Keimsprossen für Zickenbabies, Samentausch und Safran.

Wie die Zeit vergeht. Wir erleben nun schon die sechste All-Thessalische Samentauschbörse.  Wie letztes Jahr, wie vorletztes Jahr. Wieder organisiert von den „Energi polites Larissas“, der Organisation PELETI, und natürlich, mittlerweile fest eingebunden, dem Nonnenkloster Agios Joannis Prodromas. Schwester Theoniki haben wir dieses Jahr nicht getroffen, sie weilt noch in Estland, wo eine weitere Niederlassung des Ordens gegründet wurde.

09-09-sporia1

Orthodoxes und alternatives Publikum: eine interessante Melange.

Die Veranstaltung kann sich vor dem Besucheransturm kaum retten. Alle Waldwege um das abgelegene Kloster sind beidseitig zugeparkt. Schon im sechsten Jahr tauscht man immer noch Saatgut aus dem heimischen Gartenanbau, um Konzerne wie Monsanto in die Knie zu zwingen. Jedesmal nehme ich von hier Samen mit,  ich bringe zuweilen aus halleschem Anbau etwas mit. Einer unserer Freunde hat letztes Jahr schon Gimritzer Kürbisse in halb Thessaliien verteilt (eine tatsächliche eigene Sorte, auf die selbst Monsanto stolz wäre) und dieses Jahr durfte ich die Früchte in etlichen thessalischen Hausgärten bewundern. (Sie stehen nun vor dem Problem einer gewaltigen Ernte – zwar macht man hier nicht nur Kürbissuppe, sondern auch Kolokithopites, man überbäckt auch Kürbisblüten in Bierteig pp), aber ich fürchte, dass bald niemand mehr Kürbis sehen kann – wie auch um die Halloweenzeit bei uns, wo man dem Horror tausender Einladungen zu Kürbissuppen kaum entrinnen kann).

Bevor nun die „Börse“ eröffnet wird, bei der es so zu geht, wie überall auf der Welt, wenn es etwas umsonst gib, gibt es erst einmal eine Ansammlung Reden, Ansprachen usw.

09-09-sporia3

Ein Vortrag über Safran

Interessant dabei war auf jeden Fall der Vortrag eines pensionierten Lehrers, der eine Initiative anführt, die in Thessalien Schulgärten aufbaut. Das Projekt ist anspruchsvoll, denn die Schulen haben (wie in Halle) kein Geld, kein Personal, und  es fehlt den Kindern einfaches Grundwissen, was die Herkunft der Lebensmittel betrifft. In den Schulgärten zeigt man den Kindern nicht nur, wie Kichererbsen, Auberginen und Okraschoten wachsen. Sondern es werden traditionelle Raritäten wieder eingeführt. Seine besondere Liebe gehört dem Schulgärtner aber dem teuersten Gewürz der Welt:  Safran. Lange war der Anbau in Griechenland in Vergessenheit geraten, bis vor einigen Jahren in den Dörfern um das nordgriechische Kozani eine Kooperative entstand, die den Safrananbau wiederbelebte. Mittlerweile wird auf ca. 300 Hektar Boden um Kozani Safran gepflanzt. Unter der mittlerweile anerkannten Herkunftsbezeichnung „krokos kosanis“ wird es vertrieben. Die Pflanze, die den „Krokos“, also den Safran liefert, ist tatsächlich ein Krokus. Nicht ein solcher, wie wir ihn aus unseren Vorgarten kennen.

09-09-sporia-safran

Blühender Safrankrokos, schon teilbeerntet: ein Griffel fehlt schon)

Endemisch, also „Einheimisch“ ist der Safrankrokus auf Kreta, von dort verbreitete er sich ausschließlich durch Menschenhand, seit der Bronzezeit. Nur Menschen können den Krokus vermehren und verbreiten. Denn unser Krokus ist gewissermaßen kastriert, zu einer weiträumigen Verbreitung über Samen nicht fähig. Er ist triploid, hat also einen ungeraden Chromosomensatz, was das Ergebnis einer zufälligen Mutation aus einem wilden Herbstcrocus (C. cartwrightianus) ist. Deshalb ist er unfruchtbar. Und so reckt er (oder eher sie) ewig unerfüllt seine die riesigen, übergroßen weiblichen Stempel aus der Blüte, in der Hoffnung dass doch etwas passiert. Die Kreter werden sich dann um die Vermehrung des herrlichen Gewürzes gekümmert haben. Denn vegetativ, also über die sich immer wieder teilenden Knollen, kann Safran noch vermehrt werden. Über Kreta verbreitete sich das Gewürz im Mittelmeerraum, in Kleinasien (im Iran liegt heute das bedeutendste Anbaugebiet), sogar bis in die Schweiz, und in die Niederlande. Chemische Qualitätskontrollen zeigen immer wieder, dass der Safran aus Kozani Spitzenqualität hat: der Gehalt an Crocetin (Farbstoff) und Safranal (Aroma) liegt um einiges höher als die Durchschnittsqualität des Weltmarktes.  Die Ernte um Kozani reicht aber  nicht einmal aus, um den europäischen Bedarf zu decken, denn mehr als ca. 300 Kilo werden auf der gesamten Anbaufläche nicht erzeugt. Teuer ist der Safran aber nicht nur wegen des geringen Flächenertrags, sondern der mühsamen Erntemethode. Nur die Griffel der Blüten sind das Gewürz, sie werden einzeln von Hand aus der Blüte gezupft und sofort schonend getrocknet. Dafür gibt es keine Maschinen. Andererseits: nur wenige Milligramm verleihen dem Gericht (beispielsweise einem Risotto,) nicht nur die gelbe Farbe („Safran macht den Kuchen gel“), sondern einen honigartigen, blütigen Duft.

09-09-sporia5

Safranknollen aus Kozani, wie wir sie auf der Börse bekommen haben, und bald in Halleschen Boden versenkt werden

Bei den Vorträgen der übrigen Redner geht es aber nicht nur um die Errthaltung einheimischer Gartenpflanzen.  Die Veranstaltung erinnert an eine leicht esoterisch durchsetzten Kongress rings um den alternativen Landbau. Die üblichen verdächtigen Themen („Monsanto“, „Gefahren der Gentechnologie“, „Weltweite Monopolisierung der Natur durch Saatgutpatente“) dürfen natürlich nicht fehlen. Skurill wird aber der Auftritt eines Vertreters der türkischen Firma „Agritom“.

Die Firma hat eine Maschine entwickelt, die jederzeit  „kostengünstiges“, und „besonders proteinreiches“ Grünfutter für Schafe, Ziegen und Rinder produziert. Eine containergroße Maschine produziert Jährlich 150-200 Tonnen Grünfutter. Es werden Bilder gezeigt, wie sich Bioziegen auf die saftig grünen Futterpakete stürzen, während sie das Trockenfutter liegen lassen. „Ihre Tiere werden nie wieder etwas anderes fressen wollen“, sagt der Handelsmann. Man spare Platz, und sei unabhängig von den Jahreszeiten. Was Tiere überzeugt, leuchtet dem mehrheitlich gläubig zuhörenden Publikum natürlich auch ein. Den Nonnen hat er ein kleines, kühlschrankgroßes Gerät zur Vorführung in den Stall gestellt. Ein magisch violettes Leuchten dringt aus der Anlage. Doch so magisch ist das System eigentlich nicht, nur auf die Dauer etwas teuer, wegen des enormen Stromverbrauchs. Es ist nämlich eigentlich nichts anderes, als die Großversion jener Indoor-Growschränke, mit denen Freunde spezieller „Grassorten“ ihren Bedarf decken. In den Agritomkisten werden allerdings nicht Cannabispflanzen groß gezogen (wäre ja eine Idee :  „die Tiere werden nichts anderes mehr fressen wollen“), sondern Keimsprossen aus Getreide angezogen. Das geht schnell, dank des violetten Kunstlichts, das trotz der LED- Technik ein Vermögen an Strom frißt. Angeblich reichen 1200 Watt, um im Dauerbetrieb 150-200 Tonnen (!) grüne Sprossen zu ziehen. Nu ja, wers glaubt….

09-10-katzikia1

Sie würden auch lieber die leckeren Keimsprossen aus dem „Agritom“-Container fressen, als an dem öden Gestrüpp der Berghänge des Ossa kauen.

Ob die Nonnen sich ein derartiges Gerät aufschwatzen lassen, war nicht in Erfahrung zu bringen. Die Äbtissin, mit der  wir uns längere Zeit unterhielten, und die mit einen großen ökonomischen Sachverstand gesegnet schien, wirkte eher skeptisch. Aber den klösterlichen Ziegen hat es geschmeckt. Und die verwöhnten Ziegen stehen ja nicht am Ende der Nahrungskette. Für die ökonomisch nüchtern denkenden Klosterfrauen ist es selbstverständlich, dass die Tiere geschlachtet und genossen werden. Am schmackhaftesten ist natürlich das zarte Fleisch der Milchzicklein, das man hier – als Frischware im gut sortierten Bio-Klosterladen, kaufen kann. Milchzicklein sind Tiere, die bis zur Schlachtung noch an den Zitzen ihrer Mutter hingen. Ihr Schlachtgewicht liegt dann so bei 7- max 10 kg, größer sind sie nie. Da man so etwas in Deutschland praktisch nie bekommt, greifen wir zu.

Die Zickleinschenkel  kommen abends mit Gemüse, Öl, Zitrone, Knofi und Kräutern  in den Ofen, ganz einfach – und es ist in der Tat ein Gedicht. Rezept: s. die folgenden Bilder.

09-09-katsiki1

Katziki Galaktos, Bouti: Schenke von der Milchzicke.

09-09-katsiki3

Kartoffel, Gemüse (Paprika, Tomaten, was halt da ist), etwas scharfe „Piperies“ (halbscharfe, grüne Paprika), Knoblauch, Tomaten (pellen, kleinmatschen) .

09-09-katsiki6

Die Keule etwa eine halbe Stunde im Ofen mit Öl bei großer Hitze vorgrillen. Etwas einschneiden. Dann das Gemüse zugeben, Zitronensaft, und Weißwein (besonders reichlich) zusetzen, salzen, und ab in den Ofen.

09-09-katsiki10

Nach etwa einer Stunde bei ca. 180 Grad nachwürzen: Lorbeer, Fenchelkraut, Thymian, Oregano, Kreuzkümmel, 5-10 leicht zerstoßene Körner Piment. Dann wieder ab in den Ofen, ein Stunde weiter ziehen lassen.

09-09-katsiki11

Das Foto ist, zugegebenermaßen, nicht so toll. Aber das Fleisch und die Soße schmecken himmlisch.