Veneto – der Besuch am Fuße des unzugänglichen Pilion war einen zweiten Besuch wert – um die Kochkünste des Tavernenwirtes weiter auf die Probe zu stellen, und sich noch einmal der guten Qualität des Tsipuro zu vergewissern.
Neben Souvlakia vom Lamm und einer Vielzahl von Mesedes stellt er einen Teller mit bräunlich frittierten Stücken hin, die ausgesprochen wohlschmeckend sind, wir wissen nicht, was es ist, die Richtung, der Biss ist fest, sensorisch geht es in Richtung Pilze. Das seine „Fteres“ (Φτέρες), also Farn. Ungläubig schauen wir drein, denken, er mache Spaß. Doch, es sind junge Schösslinge von Farn, genau gesagt, vom Adlerfarn (Pteridium aquilinum). Es ist die Art von Farn, der auf dem Pilion ebenso vorkommt wie auch in Deutschland, und hier wie dort in den Wäldern ziemlich häufig ist – weil er von kaum einem Tier verbissen wird. Die Tiere wissen auch, warum. Adlerfarn gehört zu den giftigsten Farnarten überhaupt, stellen wir später bei einer Recherche fest – nachdem wir mit Genuss den ganzen Teller aufgegessen haben.
Der Wirt berichtet uns, dass dies eine Spezialität des Pilion sei, und man den schon seit Generationen esse. In der Tat: eingelegte Farnschösslinge werden auch in vielen Orten am Pilion als regionale Spezialität verkauft: (Bitte sehr, 460 Gramm für 5 €) Seltsames Gebirge, dieser Pilion – hier wird offenbar seit Jahrhunderten das Grünzeug aus den Wäldern gegessen, was die Tiere verschmähen (vgl. auch „Tsitsiravla“). Möglicherweise ist es die Zubereitungsart, mit der der Mensch die jungen die Triebe unschädlich und bekömmlich macht. Es werden nur im Frühjahr die ganz jungen Farntriebe gepflückt, wenn sie gerade aus dem Boden kommen und noch eingerollt sind. Dann werden sie in Salzlake eingelegt, wo sie dann eine Milchsäuregärung durchmachen, ähnlich wie Sauerkraut. Zur Zubereitung hat unser Wirt die Triebe dann in Ei und Mehl paniert und gebraten. Das Ergebnis köstlich, aber es bleibt ein mulmiges Gefühl. Man kann nachlesen, dass die Pilioten nicht die Einzigen auf der Welt sind, die Adlerfarn zubereiten. „In einigen Gebieten der USA, in Japan und Neuseeland wird trotz alledem der Adlerfarn von Menschen jung als Wildsalat gegessen. Ein verstärktes Auftreten von Tumoren der Speiseröhre und Magenkarzinomen in diesen Gegenden wird damit in Verbindung gebracht“, sagt die schlaue Wikipedia. In den jungen Trieben sei eine hohe Konzentration von Blausäureglykosiden enthalten, heißt es, außerdem Thiaminase, die das lebenswichtige Vitamin B1 zerstöre.
Was es nicht alles gibt. Es gilt wahrscheinlich auch hier der Lehrsatz des alten Paracelsus, wonach nur die Dosis allen das Gift mache. Der Wirt selbst ist um die 80 – und scheint sich bester Gesundheit zu erfreuen. Und wir leben auch noch.