Und der Wahlkampf?

Der ist auf den ersten Blick nicht erkennbar, zumindest nicht im Straßenbild. Die übliche Plakatschlacht ist weitgehend ausgeblieben. Das ist merkwürdig, denn Übermorgen ist Wahl. Möglicherweise liegt die neue Enthaltsamkeit daran, dass die Regierung Tsipras die Wahlkampfkostenerstattung für die Parteien radikal gekürzt hat. Ganz selten erscheinen noch Plakate der beiden chancenreichen Bewerber, hin und wieder ruft SYRIZA zu Veranstaltungen in den Städten auf, meistens ist das Porträt des Hoffnungsträgers Tsipras abgebildet, ebenso selten sind Plakate der konservativen Nea Dimokratia mit ihrem Spitzenkandidaten Meimarakis zu sehen. Nach altem Muster tobt sich allenfalls die traditionelle kommunistische Partei in versuchten Massenplakatierungen aus, oder die neoliberale Splitterpartei „Enosi Kendroon“ (Vereinigung der Mitte) des Dimitrios Levendis, der vor allem in Thessaloniki die Straßen mit markigen Sprüchen die Hoheit über die Laternenpfähle erobert hat.

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Links wirbt die KKE für eine Veranstaltung am 12. September, wo Generalsekretär Dimitrios Koutzumbas spricht, rechts reißt der neoliberale Levendis das verfaulte System ein.

Auf seinen Slogan „Wir werden das verfaulte System einreißen“, scheint er besonders stolz zu sein. Die Umfragen sehen ihn bei 1,5 %. Die Umfragewerte sehen ansonsten die Parteien SYRIZA zwischen 28 und 30 Prozent, Nea Dimokratia ebenfalls, abhängig ist das Umfrageergebnis offenbar stark vom Auftraggeber. Man sollte in Griechenland zur Zeit nicht allzu sehr auf Umfrageergebnisse vertrauen. Bei der „Ochi-Abstimmung“ sahen die (publizierten) Umfragen einen knappen Ausgang voraus, und dann siegte das „Nein“ mit gut über 60%. Nach meinen persönlichen „Umfragen“ im Freundes-und Bekanntenkreis kommt SYRIZA auf über 90%, die linken SYRIZA-Abspalter um Lafzanis (Laiki Enosi, Volkseinheit) bekommt nahezu den Rest, bis auf eine Stimme, die an die KKE geht. Aber mit den persönlichen Wahrnehmungen ist dass so eine Sache, jeder hat seine eigene Perspektive.  Einen Eindruck habe ich aber dennoch: die Diskussion um Politik ist nicht mehr lautstark und leidenschaftlich. Der Ton ist stiller geworden. „Kati tha vji“ (irgendwas wird schon herauskommen) ist häufig zu hören.

Der Wahlkampf findet nun nicht mehr auf der Straße, sondern in den Medien statt, und das vor allem im Fernseher. Es gibt Life-Übertragungen der großen Kundgebungen von Nea Dimokratia und Syriza in Athen, und auch Diskussionsrunden in den Fernsehstudios.

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Gerne wirden in den Fernsehformaten der Bildschirm aufgeteilt. Manchmal, wenn viele Leute was gleichzeitig zu sagen haben, erscheinen ganz viele Briefmarkenköpfe. Hier eigentlich nur ein Zweiteiler. Links wehende griechische Fahnen auf einer zentralen Kundgebung der Nea Dimokratia, rechts eine Umarmungsszene mit Tspras. Im rot unterlegten Untertitel geht es um die Lagarde-Liste. einer Liste mit über 2500 schwerreichen Steuersündern, und in deren Vertuschung und Manipulationen besonders die Altparteien ND und PASOK verstrickt waren. Tsipras verspricht im Falle seines Wahlsieges, diese Liste abzuarbeiten.  Darunter steht noch, dass es ein Kopf-an Kopf-Rennen zwischen ND und SYRIZA geben wird.

Der Wahlsonntag ist auch unser letzter Urlaubstag. Erste vernünftige Ergebnisse werden am Sonntagabend gegen 21.00 h erwartet. Wir haben uns schon zum Abschied verabredet: da setzen wir uns auf die Plateia von Platykampus, einem landwirtschaftlich geprägten Vorort der Großsstadt Larissa. Dort gibt es einen Wirt, der die besten Souvlakia macht. Er hat einen großen Fernseher aufgebaut, um den sich die Leute scharen werden. Mal sehn, kati tha vji.

 

 

 

 

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