Im Legoland der Großen Götter

Samothraki ist klein, und verfahren kann man sich nicht, das Heiligtum der „Großen Götter“ liegt etwa 3 Kilometer östlich an der Uferstraße von Kamariotissa. Die Topografie entspricht der Vorzugslage antiker Heiligtümer: Im Hintergrund der große Berg, Blick aufs Meer, nicht zu steil hinauf.

SDIM1963 Heiligtum der großen Götter Samothraki

Das Heiligtum der großen Götter auf Samothraki

Die „alten“ Griechen waren Seefahrer, nicht Bergsteiger. Und man war nicht auf unbequeme religiöse Streitigkeiten erpicht. Die namenlosen „Großen Götter“, die die Thraker einst verehrten, die „Kabiroi“, wurden mit der Hellenisierung Thrakiens einfach uminterpretiert, im Olymp gibt es viel Platz für große Mächte, und erst recht auf dem Saos, an dem sich ständig die Wolken stauen, mühsam den Weg über den Gipfel überwinden, um sich über dem Heiligtum wiederum in wirbelnden Kringeln aufzulösen. Tagtäglich das selbe Spiel.

SDIM1975 Heiligtum der großen Götter Samothraki

Wolkenumspielt: der Götterberg Saos

Zum Heiligtum führt ein schattiger Weg durch krüppelige Olivenbüsche hinauf, nicht weit, dann erreicht man das mit EU-Mitteln neu errichtete Museum auf der rechten Seite, das leider wegen fehlender Folgefinanzierung nicht eingerichtet und geschlossen ist.

SDIM1948 Zum Heiligtum der großen Götter Samothraki

Weg zu den Großen Göttern: durch Olivenhaine

Zum Ausgleich für den entgangenen Museumsbesuch erhalten wir am Kassenhäuschen eine wissenschaftliche Broschüre über den Verlauf der Restaurierung der verbliebenen Reste des Heiligtums der großen Götter.
Zwischen den dorischen Säulen des klassisch-griechischen  Tempels tummeln sich weiß gewandete Gestalten, die sich mit ausgestreckten Armen der Sonne zuwenden. Es sind offenbar Mitglieder einer amerikanischen Sekte, eine dicke Frau im Gardinengewand bittet uns um Verständnis, die Szene nicht zu stören, allerdings vergeblich.

SDIM1957 Heiligtum der großen Götter Samothraki

Wolken umspielen den Berg Saos, kann es hier einen besseren Standort für das Besuchs-und Informationszentum der „Großen Götter“ geben?

Auch wenn die Niki in Paris steht: Architektur- und Kunsthistoriker können Samothraki keinesfalls auslassen. Die Frontseite der einst von zwei Säulenreihen gestützte Vorhalle des Tempels der „Großen Götter“ haben Denkmalpfleger theatralisch in Stand gesetzt, die übrigen Hinterlassenschaften hat man im Umfeld sortiert: In Stein gehauene Dachrinnen (Geison), Gebälkteile mit Triglyphen, und die noppenbesetzten Bausteine, die wie übergroße Legosteine herumliegen: es sind die „Guttae“ , eine Reminiszenz der dorischen Säulenordnung aus der Zeit, als man Tempel noch aus Holz baute. Es  sind  in Stein gehauene Erinnerung an die genagelten Bretter, die einst Teil der Dachkonstruktion waren.

SDIM Heiligtum der großen Götter Samothraki dorische Bauplastik

Legoland für klassische Architekturtheoretiker: Triglyphen, Guttae, alles da. (Nur für Insider: das mit dem Triglyphenkonflikt haben sie auch hinbekommen)