kiesufer des Nestos treffen noch  eine Deutsch-Griechische Familie aus Aschaffenburg als weitere Tourteilnehmer ein.

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Die Kanus sind stabile „Kanadier“, der Führer verteilt uns zu je zweit auf die Boote, und dann wird in „See“ gestochen. Der Fluss hat zur Zeit nicht viel Wasser, aber noch genug, um an einigen Stellen eine passable Strömung zu erzeugen, die uns bequem voran treibt. Immer steiler ragen die Felswände neben uns auf, einige Graureiher fliegen entsetzt davon, wenn wir mit unseren Botten vorbei ziehen.

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Panorama am Rastplatz

Auch zwei Schwarzstörche geben sich die Ehre. Die Strecke, die wir zwischen Stavroupoli und Galani zurück legen, beträgt etwa fünfundzwanzig Kilometer, zwei Picknickpausen werden auf den Schotterbänken eingelegt, insgesamt sind wir dann etwa drei Stunden auf dem Wasser unterwegs. Zum baden ist der Fluss übrigens – obwohl es pausenlos hier oben sehr heiß war, mit 14 Grad einfach zu kalt.

Nach der Anlandung in Galani folgt der Zweite Teil der Exkursion: Die Boote werden auf den Anhänger geladen, dann werden wir knapp 1000 Meter in die Berge gefahren: von einem Aussichtspunkt oberhalb des „Ästhetiko Dassos“ hat man Flugzeugperspektive.

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Blick über den Nestos in Richtung Meer. Der Schatten ganz im Hintergrund ist die Insel Thassos.

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Da unten sind wir durchgepaddelt, jetzt sehen wir uns das aus einer Höhe von knappm 1000 Metern von oben an.

Wir sehen über die mäandrierende Schlucht, die wir gerade durchpaddelt hatten, hinweg in die Ferne, wo sich der Fluss weiter Richtung Mündung ins Meer bewegt. dahinter sieht man schwach die Umrisse der Insel Thassos liegen. Wir erfahren, dass hier im Rodopi-Gebirge seit den 1960er Jahren viele Dörfer aufgegeben wurden, ihre Bewohner haben ihre Orte meistens Richtung Deutschland verlassen. Ihre Pferde, die wohl niemand mehr haben wollte, haben sie dabei einfach frei gelassen: seitdem sind sie verwildert, und bilden recht beständige Herden.

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Da rennen sie davon, die verwilderten Pferde.

Eine solche Herde von „Wildpferden“ sehen wir davon stieben, als wir den verlassenen Ort Ano Liveria besuchen. In dem einst etwa 400 Seelen zählende Dorf lebt heute noch ein einzelner Mann: er ist zurück gekehrt, hat sein Haus restauriert und harrt hier oben in der Einsmkeit aus. Ano Livadia ist dabei eine Art modernen Pompei: nur wenige Häuser stehen noch, die meisten sind nur noch Trümmerhaufen: bei der hiesigen Bauart bleibt von einem Haus nicht viel übrig, wenn es verlassen wird.

Es sind Konstruktionen aus Bruchstein, mit eingelegten Holzrahmen, das Bindemittel ist Lehm. Wenn das Holz, das die Steine am seitlichen Auseinanderdriften hindert, vermodert, rutscht bei den häufigen Regengüssen im Winter die durchfeuchtete Lehm-Steinmasse auseinander, zurück bleiben nur noch ein Haufen Stein und Erde, die schnell von der Vegetation angenommen werden. Nach der Rückkehr erhalten wir noch eine CD mit Bildern, die Georgos während der Tour von uns gemacht hat. Kosten für den insgesamt 4 1/2 stündigen Ausflug: 40,- € pro Person. Facit: Empfehlenswert.

Gegessen haben wir während des dreieinhalbtägigen Aufenthalts abends immer im „Steki“, einem Lokal in der Nähe der Platia von Stavroupoli. Die Gerichte sind allesamt schlicht und gut zubereitet, neben den Klassikern wie Suvlakia gibt es vorzüglich dünn panierte, gebratene Zucchinischeiben, und eine Spezialität im insgesamt fleischlastigen Thrakien sind die Bratwürste, die man sich nicht entgehen lassen sollte.

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Werschtschen !