Das Nekromandion – das Orakel am Fluß der Toten. Zyklopenmauerwerk und unterirdischer Budenzauber.

Amoudia, 24.08.2012

Von Parga ist es nicht weit bis nach Amoudia, einem verhältnismäßig kleinen Badeort im Mündungsdelta des Acheron. Das Dörfchen selbst, mit seinen verstreuten, allesamt neuen Häusern ist nicht der Rede wert, wohl aber seine Lage. Der Acheron, ein kleiner Gebirgsfluß, dessen überwiegende Wassermasse nur wenige Kilometer oberhalb im Gebirge aus Karstquellen entspringt, hat hier an seiner Mündung ein gewaltiges, sumpfiges Flußdelta geschaffen. Die Bewohner von Amoudia wollten vor wenigen Jahrzehnten auch etwas vom Tourismus profitieren, und versuchten, den wild in seinem Delta umhermäandrierenden Fluß zu kanalisieren, auch legte man eine Strandpromenade an. Der Acheron hat sich an dieser Zwangsmaßnahme gerächt, und überschwemmte den Ort kräftig, als er mal wieder, von starken Regenfällen in seinem Quellgebiet bekräftigt, über die Ufer trat.

Das Sumpfgebiet von Amoudia, dem Flußdelta des Acheron. Auch die Kirche im Hintgergrund mußte erneuert werden, als der Fluß versuchte, sich sein Delta zurück zu erobern.

 

Nur wenige Kilometer oberhalb von Amoudia befand sich in der Antike noch ein flacher, sumpfiger See, der im 19.Jahrhundert teils verlandete, teils aktiv trockengelegt wurde. Am Ufer des Acheroussa-Sees lag in der Antike das „Nekromanteion“, das Totenorakel, in Nähe der antiken Stadt Ephyra.  Die Stadt mykenischer Gründung gibt es nicht mehr, doch 1958 wurden unterhalb der aus dem 18. Jahrhundert stammenden Kirche Johannes des Täufers sehr imposante Mauerreste aus hellenistischer Zeit gefunden, die der Ausgräber als das „Nekromanteion von Ephyra“ zu identifizieren glaubte. Als solches ist das archäologische Denkmal auch mit braunen Schildern von weithin ausgezeichnet.

Für den kleinen Ort Mesopotamos, in dessen Nähe es sonst keine besonderen Attraktionen gibt, ist so eine antike Orakelstätte, leidlich gepflegt und mit Kassenhäuschen versehen, ein Glücksfall. Auch Archäologen neigen gelegentlich zu orakeln, und so neigt die Fachwelt dazu, die Anlage mit ihrem Zyklopenmauerwerk und dem mit runden Gurtbögen überwölbten Kellerraum zwar in das 3-4 Jahrhundert vor Christus zu datieren, aber doch eher als profane Reste eines adligen Landgutes anzusehen. Ob nun in dem beeindruckenden unterirdischen Raum Priester zahlungswilligen Besuchern die Stimmen der Toten vorgeorakelt haben, oder ein antiker Gutsbesitzer seinen „Chateau de Ephyra “ in Amphoren gelagert hat, sei dahingestellt.

Hellenistischer Weinkeller oder Totenorakel?

Beeindruckend ist die Anlage auf der kleinen Anhöhe auf jeden Fall. Schon das sehr sorgfältig ausgeführte „Zyklopenmauerwerk“ müsste eigentlich jeden faszinieren, der einmal versucht hat, aus groben Bruchsteinen eine Mauer zu errichten. Frontal sind die Steine glatt behauen, die scheinbar regellosen Kanten fügen sich exakt zu einem polygonalen Netzwerk aneinander. Im rückwärtigen Teil sind die Steine aber so roh belassen, wie sie aus dem Bruch stammen. Die Mauern sind zweischalig, das heißt, zwischen die beiden Schauseiten wurde der Zwischenraum mit lockeren Steine, teils mit Mörtel vermischt, geschichtet.

Über dem Zyklopenmauerwerk des 3.-4. Jhdt v. Ch. erhebt sich die Johannes-Täufer-Kirche des 18.Jhdt.

Wie haben die Steinmetze das hinbekommen, die Kanten der Steine so zuzurichten, dass nur eine ganz schmale Fugenritze entstand? Können heutige Steinmetze das noch? Ich habe einmal in Halle gesehen, wie eine aus verhältnismäßig kleine Steinen bestehende Stützmauer am „Volkspark“, ausgeführt in „Zyklopenverband“, abgetragen wurde, um sie anschließend neu zu errichten. Da hat man dann jeden einzelnen Stein lieber nummeriert, um das Mauerwerk wieder so hin zu bekommen. Warum machen sich Menschen so eine Mühe, statt die Steine einfach rechtwinklig zu sägen, und wie normale Quadersteine zu versetzen? Einen Stabilitätsvorteil bringt das „Zyklopenmauerwerk“ übrigens nicht. Aber es schindet mächtig Eindruck.

Auch wenn unser archäologischen Denkaml nicht das gesuchte Totenorakel ist, so ist ein solches bei Ephyra bezeugt. Den Fluß Acheron hielt man in der Antike für einen der Flüsse, die den Hades, die Unterwelt, durchzogen. Die plötzlich aus dem Karstgestein entspringenden Quellen mögen den Gedanken nahegelegt haben, dass dieser Fluß bereits eine längere Reise durch die Unterwelt gemacht haben muß. Als „Quellen“ des Archeron wird heute ein Tal bei der Ortschaft Pigi bezeichnet, es sind nicht seine wirklichen Quellen, aber hier wächst der Fluß mitten im Wald in seinem Schotterbett plötzlich mächtig an. Taverne reiht sich an Taverne, Angebote wie „Riverrafting“ und Ponyreiten durch den Fluß gibt es, für griechische Familien wird Natur auf diese Weise damit durchaus akzeptabel und attraktiv.

In den „Quellen“ des Acheron…

 

Wer in der antiken Vorstellungswelt eines Tages die unvermeidliche Reise in den Tod antreten musste, gelangte dann an die Ufer des Unterweltflusses, und musste nun auch noch an Charon, den Fährmann, für die wahrscheinlich unfreiwillige Reise auch noch Geld abdrücken, den sprichwörtlichen „Obolus“. In der antiken Mythologie sind leider kaum Einzelheiten über die Beförderungsbedingungen und das Tarifsystem überliefert, auch nicht, wie mit Schwarzfahrern umgegangen wurde, und ob die Mitnahme von Fahrrädern im Preis inbegriffen war.

Unseren Charon treffen wir am Ufer des Acheros, er heißt Minas und bietet Kayakfahrten auf dem Acheron an. In Reiseführern ist davon selten die Rede, deshalb werden wir die Fahrt auf dem Unterweltfluß im folgenden Beitrag ausführlich zur Nachahmung empfehlen…

 

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