Und ob ich schon wanderte im trockenen Tal: Pouri, ein typischer Chimaros

„Chimaros“ nennt sich in Griechenland ein wesentlicher Landschaftsbestandteil, den man in Mitteleuropa vergeblich suchen würde. Es sind Flussbetten, oft gewaltigen Ausmaßes, die im Sommer trocken daliegen. Sie prägen die Landschaft, und zeigen mit ihren rundgeschliffenen Kieseln und gewaltigen, kahlpolierten Felsbrocken, dass hier  alle Jahre wieder Großes passiert: „Chimaros“bedeutet, frei übersetzt, „Winterfluss“. In der regenreichen Zeit, besonders nach der Schneeschmelze, wälzen sich hier gewaltige Wassermassen durch das Tal, verschlingen oft sogar Brücken, Straßen und ganze Ortschaften.

Der Chimaros "Pouri" kurz vor seinem wohlverdientem Ruhestand an der Meeresmündung

Der Chimaros „Pouri“ kurz vor seinem wohlverdientem Ruhestand an der Meeresmündung

Ihre natürlichen Begleiter sind Platanen, und zwar von der Art „Platanus orientalis“. Die mächtigen, wasserliebenden Bäume vermögen es, auch im Sommer, wenn der Chimaros scheinbar ausgetrocknet ist, aus dem Grundwasser, das tief unten im Schotterbett weiter vor sich her rieselt, Wasser zu trinken. Was findet man sonst im Bett des Chimaros? Ziegenherden und Reifenspuren von Geländewagen, die dieses Flussbett, wie einst im Altertum, als natürliche Straße nutzen. Gelegentlich trifft man auf Viehherden, auch auf Viehställe, und oft sieht man hier – fernab aller Straßen – Landwirtschaft, insbesondere Obstplantagen. Und leider, immer wieder, Müllhaufen. Was daran liegt, dass die einheimische Bevölkerung sich merkwürdigerweise fasst nie an diesen merkwürdigen, eigentlich im Sommer erfrischend kühlen Orten blicken lässt, es sei denn, man hat Vieh zur Tränke zu führen, oder sich um die Obstplantage zu kümmern (oder mal eben eine Kleinbus voller Bauschutt heimlich zu entsorgen). Zwischen den Badeorten Velika und Agiolampos mündet der Chimaros „Pouri“ ins Meer, seine Mündung wird überspannt von der vollkommen überdimensionierten Schrägseilbrücke „Calatrava“, (über die ich mal auf irgendwelchen dieser seiten etwas verzapft habe, aber gerade selbst nicht wiederfinde). Ihren Namen hat sie – als Spottbezeichnung – vom gleichnamigen spanischen Architekten, der ähnliche Bauwerke, allerdings sinnvollere, errichtet hatte. Unsere Brücke hier ist das Ergebnis üppiger EU-Fördermittel und dem Ehrgeiz des des einstigen Ortsbürgermeisters in den 2000er Jahren. Hier beginnen wir unsere Tour durch das Tal des Pouri, der übrigens das Mavrovouni-Gebirge vom Ossa-Massiv trennt. Hier, in seinen letzten zwei Kilometer, scheint der Fluss einen ziemlich breiten Auslauf zu haben, in den selbst aufgeschütteten Geröllmassen scheint er sich geradezu zu räkeln und wohl zu fühlen, nach seiner anstrengenden Bergtour. Reifenspuren führen mitten hindurch, und Hinweisschilder verweisen immer darauf, hier bitte keinen Müll, besonders keinen Bauschutt, abzuladen, versehen mit der Strafandrohung einer „hohen Geldsumme“.

Schuld abladen verboten: Warnschilder sollen vor empfindlichen Strafen schützen

Schutt abladen verboten: Warnschilder sollen vor empfindlichen Strafen schützen.

Da, wo sich das Tal langsam verengt, hat ein Betonwerk seine Niederlassung. Immer wieder scheint man zuviel Beton, als benötigt, angerührt zu haben, und bevor die bestellte, angerührte, aber nicht abgeholte Masse im Mischwerk zu erstarren drohte, hat man einen rettenden Einfall gehabt: ab damit, in den Fluss. Lavaströmen gleich, erreichte immer wieder der Ausstoß der steinigen Massen den Fluss, der es, im Winter, genau so zum Fraße mitnahm, wie Asphaltreste, umgestürzte Platanen und das Erdreich der Plantagenbesitzer, die respektlos zu nahe am Flussbett abgebaut hatten.  Oberhalb des Wasserwerkes, das die Firma TEDRA hier in das Geröll gesetzt hat, wird das Tal enger, schattiger, denn die Kronen der Bäume schließen nun ihre Kronen über dem Flussbett. Von allen Seiten führen nun kleine Schotterbetten, von den Bergen kommend, in die Hauptader des Pouri, der nun sichtlich schmaler wird.

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Der Pouri scheint sich immer tiefer in das Tal einzugraben. Nach der letzten Betonentsorgung einen knappen halben Meter. So versteht man Geologie.

Wildschweinchen grunzen im Dickicht, bevor man eine Hüttensiedlung aus Brettern gewahr nimmt – Schweinchenhausen. Bislang war uns keine Menschenseele begegnet, bis uns nach einer Biegung ein Mann mit einem Ziegenbock am Strick entgegen kommt.

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Schweinchen. Süüüss!

Er macht die in Griechenland typische Handbewegung: alle Finger der geöffneten Hand recken sich gen Himmel, und vollführen eine Kreisbewegung um die Achse des Arms:  „was?“ bedeutet es.  Einsilbig die Antwort: „Volta“, Ausflug. Der endet dann bald nach Schweinchenhausen: nun sind weder Weg, Schotterpiste und grüne Hölle klar zu unterscheiden. Nicht einmal die Quellen des Nil sind rätselhafter als der Ursprung des Pouri im Grenzland zwischen Mavrovouni und Ossa.

 

Damit verlassen wir Thessalien. Viel wäre noch zu berichten, so etwa über den obligaten Besuch in Schwiegervaters Heimatort Potamia, dem unscheinbaren Ort im Zentrum  einer der traumhaftesten und begnadetsten Landschaften Griechenlands.

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Morgen wenden wir uns Richtung Athen, es liegen knapp 400 Kilometer Autobahn vor uns, „Pferdewechsel“, dann nehmen wir das Schiff von Piräus  mit Kurs auf Iraklio (Heraklion), Kreta.