Von Echinus aus fahren wir durch die abwechselnd felsige, dann wieder dicht baumbestande Landschaft weiter in das Gebirge hinein.
Man gerät nacheinander in drei Ortschaften, untere Thermes, mittlere Thermes und Oberthermes. (Kato Thermes, Mesa Thermes, ano Thermes) Die drei Orte haben ihren Namen nach den hier auftretenden, heißen Quellen erhalten, eine davon, die „Iamatikes Piges Thermon“, sind öffentlich nutzbar. Neben dem neu errichteten Badehaus, das mit dem aus dem Berg austretenden heißen Wasser gespeist ist, gibt es an dem Ort noch ein paar Kurhäuser, eine Kirche und eine Moschee, sonst nichts, alles relativ modern, nicht besonders sehenswert.
Das Wasser soll eine heilkräftige Wirkung, es enthalte Salze, heißt es (viel sicher nicht, das würde man schmecken), angeblich auch Schwefel, den man aber nicht riecht. Die Nutzung des Badehauses kostet 3 € pro Person, die man an den Bademeister, der zugleich Pförtner ist, zu entrichten hat, dafür gibt es ein Handtuch, eine Kabine und eine Einweisung. Die Wichtigste: nicht zu lange im Becken bleiben, das Wasser ist 45 Grad heiß, mehr als zehn Minuten soll man nicht drin bleiben. Noch gefährlicher seien nur noch die Badewannen, in denen man sich das Wasser von sage und schreibe 56 Grad einlassen kann. Die Warnung vor der Überschreitung der Badezeit ist unnötig, langer hält man es kaum in dem dampfenden Becken in der überkuppelten Badestube aus. Ein Abkühlbecken gibt es nicht, wir sollen das nicht mit einer Sauna verwechseln, sagt der Bademeister. Nach dem Bad soll man sich mindestens eine halbe Stunde ausruhen. Das Wasser, das aus den Wasserhähnen der Badewannenkämmerchen kommt, ist derart heiß, dass man sich Verbrennungen ersten Grades an den Füßen holt: lieber nicht. Vielleicht taugt es zum Kaffee aufbrühen.
Der Bademeister unterhält sich mit einem Mann aus Bulgarien, der hat seinen Vater eben über die Grenze zum Baden gefahren hat. Das sie sind das kurze Nachmittagsausflüge hier her. Weiter fahren wir nach Medousa, einem Dorf mit einer hässlichen Kachelmoschee, das dafür aber mit gut erhaltenen osmanischen Häusern beidseitig in einem kleinen Flusstal liegt. „Hoşgeldin yâ şehr-i Ramazân“, „Herzlich willkommen, oh gesegneter Monat Ramadan“ wirbt die Moschee auf Türkisch mit einer Leuchttafel.
Eine eiserne und eine alte, osmanische Bogenbrücke verbinden die beiden Ortshälften mit einander, im Bach stakst ein Schwarzstorch, pickt sich eine der zahlreichen Forellen heraus und schwebt davon. Ebenso wie bei „Echinos“ (bedeutet zu deutsch „Seeigel“) fragt man sich, warum dieser Ort nach der Regräcisierung „Medousa“ (= Qualle) genannt wurde. Der alte pomakische Name war Memkovo. Maritim geprägt sind diese Orte nun wirklich nicht, auch wenn man von mancher Höhenlage hier oben bei guter Sicht das Meer erahnen kann. In Medousa hört die asphaltierte Strasse auf, ein handgemaltes Holzschild weist nach dem Ort Kottani, wohin ein schwieriger Erd- und Schotterweg führt.
Der Weg dauert von hier mindestens eine halbe Stunde, da man teils nur im Schritttempo vorankommt. Dafür lohnt sich die Landschaft entlang des kleinen Baches auf jeden Fall.
Am Ortseingang von Kottani informiert ein überdimensionales blaues EU-Schild darüber, dass in diesem Ort im Rahmen des InterregIII-A – Programmes die traditionellen Häuser des Ortes restauriert werden sollen. 75% der Gelder stammen aus den EFRE-Fördertöpfen der EU, 25% stammen aus den nationalen Quellen, und zwar Bulgariens und Griechenlands. Das InterregIII-A- Programm zielt, das steht nicht auf dem Schild, aber in der schlauen Wikipedia, auf “ die grenzübergreifende Zusammenarbeit benachbarter Gebietskörperschaften. Auf der Basis gemeinsamer Strategien sollen die räumliche Entwicklung gefördert und grenzübergreifende wirtschaftliche und soziale Pole geschaffen werden. Der Aspekt der Nachhaltigkeit ist unbedingt zu beachten. Förderfähig sind alle Gebiete entlang von Binnen- und Außengrenzen sowie bestimmte Küstenregionen“.
Der Ort mit seinen teils schon restaurierten, teils noch zu rettenden Wohnhäusern wirkt durchaus gepflegt, allerdings scheint er um diese Zeit verlassen zu sein. Leider auch die oberhalb des Ortseingangs gelegene Taverne, die ein echter Geheimtip sein soll – sie öffnet nur am Wochenende. Deshalb fahren wir nun zurück nach Griechenland, das wir unten in Xanthi zu finden erhoffen: S. nächstes Kapitel.