Inselhüpfen: über Levkada auf Kephalonia. Ankunft in Argostoli

11.09.2013

Levkada nimmt unter den Ionischen Inseln eine gewisse Ausnahmestellung ein. Sie liegt derart nahe am Festland, dass man sie heute über einen wenige Kilometer langen Damm, der die lagunenartig flache Meerenge führt, erreichen kann. Nur eine kleine Schiffbrücke trennt die Insel alle paar Stunden vom Festland ab, um kleinere und größere Boote hindurch zu lassen.

Die enge Lage am Festland führte auch dazu, dass Levkada wie das übrige griechische Festland lange Zeit unter osmanischer Besetzung stand, allerdings mit kurzen Unterbrechungen. Alle übrigen ionischen Inseln standen dagegen seit dem 13.Jahrhundert – mit kurzen Ausnahmen im 19.Jhdt – bis 1864 unter venezianischer, dann italienischer Herrschaft.

An der venezianischen Festung „Santa Maura“ steht die Ampel auf rot. Das Brückenschiff fährt die Klappen hoch, wendet. Segeljachten durchfahren den freigegebenen Kanal, nach einer viertel Stunde dreht sich die Schiffbrücke wieder zurück, und gibt den Weg für die lange aufgestaute Autoschlange Richtung Hauptstadt der Insel frei. Sie trägt – wie viele griechische Inselhauptstädte –  keinen eigenen Namen, sondern den der Insel. Der Ort Levkas gilt als von seiner Architektur als „eher osmanisch“ geprägt, was man jedoch nur mit Einschränkung so sagen kann. Die noch erhaltenen alten Wohnhäuser stammen vorwiegend dem 19.Jahrhundert, es waren einst „nach osmanischer Art“ mit Holz verkleidete Fachwerkbauten.

Wellblechromantik in Levkada

Heute ist das Holz fast ausnahmslos durch farbig lackiertes Wellblech ersetzt- diese praktische, industrielle  Errungenschaft der Mitte des 20. Jahrhunderts es bestimmt heute die Straßenzüge von Levkada. Dekorative Elemente in neoklassizistischem Stil wurden bei der Wellblechaktion, die wohl im Zuge des Wiederaufbaus der Stadt nach dem verheerenden Erdbeben 1953 stattfand, glücklicherweise häufig belassen, so dass sich das Material aus einer gewissen Entfernung „wegguckt“.

Eisernes Campanile; errichtet nach dem beben von 1953

Sowohl Levkada als auch Kephalonia verloren bei dem Erdbeben 1953 fast alle Steinbauten, und damit einen Großteil der Kulturgüter. Die Wunden, die diese Naturkatastrophe riß, konnten nie geschlossen werden. Bei näherem Hinsehen sind sie allgegenwärtig. Kirchenfassaden, manchmal auch freistehende Campaniles in einer Art „italienischem Barock“ verleihen der Stadt – wie auch den Ortschaften der Insel Levkada (und auch Kephalonia) ein italienisches Flair. Bei näherem Hinsehen sind es Fassaden aus Gußbeton, die nur entfernt etwas mit den untergegangenen Originalen zu tun haben.

Im Ort Levkada selbst haben nach dem Beben nicht nur Wellblechvertreter gewirkt, sondern auch Eisenschmiede. Viele Kirchtürme Levkadas wurden – zunächst offenbar provisorisch – durch teils kunstvoll gefertigte Eisengerüste ersetzt. Einige von ihnen haben mittlerweile selber Denkmalwert.

 

Der Hafen von Levkada wird hauptsächlich von Freizeitskippern belegt.

Levkada selbst ist heute ein lebendiges Städtchen, das neben romantischen Gäßschen auch über eine belebte Fußgängerzone, einen ziemlich großen Freizeithafen für Segler und eine ausgedehnte Uferpromenade verfügt. Sehenswert ist das archäologische Museum, das im städtischen Kulturzentrumskomplex am Ende der Promenade untergebracht ist.

Auf vier Räumen wird thematisch – anhand von Originalen und sehr gelungenen Rekonstruktionen  die prähistorische Archäologie bis hin zur klassischen Antike erläutert. Das Museum beherbergt unter anderem Teile der Sammlung des berühmten deutschen Archäologen Willhelm Dörpfeld, nach dem auch eine der großen Strassen im Zentrum Levkadas benannt ist („Derpfeld Gulielmo“). Dörpfeld, langjähriger Direktor des Athener Deutschen Archäologischen Institutes,  lebte hier lange Zeit bis zu seinem Tode 1940 hier in Levkada. Ein Leben lang verfolgte ihn eine fixe Idee: hier das Ithaka der homerischen Odyssee zu finden. Vergeblich.

Vom Hauptort im Norden der Insel braucht man eine knappe Stunde bis zu dem „auch ganz netten“ Ort Wassiliki, der ein beliebter Anlaufort für mehr oder weniger zu Wohlstand gelangte Touristen aus dem Balkan, aber auch äußerst betuchten Yachtbesitzern geworden ist. Die Anlegestelle für die Autofähre nach Kephalonia findet man erst nach einigem Suchen, etwas entlegen an der langen Strand- und Uferpromenade.

Wassiliki

Zwei verwaiste Bürocontainer nennen die Abfahrtzeiten, gegen 17.00 h soll die Fähre abfahren – doch niemand ist da, der Fahrscheine verkaufen könnte. An der Scheibe kleben ein paar Telefonnummern, die Anrufe dorthin laufen ins Leere. Erst nach mehrfachen Nachfragen bei Ortskundigen werden wir an ein Reisebüro verwiesen, dort erhalten wir Fahrscheine und bekommen versichert, dass die Fähre tatsächlich komme. Dem ist auch so. Das für den kleinen Ort recht mächtige Fährschiff „Käpten Aristidis“ legt denn auch an, und nimmt uns mit.

Kephalonia ist schon kurz nach der Abfahrt von Wassiliki deutlich auszumachen, links daneben türmen sich die Berge von Ithaka auf. Nach einer Stunde Fahrzeit landen wir an der Nordspitze von Kephalonia, im Hafenort Fiskardo. Der allerdings sehr kleine Ort soll einer der Wenigen sein, die vom Erdbeben halbwegs verschont wurde – wir lassen ihn liegen, denn unser Ziel ist die größte Stadt der Insel, Argostoli.

Auf dem Weg von Fiskardo nach Argostoli durchfährt man einige Postkartenbilder.

 

Irgendwo zwischen Fiskardo und Argostoli.

Der Weg dorthin dauert wieder eine Stunde, immer wieder taucht tief unterhalb der Steilküste, an der entlang die schmale Strasse führt, das Meer auf.  In der Tat erscheint die Insel „italienisch“ geprägt, wenn man das klassische Italienklischee mit Zypressenbewachsenen Hängen, offener Landschaft und hellockerfarbenen Steinhäusern bedient  (derer im Norden der Insel tatsächlich noch wenige erhalten sind. Über den Ortschaften herrschen „italienisch-barocke“ Kirchen, mit Campanile und Zwiebelturm, selbstverständlich aus Stahlbeton.

Argostoli liegt an einer einer länglichen Bucht auf einer Halbinsel. Bei annähernd 9000 Einwohnern ist man von dem geradezu großstädtischem Flair des Ortes überrascht.

Ankunft in der Abenddämmerung in Argostoli.

Die Innenstadt hat eine weitläufige „Platia“, einem zentralen Platz, der von öffentlichen Verwaltungsgebäuden und repräsentativen Hotels gesäumt wird. Neben der Fußgängerzone, die von der Platia abgeht, findet das Leben auch unten, an der Uferpromenade statt. Hier gibt es Markthallen, in denen Obst, Fisch und andere Lebensmittel feilgeboten werden, Werkstätten und Läden aller Art, gute Restaurants, Hotels und vieles mehr. Am Kai verhandeln Fischer mit Hausfrauen über den Preis ihrer Fische, die sie direkt vom Boot aus verkaufen. An keinem Ort in Kephalonia kann man gehobene, ionisch-griechische Küche besser genießen als in Argostoli. Zu empfehlen: Restaurant Ampelaki (www.ampelaki.gr), das mit hervorragenden Gerichten weit jenseits des an allen Orten mehrsprachig angepriesenem „greek food“ aufwartet. Die Ionische Küche unterscheidet sich von der Festlandsküche durch eine tatsächlich italienisch anmutende Art der Zubereitung, Pastagerichte, um die man sonst in Griechenland besser einen weiten Bogen macht, sind hier sehr zu empfehlen. Aber auch hervorragende Schmorfleischgerichte – die hier – ganz anders als auf dem Festland  mit mild gewürzten Soßen serviert werden, bei denen häufig Wein Träger des Geschmacks ist.

Da wird es dann auch schon einmal raffiniert, etwa, wenn Weinblätter mit Schafskäse und Eiern und Minze gefüllt werden, und die dann wiederum in eine Lammkeule gesteckt, mehrere Stunden im Ofen mit Wein und Zwiebel geschmort werden.

Wem nach Fischgerichten ist, dem sei die – nicht einfach zu findende – Taverne „Vinaries“ am nördlichen Ortsausgang zu empfehlen. Sie findet sich in Verlängerung der Küstenpromenade, fast schon an der Nordspitze der Halbinsel Argostoli, in einem kleinen Kiefernwäldchen am Wasser. Die etwas schlicht gehaltene Taverne besticht neben ihren stilvollen Mesedes, Tsipouro und lokalem Wein mit bestem, fangfrischem Fisch (Λάσση, Αργοστόλι, Κεφαλονιά 28100).

–         wird fortgesetzt –


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Quer durch Griechenland: von der Ostküste an die Westküste.

Mittelgriechenland ist eigentlich recht schmal. Von der Ostküste bei Larissa/Aghiocampos bis an die Westküste, zum Ionischen Meer, sind es Luftlinie vieleicht 250 Kilometer. Doch zwischen diese direkte Verbindung schiebt sich das gewaltige Pindus-Gebirge im südlichen Ipiros. Es ist nicht das erste Mal, dass wir den Weg durch das Gebirge suchen, um an die Westküste zu gelangen.


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Das Ziel der Fahrt gilt den Ionischen Inseln Levkas und Kephalonia. Es gibt verschiedene Alternativen, die Westküste zu erreichen. Die meisten Navis und auch alle Einheimischen schlagen einen längeren, bequemen Umweg vor, der über die teils autobahnähnlich ausgebaute Via Egnatia über Ioannina und Igoumenitza führt.

Die Strecke ist tatsächlich bequem – aber längst nicht so spannend. Zudem fallen hier erhebliche Mautgebühren an. Also nehmen wir lieber doch den fast direkten Weg durch das Gebirge.

In älteren Reiseberichten habe ich über diese Strecken schon berichtet [hei-wu 2011,2012] – wir sparen uns das an dieser Stelle. Kurz hinter der „Einfahrt“ ins Pindos – Gebirge bei Pyli nehmen wir noch einmal Benzin an einer Tankstelle auf. Während wir und betanken lassen, sehen wir einer betagten alten Frau zu, die die reifen Körner von Maiskolben in einen großen Kübel puhlt.

Sie erklärt uns, dass Daraus Maismehl gemahlen wird. Das sei gut, um „Plasto“ (Πλαστό) daus zu machen. Wir sehen sie etwas verständnislos an, denn von dem Gericht haben wir nie gehört. Sie wiederum sieht uns so an,  wie eine mitteldeutsche Oma dreinschauen würde, wenn ihr jemand begegnet, der keine Kartoffeln kennt. Der Beschreibung nach ist dieses im Pindos und Thessalien traditionelle Gericht ein Zwischending irgendwo zwischen Gemüsepizza und überbackener Polenta, Rezepte lassen sich auch durchaus im Netz finden, jetzt, wo wir wissen, wonach man suchen soll: http://www.sintagoulis.gr/tag/%CF%80%CE%BB%CE%B1%CF%83%CF%84%CF%8C%CF%82

Lecker sehen die kleinen Häppchen auf den Abbildungen jedenfalls aus.

Die Deichbauverhinderer von Sykia.

Von der Weiterfahrt durch den Pindos werden wir – aus aktuellem Anlaß – nur noch das Wiedersehen mit einem alten Bekannten erwähnen:  Dem Damm von Sykia. Seit unserer Vorbeifahrt im Sommer 2011 hat sich an dem fast fertig gestelltgen Dammbau nichts mehr bewegt. Ein paar mehr gesprühte Parolen sind noch hinzugekommen. An sonsten steht der über 170 Meter hohe Damm verlassen da – es gibt nichts zu stauen, keine Baumaschine ist mehr zu sehen. Seit 2000 beschäftigen sich die Gerichte mit dem wohl umstrittensten Großprojekt Griechenlands, und seit 2005  herrscht Baustopp.

Der Widerstand von Umweltschützern und Bewohnern mehrerer Ortschaften, die von dem aufgestauten Fluß Acheloos überflutet werden sollten, hat wirkung gezeigt.. Das Projekt hat allerdings auch einen gewaltigen anachronistischen Charakter. Der Fluß Acheloos entwässert das Pindos-Gebirge Richtung Westen – zum  Neidwesen der Bauern in der thessalischen Tiefebene, die das Wasser gerne Richtung Osten fließen sehen möchten, um ihre durstigen Baumwollfelder zu bewässern. Die Idee, einfach den ganzen Fluß umzuleiten, stammt bereits aus den 1930er Jahren, 1988 begann man ernsthafte Planungen. Vom Stausee aus sollte das gesamte Wasser des Flusses durch eine 11 Meter dicke Betonröhre von West noch Ost umgeleitet werden. Man muß etwas weiter ausholen, um den ganzen Wahnsinn des Projektes zu verstehen. Die thessalische Ebene  um Larissa ist seit der Antike die Kornkammer Griechenlands schlechthin. Doch – auch dank großzügiger Förderung der EU – ist der Anbau der im Vergleich zu Getreide weitaus durstigeren Baumwolle lukrativer. Wo einst Getreide angebaut wurde, dehen sich heute Baumwollfelder aus. Reichlich besprengt mit Wasser, das man teils aus dem Fluß Pinios, vor allem aber aus den grundwasserführenden Geröllschichten pumpt. Pestizide und Düngemittel werden über das Grundwasser immer wieder im Kreis gepumpt – mit mittlerweile erschreckenden Folgen für die Qualität des immer mehr versalzenden Wassers. Neben diesen Giften reichern sich zudem Schwermetalle, insbesondere das in den umliegenden Bergen natürlich vorkommende Arsen, auf den Feldern an. Da kam die Idee natürlich recht, das vergiftete Wasser mit Frischwasser aus den Bergen zu verdünnen.  Da sich mittlerweile auch in Griechenland das ökologische Bewusstsein gewandelt hat, und das Misstrauen gegen staatliche Großprojekte ohnehin auf einer gewissen Tradition aufbaut, wird man wohl noch in einigen hundert Jahren die Ruine des Sykia-Staudamms als das bewundern dürfen, was er ist: ein betongewordenes Dokument des Irrsinns. „Der Acheloos wird sich wehren“  steht denn auch auf den Betonmauern am Damm, und „Nieder mit dem Deich, weg mit den Dämmen“.

http://www.water-technology.net/projects/acheloos/

Gegen Abend haben wir die Küste des Ambrakischen Golfes erreicht, in Vonitzsa suchen wir eine Unterkunft, von wo wir am nächsten Tag zum Sprung auf die Inseln Levkas und Kephalonia ansetzen wollen. Die letzten Kilometer sind eine Tortour, auf der die viel zu engen Straße liefert sich internationaler Lastwagenverkehr eine Rennmeisterschaft, die meisten Laster sind offenbar in südlicher Richtung unterwegs, Richtung Rio/Antirio, von wo sie wohl Kurs auf die Hafenstadt Patras nehmen wollen.

Auf dem Weg hinunter Richtung Arta zeigt sich das Pindos-Gebirge nochmal in seiner ganzen Pracht

Vonitza ist ein „nettes Örtchen“, es hat eine kleine Flaniermeile, eine „Yes-please-Taverne“ reiht sich an die andere, und das Hotel „Marina“  ist siffig, dreckig und die Enscheidung, hier ein Zimmer mit Meerblick zu nehmen,  rächte sich bis tief in die Nacht mit „Ums-Ums-Rhythmen“ der Bars an der Promenade.

 

 

 

 

Anmerkungen:

Hei-Wu 2011, 25.08.2011, Halleforum  (z.Zt. offline)

Hei-Wu 2012, Hallespektrum, 27.08.2012 (http://hallespektrum.de/heiwu/2012/08/31/parga-metsovo-kalambaka-larissa-der-geo-biographische-hoehepunkt-der-reise/)

 

 

Samentausch zwischen Nonnen, Kleinbauern und Bürgerbewegten. Die 4. thessalische Saatgut-Tauschbörse in Dimitra.

(7. September 2013)

Das kleine Dörfchen Dimitra liegt links, nicht weitab von der Strasse zwischen Larissa und Aghia, etwa auf halbem Wege. Der rasterförmige Grundriß erinnert, von den Hängen des Ossa-Gebirges aus gesehen, an das Modell einer antiken römischen Kleinstadt. Aber nur von dort. Es liegt zwischen Baumwollfeldern und hat mit seinen langweiligen flachen Häusern aus den 1950 und 60er Jahren, umherknatternden alten Treckern und abgestellten Baumwolllastern rein gar nichts zu bieten. Hier möchte man nicht einmal tot über dem Zaun hängen.

Der Ort Dimitra in der Thessalischen Ebene, vom Hang des Ossa-Gebirges aus gesehen.

Dennoch pulsiert heute, am 7. September, auf der Plateia von Dimitra das Leben. Zum 4. Mal haben mehrere Organisatoren zum Thessalischen Samentauschtreffen eingeladen. Dahinter stecken Organisationen, wie sie eigentlich verschiedenartiger nicht sein können: Die Initiative «Engagierte Bürger Larissas“ (ενεργοι πολιτες λαρισας), das Nonnenkloster St. Johannes der Täufer mit Sitz bei dem weiter oberhalb gelegenen Ort Anatoli (Ιερα Μονη Τιμιου Προδρομου), die Gemeinde Aghia, die alternative Ökobewegung PELETI (Εναλλακτικι Κοινοτιτα ΠΕΛΙΤΙ) und viele weitere kleine Gruppen und Verbände. Mit der Tauschbörse bezweckt man nicht nur, untereinander selbst geerntetes Saatgut zu verteilen. Vielmehr ist dies Teil einer – auch sonst in Europa – zunehmenden, starken Bewegung, die der Politik internationaler Saatgutkonzerne ebenso entgegentreten will, wie dem Europäischen Gesetzgeber, der in den letzten Jahren mehrfach versucht hat, das Saatgutgesetz zu Gunsten großer Saatgutkonzerne zu ändern. Über die gesamteuropäische Bewegung, die insbesondere auch in Deutschland so stark geworden ist, kann man sich im Netz gut informieren. So läuft zur Zeit eine europaweite Unterschriftenaktion gegen die geplante neue Saatgutverordnung der EU: https://www.openpetition.de/petition/online/saatgutvielfalt-in-gefahr-gegen-eine-eu-saatgutverordnung-zum-nutzen-der-saatgut-industrie

Die Befürchtung der Bewegung besteht darin, dass mit dem Verbot – auch privat – nicht zertifiziertes und zugelassenes Saatgut zu vertreiben, die reichhaltige Vielfalt europäischer Kulturpflanzen, insbesondere historischer und alter Landsorten, sterben könnte. Bauern und Kleingärtner würden so von den Interessen der Saatgutkonzerne abhängig gemacht, weil sie nicht mehr lizenzfreies „open Source“- Saatgut ausbringen könnten.Während solche guerillahaften Samentauschaktionen in Deutschland vorwiegend  – und auch sehr erfolgreich – über das Internet abgewickelt werden,  trifft man sich hier, in Dimitra, vor Ort.

Die 4. Thessalische Samentauschbörse in Dimitra

Das subversive Treiben ist gut organisiert, und mutet von außen zunächst wie ein kleines Volksfest an. Um die eigentliche, streng nichtkommerzielle  Tauschbörse herum haben Verkäufer alternativer Produkte versammelt, die Nonnen des Johannesklosters verkaufen selbst hergestellten Käse, Honig, Liköre und Tsipouro, andere Biobauern sind mit Hülsenfrüchten, Kartoffeln, mehreren Soten Trachanas (einer Art fermentierter und getrockneter Grütze, aus Weizen und Milch bereitet, etwas weit verwand mit Couscous), Nudeln und Marmeladen vertreten.

Der Verkaufsstand der Nonnen vom Johanneskloster.

 

 

 

Auch die „Gyfti“ (eine Sinti-Roma-Gruppe), die bei keiner Menschenansammlung fehlen dürfen, sind mit einem klapprigen Pickup angereist und verkaufen bunt schillernde Luftballons. Die eigentliche „Tauschbörse“ besteht aus einer Reihe von etwa 15 Tapeziertischen, hinter denen die einzelnen Veranstalter Mühe haben, die Unmengen in liebevoller Kleinarbeit abgefüllter und beschrifteter Samentüten gegen allzu gieriges Publikum zu verteilen.

Diese Samenbank ist schon bald bankrott 🙂

Die Schlangen entlang der Tische sind enorm, das Angebot selbstgeernteten Saatgutes auch. Verschiedenste alte Tomatensorten, Auberginen, Mangold, Kürbissamen, Kräuter, Gurken, Melonen und Sonnenblumen sind der Renner. An semiprofessionelle Biobauern wird aber auch Getreide verteilt – so etwa Hart- und Weichweizen verschiedener Provenienz. Natürlich darf auch Stevia, das modische Süßkraut, im Sortiment nicht fehlen. Stevia rebaudiana ist mittlerweile Symbolpflanze im Kampf gegen die Großkonzerne geworden – weil die EU – angeblich wegen Kumpelei mit der Süßstoff und Zuckerindustrie – dem harmlosen Pflänzchen über lange Zeit die Zulassung als Nahrungszutat nach der „Novel-Food-Verordnung“ verweigert hat.

Eine Tauschbörse im engeren Sinne findet hier in Dimitra eigentlich nicht statt – denn das Saatgut wird an das sich um die Tische drängende Publikum kostenlos in kleinen Portionen verteilt. Der Tauschcharakter besteht denn auch mehr in der Erwartung, dass die Samenempfänger ihr geerntetes Saatgut beim Treffen im nächsten Jahr wieder der Börse zur Verfügung zu stellen.

Wo etwas kostenlos ist, da schart sich das Volk, doch einzelne besonders gierige „Absahner“ werden dann auch schon einmal höflich hinwegkomplimentiert. „Sie haben nun wirklich genug von uns bekommen, gehen Sie doch mal bitte an einen anderen Tisch“, ist dann auch schon mal von den frommen Schwestern an Tisch eins zu hören. Nach etwa zwei Stunden sind die Samentütchen dann auch schon weitgehend an die etwa 300 Leute, die zu dem Basar gekommen sind, verteilt. Jetzt erschallt vom Gemeindezentrum neben der Plateia das Megafon, um das Ende der Tauscherei zu verkünden, und die Leute nur zur Versammlung im Gemeindesaal einzuladen. Keine Veranstaltung kommt in Griechenland ohne Versammlung und Omilies“, Reden, aus. Eine kleinere gruppe der Teilnehmer bewegt sich nun auch dort hin, der Rest stärkt sich lieber mit Tsipuro und Mesedes in der Mittagshitze unter den Platanen.

Hart- und Weichweizen

Im Gemeindezentrum von Dimitra stellen die Initiativen sich und ihre Projekte vor.

Im stilvoll eingerichtetem Raum des Gemeindezentrums sieht es ein bisschen aus wie bei einer evangelischen Erntedankfeier, der Rednertisch ist dürftig mit ein paar Kürbissen und Tomaten dekoriert. Hauptredner gibt es in der basisdemokratisch angelegten Veranstaltung nicht, und so wird jeder Initiative eine kurze Vorstellung ihrer Arbeit und ihrer Motivation zur Teilnahme an der Tauschbörse eingeräumt. Das Nonnenkloster stellt sich vor – es scheint eine recht fortschrittliche Truppe innerhalb der ziemlich strengen, reaktionären orthodoxen Kirche zu sein. Die Schwesterngemeinschaft ist international zusammen gesetzt. Eine Nonne, die aus Deutschland stammt, haben wir später noch näher kennen gelernt, wir werden sie übernächste Wiche im Kloster besuchen. Die Nonnen, die aus allen Herren Ländern dieser Welt stammen, haben sich neben ihrem Dienst an Jesus Christus der traditionellen und ökologischen Landwirtschaft verschrieben. Anders, als es in vielen orthodoxen Klöstern Griechenlands üblich ist, erledigen sie die anstehenden Arbeiten selbst. Sie verfügen über Kuh- und Schafställe, eine Käserei und betreiben auf ihren Feldern den arbeitsintensiven Anbau von Biogemüsen per Hand.

Die engagierten Bürger von Larissa

 

Zum ersten Mal beteiligt sich die „Initiative der engagierten Bürger von Larissa“.  Dieser lockere Zusammenschluß von Bürgern aus Larissa und Umgebung sieht seine Kernaufgabe darin, die durch die Wirtschaftskrise entstandene soziale Not zu lindern. So hat man eine Art „Tafel“ organisiert, man verteilt Lebensmittel, die von landwirtschaftlichen Betrieben hergestellt werden, oder aber von Restaurants geliefert werden. Motto: „Es darf nichts übrigbleiben, nichts wird weggeworfen“. Die Initiative ist halt sehr basisdemokratisch, es gibt weder einen Vorstand, noch eine Kasse. Es werden nur Sachspenden angenommen. Geldverkehr hat man untersagt.

Gegen Abend treffen wir uns noch mit Freunden, die auch als aktive Mitglieder der Initiative an der Aktion beteiligt waren. Unter der Hand erfahren wir denn auch, dass es durchaus zu Reibungsverlusten kommt, in der mittlerweile auch über 200 Aktive mitwirken (bei einer noch größeren Zahl inaktiver Mitglieder). Auch bei der Vorbereitung der Saatgutaktion gab es schon mal Schwierigkeiten. So hätten einige der Mitglieder – allesamt nicht gerade erfahrene Saatgutzüchter, teils nicht einmal Gartenbesitzer  – auch schon einmal unreifes und taubes  Material in Tüten verpackt.

Und ob das wohl wirklich alles freie, ungeschützte Landsorten sind, nur weil sie bei Oma schon seit zwei Jahren im Garten wachsen? Letztlich ist es auch egal. Es geht, neben allem Spaß und praktischem Nutzen, um ein politisches Signal.

Einige Redner im Gemeindesaal betonten auch den pädagogischen Anspruch der Saatgutaktion: dass die Menschen sich endlich einmal mit der Herkunft ihrer Nahrung und deren politischen Funktion beschäftigen sollen.
Und ein lustiges Fest ist es allemal. Der örtliche Rundfunk berichtet darüber, schließlich mag das einen ähnlich ernst zu nehmenden Effekt erreichen wie einige tausend Online-Unterschriften.

Die Larissäer Gruppe hat derweil auch andere Probleme. Denn, wie auch bei richtig hierarchischen Organisationen, gibt es schon mal Unstimmigkeiten hinsichtlich der ideologischen Ausrichtung. Gerade hatte eine heftige Diskussion stattgefunden, ob man als überparteiliche Initiative auch Mitglieder politischer Parteien aufnehmen könne.  Irgendwoher kennen wir das alle.

 

Was „die da oben“ so machen: Dion, Olymp und ein Rezept für Götterspeise.

(04.09.2013)


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Hinter der Abzweigung nach Rapsani kann man auch weiter der Nationalstrasse Richtung Norden folgen. Dann schieben sich die Hänge des Olymp derart nahe an die Küste heran, dass nur eine schmale Passage zwischen Berg und Meer bleibt. Rechterhand sieht man eine gewaltige Festung von Platamonas stehen, sie stammt in ihren Ursprüngen schon aus früh/mittelbyzantinischer Zeit (6.-10. Jhdt n. Ch.). Während der 4. Kreuzzüge – Griechenland stand mal wieder unter westlicher Fremdherrschaft – hat das fränkische „Königreich Thessaloniki“ das „Kastro“ zu seinem heutigen monströsen Erscheinungsbild ausgebaut. Mit seinen vielen oktogonalen Türmen und Mauern, auf einer kleinen Anhöhe gelegen, erinnert es mehr an eine Stadtbefestigung denn an eine einfache Burg. Hier musste jeder vorbei, der sich von Nord nach Süd bewegte. Das weiß auch heute noch die Autobahngesellschaft, die auf dem immer noch nicht ausgebautem Teilstück der „Ethniki Odos“ innerhalb weniger Kilometer hier gleich zwei Mautstationen („Diodia“) eingerichet hat (ca. 15 Kiliometer = 4 €,- /PKW ). Ansonsten ist Platamonas wegen seiner langen Sandstrände am Thermaischen Golf bei einheimischen und ausländischen Touristen beliebt.

Ein Stück weit hinter Platamonas, noch bevor man die Stadt Katerini erreicht, kommt die Abfahrt Litochoro /Dion.  Litochoro – ein Dorf, das Olympwanderern gerne als Basisstation dient, fahren wir nicht an, sondern folgen den Hinweisschildern weiter nach Dion.

Reste des Zeustempels in Dion vor dem Olymp

Dion war in der Antike gewissermassen die ständige Vertretung der olympischen Götter im real existierenden Griechenland.  Die Lage war dafür wie geschaffen: Die Bäche aus dem Olymp versorgen den Ort ganzjährig mit reichhaltig Wasser, die Gegend ist fruchtbar, und der heilige Berg präsentiert sich von hier unten in vollendeter Pracht.

Hypokaustheizung einer römischen Bäderanlage in Dion.

Die Anfänge der Siedlung liegen im 7. Jahrhundert v. Ch, die Makedonier bauten den Ort als Heiligtum und Pilgerstätte aus. Hier fanden die ersten olympischen Spiele um 400 v. unter dem Makedonischen König Archelaos statt. Philipp II, Vater Alexander des Großen, baute die Stadt zu einer Festung aus.  Die Pilgerstädte im Vorgarten vor dem Haus der olympischen Götter florierte. Aus der Blütezeit des Ortes in hellenistischer und römischer Zeit sind neben einigen Zeus,- Demeter usw. Tempeln auch Kultstätten für die synkretistisch eingebürgerten Gottheiten fremder Religionen, wie etwa der Isis, vertreten. Der Olymp war vermutlich wegen seiner fortschrittlichen Einwanderungspolitik, die fremden Göttern, so sie die nötigen Qualifikationen mitbrachten, durchaus aufgeschlossen war, recht erfolgreich. Immerhin währte das Götterreich bis in die Spätantike im 3. und 4. Jahrhundert, danach wurde der Ort mehrfach von Hochwassern getroffen, aber auch noch in frühchristlicher Zeit bemächtigte man sich noch der Deutungsmacht des Ortes. Danach geriet der Ort in die Bedeutungslosigkeit, bis die Universität Thessaloniki in mehreren Etappen von 1928 bis in die 1970er Jahre hier Ausgrabungen durchführte.. In der Folge entstand ein –bis Anfang des 21. Jahrhunderts – verwahrloster, jetzt gut gepflegter archäologischer Park. Mit seiner üppigen Vegetation, den vielerorts hier rauschenden Bächen und Tümpeln, und den darin eingebundenen Resten von Tempelanlagen und der mittlerweile auch gut ergrabenen zivilen Stadt mit römischen Bäderanlagen ist so eine Art modernes Wörlitzer Gartenreich entstanden.  Im 300 Meter entfernten archäologischen Museum werden im – übrigens für griechische Verhältnisse didaktisch gut aufbereitetem – Museum die Funde der Grabungen ausgestellt. Neben dem üblichen hellenistischen Nippes darf das wohl bedeutendste Exponat nicht unerwähnt bleiben: die gut erhaltenen Reste einer hochentwickelten pneumatischen Orgel mit bronzenen Pfeifen. Sollte die Datierung in das 1. Jh v. Ch stimmen, wäre dies die weltweit älteste erhaltene Orgel überhaupt. Der heutige Ort Dion besteht vorrangig aus Andenkenläden und „Greek Taverns“ , in die sich regelmäßig der Inhalt von Reisebussen übergibt. „Original Greek Foos: Moussakas, Gyros, Schnitzel“ steht auf den Werbetafeln, die eindeutig zur Flucht mahnen.

Die vermutlich älteste erhaltene Orgel der Welt.,

Im Umland wird unter anderem Tabak angebaut, vorwiegend die Sorte „Basmas“, ein hochwertiger Orienttabak, dessen stark würzige kleine Blätter, auf Stangen aufgereiht, unter Zelten in der Sonne trocknen.

Orienttabak „Basmas“ hängt zum Trocknen im Zelt.

Und der Olymp selbst? Dank ausgebauter Klettersteige sind selbst seine Gipfel vor ambitionierten Freizeit-Bergsteigern nicht mehr sicher. Unkonditionierten Faulpelzen wie uns erschließt sich das Massiv immerhin bis in einer Höhe von 1100 Metern sogar mit dem Auto, wenn man nicht Schrammen und Beschädigungen des Unterbodenschutzes fürchtet.


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In Dion ist der Olymp schlichtweg als solcher ausgeschildert, nach einem Kilometer hört der Asphalt auf, die Schotterpiste verläuft entlang eines nahezu ausgetrockneten Bachtals zwischen Wacholderbüschen und Ziegenköddeln bis zu einem Rastplatz mit Kirche und Wasserfall, dann heißt es Anlauf nehmen, und im ersten Gang die steinige Piste hochfahren.

Platanen im Flußgeröll vor dem Olymp bei Dion.

Nach einigen Kilometern knacken die Ohren, es reicht nach qualmender Kupplung, während wir uns über Geröll und plötzlich auftauchende Kalkbrocken den Weg durch Buchen und Kiefern nach oben bahnen. Natürlich ist die Aussicht erwartungsgemäß phänomenal.

Hier hinauf verläuft der Wandersteig hoch zum Katafygion Koromilias

 

Hier werden Hochzeitsbilder inszeniert.

 

Das Katafygion Koromilias (Google-Suche: Καταφυγιο Κορομηλιας) ist vor wenigen Jahren erst entstanden, und befindet sich auf etwa knapp 1100 meter Höhe am Ende der Schotterpiste. Die Katafygia (Schutzhütten) sind Einrichtungen, die denen unserer Alpenvereinshütten ähneln. Betreiber von „Koromilia“ ist ein ziemlich junges Paar. Die beiden versuchen, die Hütte ganzjährig zu betreiben, was aber regelmäßig wegen starker Schneefälle misslingt. Vorletztes Jahr waren sie zweieinhalb Monate lang eingeschneit und von der Außenwelt abgeschnitten. Dazu gehört schon etwas Mut. Ihre Zeit verbringen sie neben dem Herbergswesen mit dem Sammeln von Pilzen und Wildfrüchten, die – vielfach selbst den Einheimischen unbekannt – sie hier zu Likör, Geles etc. verarbeiten und verkaufen.

Die Hütte scheint übrigens ein Anziehungspunkt für die alternative Ökoszene Griechenlands zu sein. Regelmäßig werden hier Seminare für angehende Hobbyimker, Naturwanderungen usw. angeboten.

Wir unterhalten uns mit der Wirtin über die Beeren und Früchte. Sie hat gerade „Krana“ gesammelt. Davon hatte ich schon viel gehört – und sie – aufgrund vieler Falschübersetzungen in griechischen Kochbüchern- für „Cranberrys“ gehalten, jene fad schmeckenden preiselbeerartigen Dinger, die manchmal bei uns im Supermarkt angeboten werden. Ein Irrtum. Die Wirtin zeigt mir die hohen Sträucher, die in der Umgebung wild wachsen, und voll von saftigen, kirschroten, süßsauer schmeckenden Früchten hängen. Es sind Kornelkirschen (Cornus mas). Wieder was gelernt. Das Zeug also, das in städtischen Parkanlagen bei uns aus Verlegenheit als Zierstrauch gepflanzt wird.  Kalbfleisch mit „Krana“ und Quitten übrigens: ein Gedicht und einfach saulecker:

1 kg Kalbleisch, gestückelt wie Gulasch
1 kg Quitten (geschält, in Streifen geschnitten, ohne Kerngehäuse)
250 g Krana (Kornelkirschen)
2 Zwiebeln
2 Tomaten
200 ml Olivenöl <br>
Gewürze:
1 Tl Chili mittelscharf
1 EL Koriandersamen
5 Körner Piment
1 EL Thymian
1 Zimtstange
3 Knoblauchzehen
2 EL Zucker
Salz <br>
Kalbfleisch in Öl anbraten, mit dem Zucker bestreuen.. Zwiebeln, pürierte Tomaten und Gewürze zugeben. Krana mit etwas Wasser zusammen pürieren, von Kernen separieren und Wasser/Fruchfleischgemisch zusetzen. Gericht 1 ½ Stunden schmoren lassen, dabei umrühren und ggf. Wasser zusetzen, um Anbrennen zu vermeiden. Geschnittene Quittenstreifen gegen Ende zufügen und noch 15 min schmoren lassen. Mit Brot servieren.

 

Die Übernachtungspreise in der schlichten, aber gut gepflegten Berghütte sind übrigens konkurrenzlos: 12,- pro Nacht und Bett. Vielleicht einer der letzten Geheimtips in einer sonst stark touristisch erschlossenen Region.

Entlang der Küstenstraße Aghiokampos-Piniosdelta-Rapsani: Zum Wein an die Hänge des Olymp (1. 9. 2013)

Von Aghiokampos führt die Küstenstraße zunächst etwa 15 Kilometer an Strand- und Ferienorten entlang. Im Sommer sind die langen Kiesstrände gut besucht, Ferienhäuser , Bars und Nippesläden reihen sich locker aneinander, wo Kellner in der Hochsaison mit voll beladenen Tabletts in halsbrecherischen Aktionen die stark befahrene Straße kreuzen, um Badegäste am Strand mit Erfrischungen zu versorgen. Jetzt, in der Nachsaison, ist es ruhiger geworden, die herrenlosen Hunde haben wieder von Strasse und Strand Besitz genommen. Bei dem beschaulichen Ort Kokkino Nero biegt der Weg in die Berge ab, man folgt der Strasse nun durch dichte Wälder oberhalb der jetzt felsig gewordenen Küste, bis, kurz vor Stomio, sich ein überraschend neues Bild ergibt:

Blick auf das Pinios-Delta und das in der Ferne liegende Olymp-Massiv.

Tief unten breitet sich eine grün bestandene Ebene aus, in der Ferne dahinter tauchen Berge auf, deren Spitze von dichten Wolken eingehüllt sind: Das Massiv des Olymp, der mit seinen über 2900 Meter hohen Spitzen die höchste Erhebung Griechenlands ist. Doch der Götterberg ist so groß und gleichfalls noch so weit entfernt, dass er in seiner nebelhaften Erscheinung noch wie eine optische Täuschung wirkt. Die Ebene davor ist das Delta des Flusses Pinios. Zwischen Olymp und dem Berg Ossa, an dessen Fuß die Strasse nach Stomio hinabführt, hat der Pinios, von Larissa aus kommend, sich eine tiefe Schlucht, das Tempi-Tal, gegraben, bevor er seinen fruchtbaren Schlamm in seinem Schwemmfächer an der Meeresküste ablagerte. Hinter Stomio fahren wir durch eine rechterseits geradezu niederländisch flach anmutende Landschaft, linkerseits bauen sich bewaldete Berghänge auf.

Plantagen am Fuße des Ossagebirges bei Stomio.

Silberblau klettern hier die Olivenenhaine hinauf, bis sie in den nebelverhangenen Zonen des Ossagebirges verschwinden.

Unter Kiwilauben bei Stomio.

Kiwiplantagen, Wein, Eßkastanien und Gemüsegärten zeigen ein besonders günstiges Mikroklima an. Rechterhand weiden gelbbraune Kühe auf den flachen Wiesen mit Pappel- und Maulbeerbäumen, so, als hätten flämische Maler des 17. Jahrhunderts sie arrangiert.  An die fünf Kilometer fahren wir durch eine teils schilfige Wiesenlandschaft, dann geraten wir unversehens in einen Wald riesiger Platanen, zwischen deren dicken Stämmen das türkisgrüne Wasser des Pinios hindurchleuchtet. Die Ufer sind mit violett blühendem Blutweiderich bestanden.

Am Pinios-Delta

 

Blick in den Ausgang der Tempi-Schlucht mit dem Fluß Pinios.

Dies ist genau die Stelle, wo der Fluß die enge Tempi-Schlucht verlässt und die letzten paar Kilometer in seinem Delta noch ein paar langsame Ehrenrunden dreht, bevor er sich ganz unspektakulär am Strand ins Meer verdrückt. Leider ist der unter Naturschutz stehende Auenwald komplett vermüllt. Da die Autobahnbrücke Athen-Larissa-Thessaloniki hier über die Schlucht führt, nutzen viele Fahrer den beschaulichen Ort zum Picknick, nicht ohne ihre Hinterlassenschaften im Wald an Ort und Stelle liegen zu lassen.

Diese Flußlandschaft wurde Ihnen präsentiert von: Liedl.

Archäologen hätten an der Untersuchung des abgelagerten Zivilsationsmülls ihre helle Freude. Neben Plastiktüten der Billigkette „Lidl“, die auch in Griechenland einen wichtigen Part bei der Versorgung der Bevölkerung eingenommen hat, teilen Ölkanister, Wasserflaschen, albanische und bulgarische Zeitungen neben griechischen Supermarktfaltblättern, Pappbechern und Unmengen Klopapier das beschauliche Ambiente.

Vollkommenes Pan=Orama / oder wohlaufgezeichnete Umsicht / des Flusses Penios / nebst der Strassenbrücke nach Thessalonica und der angrenzenden Wälder/ so sich dem Reisenden bey dem Tempi-Thale zu Thessalien präsentiert.

Kurz nachdem man die Autobahnbrücke Richtung Thessaloniki überquert hat, findet man einen Wegweiser nach links, der in das Olympmassiv Richtung Rapsani weist. Rapsani liegt etwa 15 Kilometer entfernt in einer bergigen, mit Weinreben bestandenen Landschaft hoch oben am Hang.

Da, wo wir von der Nationalstrasse links nach Rapsani abbiegen, haben an der Hauptstrecke Athen-Larissa-Thessaloniki die führenden Modelleisenbahnhersteller Faller, Kibri und Fleischmann den passenden Bahnhof errichtet. Jedes Detail stimmt, sogar die heimelig anmutende Laterne.
Das Olymp-Massiv, das wir alsbald besuchen, läßt sich im Maßstab 1:2000 bequem aus Styroporabfällen errichten.

Der auf etwa 500 Höhenmetern gelegene Ort gilt als einer der besten Weinbaugegenden des Festlandes. Bevorzugt wird die spezifisch einheimische, sehr alte rote Rebsorte Xinomavros angebaut, die zusammen mit den nur in Rapsani vorkommenden Gewächsen Stavroto und Krassato in Mischkultur gezogen wird und zusammen gekeltert wird.

Die Xinomavros-Traube.

Die sehr kräftigen, gerb,- farbstoff- und säurehaltigen Weine werden international gehandelt, insbesondere die Kellerei Tsantali hat diese Weine auch in den mittelpreisigen Regale deutscher Supermärkte platziert. Neben Rotwein wird auch noch der Weißwein „Thessalikos“ und ein – zumindest meiner Erfahrung nach – eher wenig schmackhafter Rose produziert.

Auf der Platia von Rapsani.

Von der „Platia“, dem Dorfplatz von Rapsani, hat man einen schönen Ausblick auf den Gipfel des Ossa/Kissavos, das Meer und das Pinios-Delta. Mehrere Weinhandlungen sind in dem Ort verteilt.

Ausblick von Rapsani auf das Ossa-Gebirge und das Pinios-Delta.

In einem eher kleineren Lädchen, das vor allem dadurch besticht, dass der Ladeninhaber, ein älterer Opa, seine Geschäftsausstattung seit den späten 1960er Jahren nicht mehr verändert hat, wollen wir Wein einkaufen. Ob wir erst einmal probieren wollen, fragt der alte Herr uns. Er füllt uns aus seinen 5-Liter-Schläuchen (a 15 € !) Gläschen ab, das Ergebnis ist interessant bis geradezu niederschmetternd. Aus Höflichkeit erwerben wir dann doch lieber zwei Flaschen zu je 8 €, die er offensichtlich nicht selbst produziert hat, deren Verkostung zu Hause verläuft dafür dann nicht so enttäuschend. Vermutlich erzeugt die Lage in Rapsani auch Spitzenweine, aber das würde sicher professionellere Recherche erfordern. Schade, denn die Verkostung der am Wegesrand stibitzten, hocharomatischen Xinomavro-Trauben mit ihrem leichten Muskatellergeschmack hatte mehr versprochen.

 

Mehr aus Zagora: Knochenarbeit und rote Äpfel. (27-30. August 2013)

Jedes Jahr wieder wieder führen unsere Wege die steilen Serpentinen hinauf, über Chania nach Zagora, einer Kleinstadt auf der Halbinsel Pilion.

Darüber habe ich die letzen Jahre schon geschrieben, doch ist dieser in aller Hinsicht bemerkenswerte Flecken Griechenlands kaum mit einem einzelnen Beitrag abzuhandeln:.

http://hallespektrum.de/heiwu/2012/08/18/20-08-2012-bilder-aus-zagora-einem-dorf-auf-dem-pilion/

http://hallespektrum.de/heiwu/2012/08/15/15-08-2012-zagora-und-chorevto-das-fest-der-maria/

Auch jetzt, Ende August 2013, ist das Wetter wieder schwülheiß, die blauen Kisten, mit denen die Äpfel der Marke „Zagorin“ in die Genossenschaft transportiert werden sollen, stehen wieder in den Plantagen bereit.

Die großen, glockenformigen roten Äpfel, die an den Hängen in großer Zahl schwer in den Bäumen hängen, sind keine traditionelle Sorte. „Firikia“, die ursprünglichen kleinen, aromatischen, aber kaum mehr zu vermarktenden Äpfel werden nur noch von Liebhabern angebaut. Die Hänge des Pilion, vor allem des Apfelzentrums Zagora, dominiert die Sorte  „Red Delicious“, in der Varietät „starking delicious“, die weltweit einen der größten Marktanteile unter den Äpfeln behauptet. Marktstudien haben gezeigt, dass der Verbraucher immer wieder im Sortiment zu den rotesten Äpfeln überhaupt greift. So hat diese Züchtung auch an den steilen Hängen des Pilion alle einheimischen Sorten weitgehend verdrängt.

Der Geschmack der wunderschönen Früchte ist durchschnittlich, die harte, aber glänzend rote Schale sollte man vor dem Verzehr entfernen – nicht nur wegen der ausreichend angewandten Spritzmittel, sondern auch, weil die feste Schale unangenehmen zwischen den Zähnen hängen bleibt.

„Zum reinbeißen, diese herrlich knackigen Äpfel…. doch solche Ernten reifen nicht von allein…. Chemie. Auf Ihrer Seite.“ So (ähnlich warb einst die Chemieindustrie (West) in den 80er Jahren für Verständnis ihrer Produkte. Wie wahr !) . Äpfel in einer Plantage am Strassenrand bei Zagora.

Die Landwirtschaftskooperative „Zagorin“. Hier landen die gefüllten Apfelkisten, von wo sie europaweit in den Handel gebracht werden.

Der Markt will es nicht anders. Wer schöne rote Äpfel will, muß leiden. Die Anwendung deutlich sichtbarer Spritzmittel (die weißen Flecken sind wohl Kupferkalkbrühe) dient wohl nicht nur dazu, Pilzerkrankungen zu verhindern, sondern wirkt effektiv gegen die Dezimierung durch zweibeinige Schädlinge. Der reichhaltige Obstanbau auf dem Pilion liegt in den besonderen  klimatischen Verhältnissen begründet. Steil ragen die Hänge der gebirgigen Halbinsel an der Küste der Ägäis auf. Hier stauen sich zunächst alle vom Meer andriftenden Wolken – während Mittelgriechenland ansonsten trocken bleibt, gehen hier – im Spätsommer oft täglich- Gewittergüsse nieder.

Das macht den Pilion zu einer der grünsten Landschaften des Landes überhaupt. In Meereshöhe gedeihen Oliven, danach wechseln sich Apfel-und Kiwiplantagen ab. Oberhalb von 700 Metern gedeihen noch Kastanien, weiter oberhalb schließen sich dichte Eichen- und Buchenwälder an. Die letzten 200 Meter bis zur Spitze bei über 1600 m über NN ist von Nadelbäumen dominiert.

Industrie gibt es auf der gesamten Halbinsel in der verkehrstechnisch kaum erschlossenen Gegend nicht. Dominierender Wirtschaftszweig ist der Obstbau – gefolgt vom Bauwesen, was zunächst erstaunen mag. Während internationaler Tourismus trotz der einzigartigen Landschaft, die von Bergwandern bis zu Strandurlaub alle Möglichkeiten bietet, kaum eine Rolle spielt, ist der Pilion seit Jahrzehnten schon beliebtes Ferienziel wohlhabender Griechen, die hierher selbst aus dem 300 km entfernten Athen anreisen. Der Ausbau der einstigen Steinbauten der Ortschaften zu Ferienhäusern hat vielen Bauarbeitern – vor allem Einwanderern aus Albanien – gute Arbeitsmöglichkeiten geschaffen. Diesem Umstand ist zu verdanken, dass wenigstens einige Orte noch ihren ursprünglichen Charakter behalten haben, wenngleich auch hier die üblichen Bausünden – insbesondere durch Verkitschung und Übertraditionalisierung – zu verzeichnen sind. Dennoch reihen sich auch in dem attraktiven Ort Zagora gut sanierte Bruchsteinhäuser  aneinander. Durch die Wirtschaftskrise sind viele Bauarbeiten in den denkmalwerten Ortschaften zum Erliegen gekommen, viele der Häuser stehen zum Verkauf.

Behutsam sanierte Wohnhäuser vom Ende des 19. Jahrhunderts….

.. und romantischer Verfall wecheln in Zagora einander ab.

In der Nachbarschaft arbeitet eine Gruppe albanischer Brüder an der Instandsetzung eines Gebäudes. Die Fundamente des einst als Lagerraum genutzten Steinhauses müssen gegen die vom Hang eindringende Feuchtigkeit isoliert werden. Die Grundmauern werden mit Spitzhacke in einer Tiefe von zwei Metern freigelegt. Handarbeit. Minibagger schaffen den Weg hier hoch nicht.

Mittagspause: Albanische Maurer in Zagora.

Dränagerohre werden gelegt, Horizontalsperren angelegt, der Graben mit Dicken Steinbrocken, die man aus dem Tal herangeschafft hat, aufgefüllt. Bruchsteinmauern werden errichtet, Wände angeputzt. Neben einer Betonmischmaschine hat man noch eine Schubkarre, mit der das Geröll den Hang hinaufgeschafft wird. Das Ganze bei Gluthitze. Fast überall, wo in Griechenland mit Bruchstein gearbeitet wird, sind Albaner am Werk.

Stein auf Stein….

Man sagt, sie beherrschten das traditionelle Handwerk noch aus ihrer Heimat, während diese Kunst in Westeuropa längst verloren gegangen sei. Schon im 19. Jahrhundert war der Ruf albanischer Maurer bis hin nach Amerika bekannt. Doch es sind nicht nur die gefragten Handwerkskünste, die diese Menschen nach Griechenland drängen lassen, sondern das buchstäbliche Elend und Perspektivlosigkeit, die sie aus ihrem Heimatland vertreiben. Griechisch sprechen sie leidlich gut, einer der Handwerker, die wir kennen gelernt haben, fiel durch seine Deutschkenntnisse auf. Er hat sie in Thüringen erworben, im Aufnahmelager Mühlhausen, dann im Asylbewerberheim Gera. Dort verbrachte er sechs Jahre seines Lebens – vergeblich. Keine Arbeit, und dann „habe er Scheiße gebaut“. Nun schleppen er und seine Brüder Steine, erledigen die Arbeiten, die sich in den Nischen trotz der hohen Arbeitslosigkeit in Griechenland finden lassen – bei natürlich geringer Bezahlung. Überraschend schnell wachsen unter der Hand der vierköpfigen Gruppe perfekte Bruchsteinwände, in einer Geschwindigkeit, in der andernortes nicht einmal die Verschalung einer Betonwand entstehen würde.

Wem nicht gerade Baustellentourismus am Herzen liegt, dem sei eine Reise in den Pilion trotzdem wärmstens empfohlen. Anreisepunkt ist die Großstadt Volos am Fuße des Pilion, von dort leiht man sich entweder ein Auto oder nimmt einen der wenigen Busse. Die Fahrt über die langen Serpentinen bis Zagora verläuft über den Pass am Skigebiet bei Chania in 1200 metern Höhe, für die 62 Kilometer lange Strecke muß man mit eineinhalb bis zwei Stunden rechnen.

Touristinfo auf deutsch: http://www.pilion.de/

Bei „Petros“ in Chorevto am Strand.

Parga-Metsovo-Kalambaka-Larissa. Der geo-biographische Höhepunkt der Reise.

Larissa, den 27-August 2012.

Am späten Vormittag brechen wir von Parga auf, um die Heimreise Richtung Larissa anzutreten, wo wir abends zu einer kleinen Feier verabredet sind. Der Weg führt uns an Joannina vorbei zunächst hinauf nach Metsovo. Die Stadt liegt mitten im Pindos-Gebirge auf knapp 1200 Höhenmetern.

Parga. Oben, vom Kastell aus, wirkt die von Touristen überquellende Kleinstadt durchaus ansehnlich. Wir verlassen sie jetzt – durch das Gebirge in Richtung Larisssa.

 


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Blick von Dorfplatz Metsovo in die alpine Landschaft. Es ist in Griechenland selten möglich, solche Bilder ohne Telegrafen- und Stromkabel zu fotografieren. Sie gehören einfach ins Landschaftsbild. Kann man natürlich alles mit „Fotoshop“ rausmachen, aber dann haben viele Leute in Metsovo keinen Strom mehr, auch nicht die Kunstgalerie, die das Gebäude auf der linken Seite beherbergt.

Die Stadt, die bis heute überwiegend von der arumänisch („vlachisch“) sprechenden Bevölkerung Griechenlands besiedelt ist, liegt an einem ehemals strategisch bedeutenden Katara-Pass. Bedeutung hat die Stadt heute zum einen wegen der berühmten Käsesorten. Die Stadt ist Sitz mehrerer Molkereien, die ihren Rohstoff vor allem von den Kuhherden beziehen, die in großer Zahl in den umgebenden Wäldern und auf den Hochgebirgswiesen weiden.

Alpenkühe vor Stadtlandschaft: Metsovo.

 

 

Das alpine Landschaftsbild der Umgebung von Metsovo mit dem Kuhglocklengeklimper erinnert eher an die Tiroler Alpen, so dass man sich kaum vorstellen mag, dass in diesem Ort, der im Winter regelmäßig durch gewaltige Schneemassen von der Außenwelt abgeschnitten ist, einen hervorragenden Wein produziert. Evangelos Averoff, einer der Mitglieder einer alten Familiendynastie des Ortes, brachte den Qualitätswein „Katogi Averoff“ hervor, der zu den berühmtesten Weinkellereien Griechenlands gezählt wird. Es ist ein Verschnitt aus dem lokal angebauten Cabernet Sauvignon und der griechischen Rebsorte „Aghioritikos“.

Doch der Weinbau war nur eines seiner vielen Hobbys:  Averoff publizierte wissenschaftliche Arbeiten über die Wirtschaftsgeschichte des Balkans, und engagierte sich zu einer Zeit, da dies ausgesprochen unpopulär war, für das Anligen der vlachisch sprechenden Minderheiten in Griechenland, deren Angehöriger er selber war.  Averoff verfasste Dramen und literarische Prosa. 1974, nach Ende der Diktatur in Griechenland, trat Averoff der konservativen Partei Nea Dimokratoa bei. Er legte eine steile  Karriere hin, war 1974 bis 1981 Verteidigungsminister Griechenlands. 1981 wurde er Vorsitzender seiner Partei, das Amt gab er 1984, mittlerweile 75jährig, aus Altersgründen ab.

Die wohlhabende metsovitische Familie Averoff hat noch andere bekannte Persönlichkeiten hervorgebracht, einer ihrer ersten bekannten Vertreter war der  erfolgreiche Geschäftsmann Georgios Averoff (geb. 1818),  der mit seinem vorwoiegend in Kairo verdientem Reichtum in Athen als Kulturmäzen auftrat und als erste Sponor der Olympischen Spiele der Neuzeit in die Geschichte einging: Die olympischen Spiele Athen 1896 hätten beinahe nicht stattfinden können, weil dem griechischen Staat das Geld für die Fertigstellung des Stadions fehlte. Averoff sprang persönlich mit privatem Geld in die Bresche.

Dass Metsovo heute überwiegend ND wählt, liegt auch daran, dass die Averoffs den Aufstieg des Ortes sowohl politisch als auch finaziell massiv beförderten. Es gibt mehrere Averoff- Museen, Strassen und Plätze. Durchaus sehenswert ist die Averoff- Pinakothek, die eine einzigartige, qualitätvolle Gemäldesammlung des 19. und 20. Jahrhunderts zu ihrem Kernstück hat.  Während viele sowohl staatliche als auch private Kunstmuseen in Griechenland leider selten mehr sind als zweifelhafte Ansammlungen drittklassiger Malerei mit einem unübersehbaren Hang zum Kitsch, bietet die beschauliche Averoff-Sammlung einen durchaus repräsentativen Querschnitt europäischer Kunstgeschichte im Spiegel griechischer Kunstschaffender.

Der sterbende Atheist: Nikolaos Alektoras malte dieses schwülstige Bild im letzten Drittel des 19.Jahrhunderts. Was mich als gerade mal 50-Jährigen daran so berührt, wissen die Götter.

Leider bedient der aufwändig gepflegte Ort Mezovo sonst wenig Sehenswürdigkeiten. Es gibt kaum ein Bauwerk, das älter ist als vielleicht 20 Jahre, auch wenn man sich bemüht, diese mit viel Blendfassaden aus Bruchstein irgendwie „traditionell“ erscheinen zu lassen.  Die Läden quellen über von mundgebissenem Edelnippes, und die Unarten der „Yes-please“-Gastronomie haben sich auch hier erfolgreich etabliert.

Oberhalb von Metsovo. Im Winter ist hier Ski und Rodeln gut.

Bei der Weiterfahrt über den Pass zeugen Skihütten und hohe Markierungsstangen entlang der Strasse davon, wie hoch hier, mitten in Griechenland, im Winter der Schnee liegen kann. Wie schnell führt die Strasse des 27. August nun wieder talwärts:  Nach den verkrüppelten Fichten und Tannen säumen erst Kiefern, dann Buchen und Eichen den Weg. Die ersten Maronenbäume und Platanen tauchen auf, dann die ersten Feigen. Unten, kurz vor Kalambaka, am Rande der drückend heißen thessalischen Ebene, zeugen Olivenbäume davon, dass die mediterrane Welt wieder in Ordnung ist. Die Spuren des Waldbrandes, wegen dessen wir auf dem Hinweg die große Umleitung fahren mussten, wirken glücklicherweise wenig dramatisch. Es ist verhältnismäßig wenig Fläche zerstört worden. Einige der größeren Bäume haben das Feuer, das vorwiegend im Unterholz wütete, möglicherweise überlebt, andere, deren Rinde zu tief verkohlt wurde, wohl nicht. Sie werden vielleicht eine Wiederauferstehung durch Stockausschläge erfahren.

Wenige Tage nach dem Brand: die Auferstehung der Natur ist dennoch gewiß.

 

Eine Handelsniederlassung vor den Bergen von Kalambaka.

Nach einer weiteren Stunde Fahrt sind wir in Larissa, es weht ein merkwürdiger, heißer Wind, der Himmel ist gelb vor Staub, doch das erlösenden Gewitter kommt nicht. Dafür ist die Feier im Kreise der Freunde von ausgesuchter Heiterkeit, die Krise in kaum einem Wort erwähnt, obwohl jeder sein Kreuz daran zu tragen hat. Hier endet der chronologische Reisebericht – es folgen aber später noch einige Randbemerkungen allgemeiner Art.

 

Mit GPS zu den Rötelbergen von Kokkinopilos. Altsteinzeitliche Flinthaufen in roter Erde. Römische Aquädukte. Erfolgreich geschlossen: das archäologische Museum von Preveza und das antike Nikopolis.

24.08.2012, Preveza.


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Über die Rötelhaufen von Kokkinopilos gibt es wenige im Netz veröffentlichte Literatur, sie verweist darauf, dass dies einer der wenigen Plätze Griechenlands ist, an denen altsteinzeitliche Steinartefakte in Situ gefunden wurden.

„Kokkinospilos“ bedeutet „rote Erde“. In Griechenland existieren mehrere Orte, die diesen Namen tragen. Europaweit noch viel mehr, und als ich als Kind immer wieder einmal mit meinem Vater in die Eifel fuhr, beeindruckte mich jedesmal der Bahnhof „Aachen-Rote Erde“.  Da erzählte er mir der Vater, dass die römischen Damen sich einst mit „Terra rossa“ aufhübschten, um den Männern zu gefallen. Was ich damals nicht verstand.

Kokkinopilos in der griechischen Präfektur Preveza hat keinen Bahnhof. Es gibt dort nicht einmal ein Dorf, das so heißt. Ob der in Kokkinopilos  anstehende Rötel, der schon in der Altsteinzeit ein begehrtes Farbmaterial war, oder die dort anstehenden Flintvorkommen Anziehungspunkt altsteinzeitlicher Menschen gewesen ist, ist auf die Schnelle nicht heraus zu bekommen. Aber vorstellbar. Das wird alles in Halle nachrecherchiert. Ausschlaggebend für die Suche nach den Rötelvorkommen ist mein geradezu neurotisches Interesse an Farben, speziell auch jenem eisenoxidhaltigen Rohstoff, der eine zentrale Rolle in einem in Halle anstehenden Kongress zum Thema „Rot“ spielen soll. (http://www.lda-lsa.de/tagungen/mitteldeutscher_archaeologentag/)

Als Grund für eine Fahrt in die ipirotische Pampa reicht das schon vollkommen aus. Das wird keine wissenschaftlich vorbereitete Expedition, es ist Urlaub. Und vom Paläolithikum habe ich soviel Ahnung wie die Kuh vom Fliegen. Die Bilder von den Rötelhügeln, die mir Minas zeigte, sind einfach genug Grund für die Fahrt ins „Rote“.

Die Suche nach dem Rötelplatz führt zunächst von Parga aus in südliche Richtung, ein ganzes Stück vor Preveza biegen wir ab, die Route geht über Archangelos nach Louros.

„Rot“ ist ein Urmotiv, das in jeder Hinsicht positiv stimulierend auf Säugetiere wirkt und Urkräfte auszulösen vermag. .
(Pferd, Tomaten verzehrend, aufgenommen irgendwo auf dem Weg zwischen Archangelos und Louros )

Nach Fillipiada kommt der Ort Aghios Georghios, der laut Satellitenkarte ziemlich dicht an den gesuchten Rötelhaufen liegt.

Von dort könnte man einen steilen Hang hinaufsteigen, sich durchs Dickicht schlagen, was aber bei der Hitze ziemlich verwegen erscheint. Bei Aghios Georghios stoßen wir aber auf einen römischen Aquädukt, Teil der insgesamt über 70 Kilometer langen römischen Wasserleitung. Die Anlage wurde um 31. v. Ch. auf Anordnung Oktavians, des späteren Kaiser Augustus, errichtet, und diente der Wasserversorgung der über 300.000 Einwohner zählenden Stadt Nikopolis, dem Vorläufer des heutigen Preveza.

Aquaedukt bei Aghios Georghios.

Nochmal der selbe Aquädukt. Eigentlich sind des zwei, die sich hier im Tal versammeln.

Der See von Sirou – den Rötelbergen sind wir schon nahe, auch wenn das blaue Wasser nicht darauf hinweist.

Der  nächste Versuch, die Rötelberge zu erreichen, führt zurück Richtung Fillipiada, bis zu einer Abzweigung, die zu dem See von Siros (Limni Sirou) führt. Von dort tasten wir uns über Feldwege um den See herum in nördliche Richtung hoch. Wie eine Fata Morgana tauchen plötzlich die Rötelhänge auf, doch die vermeintlichen Feldwege, die zum Ziele führen könnten, versickern entweder im Nichts oder enden jäh vor einem Viehgitter.

Ein Treckerfahrer, der einzige in der Einöde sichtbare Mensch, beschreibt uns ungefähr den weiteren Weg über die Schotterpiste, an einem Bachlauf schlagen wir uns durchs Gebüsch, verfolgt von kläffenden Hütehunden, und sind am Ziel. Mittlerweile haben die Temperaturen 36 Grad im Schatten erreicht, aber Schatten gibt es auf den rot glühenden Hügeln kaum.

 

Die Rötelerde ist feinkrümelig, läßt sich bequem mit den Fingern verreiben, das Wühlen in dem gewaltigen Farbtopf macht Spaß, und entsprechend sieht man nach kurzer Zeit aus. (Die Hotelwirtin beklagte sich am anderen Morgen über rote Spuren im Zimmer und auf der Bettdecke – das Zeug färbt einfach hartnäckig, und ist kaum von der Haut abzubekommen).

Die Rötelhaufen sind ein interessantes Produkt der Verwitterung von hämatit- und kalkhaltigem Ausgangsgestein. Es sind „Paläoböden“, gewissermaßen eine Art fossilierter Boden, der allerdings jetzt seiner konservierenden Deckschichten verlustig wurde undf kräftig wegerodiert. Gelegentlich findet man auch noch gut erhaltene, dunkelschwarze Hämatit- und Limonitknollen (Bohnerze) herumliegen. Im Laufe der Zeit ist der Kalk aus dem Oberboden gelöst worden, der fein verteilte rote Hämatit sowie Tonminerale haben sich dabei an der Oberfläche aufkonzentriert. Wohl während der Genese der Böden , die vor ca. 100000 Jahren stattfand, gelangten altsteinzeitlicher Flintartefakte wie etwa Faustkeile,. in den Boden, und treten nun, in Folge einer mittlerweile sehr starken Erosion,  immer wieder zutage.

Kokkinopilos: wo Bäume auf Stelzen wachsen.

Von der gewaltigen Erosionsgeschwindigkeit zeugen einige verkrüppelte Bäumchen, deren Wurzeln im Laufe der Erosion immer mehr freigelegt wurden, und die zum Teil mit ihren Wurzeln wie auf Stelzen über dem Boden zu schweben scheinen. Schätzt man das Alter der Bäume auf maximal 30-50 Jahre, so kann man sich vorstellen, dass alle hundert Jahre die Hügel um ein bis zwei Meter niedriger werden. Bei diesen Erosionsgeschwindigkeiten mag man sich kaum vorstellen, hier altsteinzeitliche Feuersteingeräte anzutreffen, da sie,Hügel, setzt man mal eine nur 5-7000 Jahre andaurnde Erosionszeit voraus, die Hügel um 100 bis -200 Meter niedriger geworden, bzw. eigentlich verschwunden sein müßten.  Doch geologische Prozesse sind halt kompliziert. Feuersteinartefakte sind hier tatsächlich sowohl ergraben, als auch in großer Zahl freigeschwemmt worden. Das wird in Halle zu recherchieren sein.

Ein Roboter der Internationalen Gimritzer Griechenlandmission hat diesen Stein bewegt. Im Kontrollzentrum des Hallespektrums brach daraufhin Jubel ob der gelungenen Operation aus.

Sieht man von den spärlichen Bäumchen ab, sieht es hier oben aus, wie auf den ersten Bildern, die der Marsroboter Curiosity gefunkt hat. Davon, dass es auf diesem lebensfeindlichen Fleck einmal Wasser gegeben haben muss, zeugen nur die tiefen Erosionsrinnen, in denen lauter weißliche Flintsteinchen liegen.

Die kleinen Bäumchen sind übrigens Kermeseichen. Sie sind im mediterranen Raum weit verbreitet. Auch sie haben mit der Farbe „rot“ zu tun. Auf ihnen lebt eine mittlerweile selten gewordene Schildlausart, die Kermeslaus. Aus den Weibchen dieser Art gewann man in der Antike bis ins Mittelalter hinein einen wertvollen Farbstoff, „Kermes“ oder „Karmin“ genannt, mit dem man Wolle und Seide besonders intensiv rot färben konnte. Der Farbstoff war derart teuer, dass er nur hohen kirchlichen Würdenträgern und dem Kaiserhause vorbehalten war. Die kleine Laus steckt noch heute in dem neugriechischen Wort „kokkinos“, was schlichtweg „rot“ bedeutet, und sich von „Kokkos“, Korn, ableitet. So nannte man in der Antike die kleinen warzenartigen Läuse, die an den Blättern hafteten.

Kurz vor Preveza erreicht man die Ruinen des antiken Nikopolis. Die Reste der antiken Großstadt liegen an der langsam verlandenden Bucht von Amvraka, einem riesigen Flußdelta, das als einzigartiges Feuchtbiotop gilt und weitgehend unter Naturschutz steht.

Die Stadtmauer von Nikopolis

Nikopolis, „Siegesstadt“ wurde von Oktavian nach seinem Sieg in der legendären Seeschlacht bei Actium, bei der Oktavian sich endgültig seine Vormachtstellung im Römischen reich sicherte. (Actium liegt gegenüber von Preveza, bekannt heute durch einen stolzen Untermeerestunnel, bis auf einen hässlichen Militärflughafen gibt es dort nichts zu sehen.)

Erhalten ist neben umfangreichen römischen Resten wie Thermenanlagen vor allem eine gewaltige Stadtmauer, die jedoch aus späterer, byzantinischer Zeit stammt. Hinein können wir nicht – „ekteloundai erga“ , es finden „Bauarbeiten“ statt, steht auf dem Schild am Eingang des archäologischen Parks. In der Tat sind Bauarbeiter und Steinmetze beschäftigt, eines der byzantinischen Stadttore zu restaurieren. Leider ist auch das archäologische Museum geschlossen. Die Öffnungszeiten entsprechen den Bürozeiten im öffentlichen Dienst:

Montags-Freitags 9.00 – 17.00 h, Samstags, Sonntags, Feiertags: Geschlossen.

Erhaben weht die griechische Fahne über dem geschlossenen archäologischen Museum.

Um 1032 zerstörten die Bulgaren Nikopolis, und in unmittelbarer Nähe entstand Preveza als neue Stadt. Weder Größe und Bedeutung von Nikopolis wurden je wieder erreicht, Preveza hat heute ungefähr 16.000 Einwohner.

Großartige Sehenswürdigkeiten hat Preveza nicht, aber die hat die Touristenhochburg Parga erst recht nicht. Es gibt eine Strandpromenade mit auf  Neoklassizismus hochgetrimmten Neubauten der 1990er Jahre, einen venezianischen Glockenturm, ein paar originale Bauten des 19. Jahrhunderts. Alles wirkt etwas verschlafen, aber durchaus freundlich.

Reste einer der frühchristlichen Kirchen von Nikopolis.

 

Hallo Welt!

„Hallo Welt“ titelte WordPress diesen Blog. Vielleicht behalte ich den Titel. Passt doch zu dem, was ich hier vorhabe., nämlich Reiseberichte von überall außerhalb Halles verfassen.

Erst aber setze ich malmein schönstes Urlaubsbild hier rein: Die Katze „Gli“, die seit drei Jahren in der Aya Sofya (Hagia Sophia) in Istanul lebt, und von den dortigen Museumswärtern liebevoll versorgt und bewacht wird.

Gli