Von Larissa nach Parga durch die Berge an die Westküste.

23.08.2012, Anthoussa bei Parga.

Die Fahrt von Larissa durch die thessalische Tiefebene in westlicher Richtiung hatte ich letztes Jahr beschrieben, deshalb erfolgen dazu bis Trikala keine Bemerkungen, bis auf die Tatsache, dass sich kleine, auffällige, aber möglicherweise zukunftsweisende Änderungen im Landschaftsbild bis Trikala ergeben haben. Es entstehen Fotovoltaikanlagen.

Fotovoltaikanlagen unweit von Trikala. Hydraulikarme bringen die Module exakt in die ideale Position zur Sonne.

Sie sind nicht groß, und aufgrund ihrer Bauart nicht in der Lage, so aufzufallen, wie die ersten Windkraftanlagen in Mitteldeutschland, an deren Anblick wir uns beim ersten Auftreten erregt, und heute doch so gewöhnt haben.  Letztes Jahr war kein einziges Solarstromanlage hier zu sehen, jetzt sind es einige wenige, die auf den brachliegenden Feldern, am Westrand der thessalischen Ebene bei Trikala, enstanden sind. Es sind relativ kleine Module, jedes vielleicht 40-50 Quadratmeter groß, die sich, auf jeweils kleinen Betonsockeln montiert, in Gruppen zu vielleicht 10-20 Stück, auf einem “Strema“, der griechische Maßeinheit für 1000 Quadratmeter Landbesitz, von einem Drahtzaun umgeben, mit einem kleinen Häuschen, in dem sich der Wechselrichter befindet, versammelt haben. Jede einzelne dieser Panele hat einen hydraulischen Antrieb, mit dem sie auf den optimalen Sonnenstand ausgerichtet werden, was sie von ihren lahmen, fest montierten  Geschwistern, die man gelegentlich auf hiesigen und deutschen Einfamilienhausdächern findet, unterscheidet. Die griechische Stromgesellschaft ist, ähnlich wie in Deutschland, verpflichtet, den erzeugten Solarstrom zu einem Vorzugspreis einzuspeisen, aber, wie ich glaubhaft von betroffenen Freunden höre, zahlt sie oft nicht, einfach so, trotz empfangener Leistung. Das dürften Anfangsschwierigkeiten sein, denn das Potential, das in den eher suboptimal mit zu wenig Wasser versorgten, und daher agrarisch wenig geeigneten Flächen an der Peripherie der Kornkammern steckt, ist einfach enorm.

Unser Ziel ist Parga an der Westküste, hinter den Bergen des Ipiros. Wir passieren Kalambaka, den Ort, wo rechterhand die merkwürdigen Felsformationen aus Konkglomeratgestein beginnen, auf denen sich die berühmten und in jedem Griechenlandführer unausweichlichen Meteoraklöster befinden. Die lassen wir rechts liegen.

Die Konglomeratfelsen über Kalambaka.

Wie Schlickerhäuschen sehen die Felsformationen aus Konglomeratgestein aus, wie in Beton nachgeformter Schweizer Käse. Von Klambaka aus wollen wir durch die Berge des Ipiros über Metsovo und Joannina weiter, doch die Strasse ist an einer Kreuzung und einer Flußbrücke, an der Honig unter schattigen Platanenbäumen verkauft wird, gesperrt. Der direkte Weg nach Joannina und Parga wird von den Polizeikräften mit einem heftigen Wink mit einer roten Fahne Richtung Grevena umgeleitet. Das bedeutet an die hundert Kilometer Umweg. Der Grund für den Umweg, ein Waldbrand in den Bergen, der seit drei Tagen nicht unter Kontrolle gebracht werden konnte, taucht in der Ferne auf. Friedlich liegt der hohe Berg da, graubraune, bald gelbliche, zarte Wölkchen steigen daraus auf, vereinigen sich mit den Kumuli, während dort, wo wir fahren, feuchte, schattige Wälder und  abgeerntete Weizenfelder eine arkadische Landschaft enstehen lassen. Maler des 18.Jahrhunderts hätten sicher auch so etwas gemalt, vielleicht auch eine bukolische Szene in den Vordergrund gesetzt, und sicher auch nicht die kleine Vögel am kobaltblauen Himmel vergessen, die erst beim näheren Hinsehen einer ernsten Aufgabe nachgehen, nämlich Wasser vom über hundert Kilometer entfernten Meer aufzugreifen, um es über die dampfenden Berge zu gießen.

Griechische Sommerlandschaft mit brennendem Berg.

So fahren wir weiter, auf der schlecht ausgebauten Straße durch Krüppeleichenwälder, auf der Suche nach einer Abkürzung, um nicht in das „VlachikodreckskaffGrevena“ (So meine Frau) fahren zu müssen, weiter. Die Landschaft entschädigt den weiten Umweg.

Bei Pygi führt die Strasse über einen Zufluß des Aliakmonas.

Kurz vor Grevena erreichen wir die „Via Egnatia“.  Die alte Römerstraße, die einst Konstantinopel über Igumenitsa und Brindisi  mit Westrom verband, verläuft nicht mehr entlang der alten Römerpfade, sondern wurde jüngst mit gewaltigen EU-Mitteln als Autobahn durch die alpine Landschaft des Ipiros neu gefräßt. Tunnel folgt auf Tunnel, Licht an, Licht aus, befehlen die blinkenden Leuchttafeln.

In den von kräftigen Turbinen und gelben Natriumdampflampen beleuchteten Betonröhren gibt es reichlich Fluchttüren, und alle 50 Meter eine Feuerlöschanlage. Bremspuren, zerbeulte Reste einer Feuerlöscheinrichtung samt Resten der entstandenen Pulverwolke zeigen, dass ein LKWfahrer jüngst das Ziel mittig getroffen haben muss.

Irgendwo vor Igoumenitza auf der Via Egnatia.

 

Kurz vor Igoumenitza verlassen wir die „Egnatia“ Richtung Parga. Nach einem merkwürdigem Ausblick den Sumpf von Kalodikio, erscheint die Adria, erreichen wir Parga, das wir aber gleich Richtung Anthoussa, einem kleinen Ort oberhalb der Stadt, wieder verlassen. Der Hotelwirt, der das Appartementhaus „Villa Thomas“ (sehr empfehlenswert, übrigens), betreibt, hat uns schon mehrfach – unterbrochen durch die Tunnelfahrten – angerufen, um zu erfahren, wo wir denn bleiben.

Der Sumpf von Kalodikio.

Die Aussicht aus der günstigen, geräumigen, aber schlichten Appartementwohnung auf Parga ist einfach „nett“, doch Parga selbst ist eine Touristenhölle sonder gleichen („Yes Please“ ), und hier oben, in Anthousa, erwartet uns eine Überraschung: Wie nahe doch Griechenland und Halle doch sind.

Um Personen, die Opfer grausamer historische Ereignisse wurden, nicht in unangemessener Weise zu nahe zu treten, will ich darüber so berichten, wie über den brennenden Berg aus Entfernung. In dem kleinen Kafenion in Anthoussa sprechen viele Menschen Deutsch, wechseln, so wie die junge Familie, die zunächst uns gegenüber saß, zwischen Deutsch und Griechisch hin und her. Es gesellte sich ein älteres Ehepaar hinzu, ebenfall beider Sprachen mächtig. Woher wir kämen, also aus Halle, war rasch erklärt, und Halle als auch Leipzig und Jena waren dem deutlich alten Herren sehr wohl bekannt. Seit 1949 (!) lebte er in Leipzig, in Jena auch, als Werkzeugmacher, bis er die DDR in den 70ern Richtung Westen verließ. Ich kannte einen weiteren Griechen, der auch um die selbe Zeit in Halle angekommen war, ein begnadeter Künstler, Fotis Zaprasis, den ich selber als lieben Bekannten kennen lernen durfte. Er  verstarb vor einigen Jahren in Halle. Es ergab sich im weiteren Gespräch, dass beide sich kannten, und die Frau des alten Herren die Neffin meines leider zu früh verstorbenen hallischen Freundes war.

Die Welt ist klein, und die Verbindungen, deren wir auch als Individuen untereinander unterfliegen, sind zuweilen undenkbar groß.

Panorama über Parga in der Dämmerung.

 

Parga selbst ist ansonsten ein saublöde Touristadt, bitte meiden, besonders abends. Empfehlung: Anthousa, oberhalb, der Ausblick auf das Geglitzer von Parga aus angemessener Entfernung und auf das Meer reicht vollkommen. Hier oben kann man das Zirpen der Grillen in den Olivenhainen hören, gelegentlich knattert ein Moped durch den Ort, mehr nicht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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