Streifzüge durch Larissa

Lagekarte Larissa

Wenn das Gespräch auf Larissa kommt, werden viele ältere Griechenlandreisende berichten, sie „seien da schon einmal durchgefahren“. Heute vermutlich seltenen, denn die Stadt umgibt heute ein Ring von Umgehungsstraßen und einen Autobahnring, so dass man ungeplant selten in den Genuss kommt, in den zu Stoßzeiten hoffnungslos verstopften Innenstadtbereich zu geraten. Heute hat die Stadt  etwa 165.000 Einwohner und damit die größte Stadt Thessaliens. Sie ist die Hauptstadt der gleichnamigen Präfektur. Larissa verdankt ihre Bedeutung seit der Antike zwei Faktoren: zum einen besetzt die Stadt „strategisch“ einen wichtigen Verkehrsknoten am Ausgang des Tembi-Tals, einem Durchbruch zwischen den Bergmassiven von Olymp und dem Ossa-Gebirge.

Wer Griechenland an der Küste von Thessaloniki Richtung Athen wollte, musste hier durch: das gilt bis heute. Auch das Land vom Ionischen Meer kommend, das Pindos-Gebirge durch die Passage von Pyli durchquerend, die Thessalische Ebene erreichte, wird sich auf dem weiteren Wege durch die sich nun öffnende grüne Landschaft des thessalischen Beckens in Larissa am Fluss Pinios wiedergefunden haben. Die fruchtbare weite Ebene, schon in der Antike die Kornkammer Griechenlands schlechthin, ist der zweite Pfeiler, der der Stadt Larissa schon in der Antike zu Wohlstand verhalf. Landwirtschaft und Handel prägten seitdem die Wirtschaft der Stadt: bis heute.

Silberstater (Münze) aus Larissa, 4. Jhdt v. Ch.

Besiedelt ist Larissa bereits in de Jungsteinzeit. Zu einer größeren Stadt von Bedeutung geriet sie im in der Zeit der klassischen Antike im 5. Jahrhundert. In Larissa geprägte Silberdrachmen zeigen oft ein Pferd – wohl ein Hinweis auf einen ausgedehnten Handel und Zucht dieser Tiere in der Region. Aus dem 3. Jahrhundert vor Christus sind noch eindrucksvolle Reste eines Theaters erhalten, die in den 1980er Jahren nahezu vollständig ausgegraben sind und heute auch zu öffentlichen Kulturveranstaltungen genutzt werden.

Das antike Theater in Larissa, 3. Jhdt v. Ch.

Aus der Zeit des frühen Christentums hat die Stadt einen Heiligen aufzubieten, der heute Patron der Hauptkirche (Metropolie) der Stadt ist. Achillios war Metropolit (Erzbischoff) von Larissa und soll sich um die Orthodoxie während des Konzils von Nicäa mit einem Wunder verdient gemacht haben (Kritiker um die strittige Frage nach der ursächlichen Abfolge von Vater und Sohn hat er mit Öl überzeugt, das er aus einem Stein fließen ließ).

Zeitweise schon in den 1390er Jahren, endgültig ab 1421 kam Larissa unter osmanische Herrschaft, lange schon vor dem endgültigen Fall des byzantinischen Reiches 1453. In der Folgezeit war die Stadt stark islamisch geprägt, neben Christen gab es jedoch auch eine starke jüdische Minderheit. Bekannt war sie für die Vielzahl reich gestalteter Moscheen und Bäder.

Larissa. Stich von Coronelli Vicenco 1688. Die Ansicht zeigt schematisch die Moschee sowie die Brücke über den Pinios

Die osmanische Herrschaft endete endgültig nach den Türkenkriegen 1898. Im Fortgang wurden viele Reste osmanische Herrschaft in der Stadt geschleift. 1908 wurde die – aus heutiger Sicht baukünstlerisch bedeutende Hassan Bey Moschee aus dem 16. Jahrhundert geschleift. Sie hatte das Stadtbild auf der antiken Akropolis an der Pinios-Brücke über 300 Jahre geprägt und wurde nun ab 1909 durch einen neuen Kirchenbau (Aghios Achillios) ersetzt. In neobyzantinischem Stil, unter Verwendung von viel Stahlbeton und Marmor.
Das Schicksal der Umbenennung nach der Re-Hellenisierung, das viele kleinere Orte Thessaliens erlitten, erfuhr Larissa nicht: ihren antiken Namen hatte die Stadt durch alle Zeiten, auch während der Herrschaft der Osmanen, behalten.

Skizze aus dem Judenviertel von Larissa, Bertholdy, 18. Jhdt


Nach der weitgehenden Auslöschung der osmanischen Architektur erfolgte die Zerstörung der Stadt im 2. Weltkrieg. Im März 1941 war die Stadt von einem Erdbeben heimgesucht worden, wenige Tage darauf bombardierte die italienische Luftwaffe die Stadt. Deutsche Truppen besetzten die Stadt 1941-44, in der Folge wurden von hier über 1800 Juden nach Auschwitz deportiert.

Was Erdbeben und zweiter Weltkrieg nicht vernichteten, verschwand im Zuge der Modernisierung und Neubebauung. Noch in den 1980er-1990er Jahren verschwanden fast alle der noch übrig geblieben Bauten aus der neoklassizistischen Bauten des 19. Jahrhunderts und bis auf wenige Ausnahmen alle verbliebenden Gebäude aus osmanischer Zeit.

Heute ist Larissa eine pulsierende, moderne Stadt; ein Streifzug lohnt sich dennoch allemal, keineswegs nur zum flanieren und Shopping in den großzügig angelegten Fußgängerzonen oder dem ausgedehnten Park Alkazar am Ufer des Pinios, der die Stadt durchfließt. Und wer genau hinsieht, stößt auch noch hinter modern Geschäftsfassaden auf das ein oder andere vormoderne Relikt.

Wer sich für die Geschichte Thessaliens interessiert, kommt an einem Besuch im „Diachronen Museum Larissa“ nicht vorbei. Hier werden archäologische Funde von der Jungsteinzeit bis in die osmanische Zeit ausgestellt. Außerdem werden regelmäßig Sonderausstellungen zu ausgewählten Kapiteln der Regionalgeschichte gezeigt.

Reste des alten türkischen Hamam – umbaut mit Läden vom Beginn des 20. Jahrhunderts. Aber auch sie wurden später abermals zur Unkenntlichkeit „modernisiert“.
Spuren eines Obst-und Gemüseladens aus den 1970er Jahren
Larissa: Moderner Bioladen für Obst und Gemüse
Tsipuro-Zeit in der Mittagspause
Ein noch erhaltenes neoklassizistisches Wohnhaus zwischen Hochhäusern vom Ende des 20. Jahrhunderts
Pinios-Brücke mit der Kirche Aghios Achillios auf der ehemaligen Akropolis. Bis 1907 stand hier die Hassan Bey Moschee aus dem 16. Jahrhundert
Aghios Achillios mit dem bronzenen Pferdedenkmal (1980er Jahre?)
Auch die jüngsten Zeiten – (Wirtschaftskrise, Corona-Krise) – haben im Straßenbild Spuren hinterlassen
Restauriertes Geschäftshaus aus dem 19. Jahrhundert
Zahlreiche Geschäfte in der Fußgängerzone laden zum Einkaufen ein
Straßencafes in großer Zahl erfüllen die ausgedehnten Fußgängerzonen

Graffiti unter der Pinios-Brücke