Quer durch Griechenland: von der Ostküste an die Westküste.

Mittelgriechenland ist eigentlich recht schmal. Von der Ostküste bei Larissa/Aghiocampos bis an die Westküste, zum Ionischen Meer, sind es Luftlinie vieleicht 250 Kilometer. Doch zwischen diese direkte Verbindung schiebt sich das gewaltige Pindus-Gebirge im südlichen Ipiros. Es ist nicht das erste Mal, dass wir den Weg durch das Gebirge suchen, um an die Westküste zu gelangen.


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Das Ziel der Fahrt gilt den Ionischen Inseln Levkas und Kephalonia. Es gibt verschiedene Alternativen, die Westküste zu erreichen. Die meisten Navis und auch alle Einheimischen schlagen einen längeren, bequemen Umweg vor, der über die teils autobahnähnlich ausgebaute Via Egnatia über Ioannina und Igoumenitza führt.

Die Strecke ist tatsächlich bequem – aber längst nicht so spannend. Zudem fallen hier erhebliche Mautgebühren an. Also nehmen wir lieber doch den fast direkten Weg durch das Gebirge.

In älteren Reiseberichten habe ich über diese Strecken schon berichtet [hei-wu 2011,2012] – wir sparen uns das an dieser Stelle. Kurz hinter der „Einfahrt“ ins Pindos – Gebirge bei Pyli nehmen wir noch einmal Benzin an einer Tankstelle auf. Während wir und betanken lassen, sehen wir einer betagten alten Frau zu, die die reifen Körner von Maiskolben in einen großen Kübel puhlt.

Sie erklärt uns, dass Daraus Maismehl gemahlen wird. Das sei gut, um „Plasto“ (Πλαστό) daus zu machen. Wir sehen sie etwas verständnislos an, denn von dem Gericht haben wir nie gehört. Sie wiederum sieht uns so an,  wie eine mitteldeutsche Oma dreinschauen würde, wenn ihr jemand begegnet, der keine Kartoffeln kennt. Der Beschreibung nach ist dieses im Pindos und Thessalien traditionelle Gericht ein Zwischending irgendwo zwischen Gemüsepizza und überbackener Polenta, Rezepte lassen sich auch durchaus im Netz finden, jetzt, wo wir wissen, wonach man suchen soll: http://www.sintagoulis.gr/tag/%CF%80%CE%BB%CE%B1%CF%83%CF%84%CF%8C%CF%82

Lecker sehen die kleinen Häppchen auf den Abbildungen jedenfalls aus.

Die Deichbauverhinderer von Sykia.

Von der Weiterfahrt durch den Pindos werden wir – aus aktuellem Anlaß – nur noch das Wiedersehen mit einem alten Bekannten erwähnen:  Dem Damm von Sykia. Seit unserer Vorbeifahrt im Sommer 2011 hat sich an dem fast fertig gestelltgen Dammbau nichts mehr bewegt. Ein paar mehr gesprühte Parolen sind noch hinzugekommen. An sonsten steht der über 170 Meter hohe Damm verlassen da – es gibt nichts zu stauen, keine Baumaschine ist mehr zu sehen. Seit 2000 beschäftigen sich die Gerichte mit dem wohl umstrittensten Großprojekt Griechenlands, und seit 2005  herrscht Baustopp.

Der Widerstand von Umweltschützern und Bewohnern mehrerer Ortschaften, die von dem aufgestauten Fluß Acheloos überflutet werden sollten, hat wirkung gezeigt.. Das Projekt hat allerdings auch einen gewaltigen anachronistischen Charakter. Der Fluß Acheloos entwässert das Pindos-Gebirge Richtung Westen – zum  Neidwesen der Bauern in der thessalischen Tiefebene, die das Wasser gerne Richtung Osten fließen sehen möchten, um ihre durstigen Baumwollfelder zu bewässern. Die Idee, einfach den ganzen Fluß umzuleiten, stammt bereits aus den 1930er Jahren, 1988 begann man ernsthafte Planungen. Vom Stausee aus sollte das gesamte Wasser des Flusses durch eine 11 Meter dicke Betonröhre von West noch Ost umgeleitet werden. Man muß etwas weiter ausholen, um den ganzen Wahnsinn des Projektes zu verstehen. Die thessalische Ebene  um Larissa ist seit der Antike die Kornkammer Griechenlands schlechthin. Doch – auch dank großzügiger Förderung der EU – ist der Anbau der im Vergleich zu Getreide weitaus durstigeren Baumwolle lukrativer. Wo einst Getreide angebaut wurde, dehen sich heute Baumwollfelder aus. Reichlich besprengt mit Wasser, das man teils aus dem Fluß Pinios, vor allem aber aus den grundwasserführenden Geröllschichten pumpt. Pestizide und Düngemittel werden über das Grundwasser immer wieder im Kreis gepumpt – mit mittlerweile erschreckenden Folgen für die Qualität des immer mehr versalzenden Wassers. Neben diesen Giften reichern sich zudem Schwermetalle, insbesondere das in den umliegenden Bergen natürlich vorkommende Arsen, auf den Feldern an. Da kam die Idee natürlich recht, das vergiftete Wasser mit Frischwasser aus den Bergen zu verdünnen.  Da sich mittlerweile auch in Griechenland das ökologische Bewusstsein gewandelt hat, und das Misstrauen gegen staatliche Großprojekte ohnehin auf einer gewissen Tradition aufbaut, wird man wohl noch in einigen hundert Jahren die Ruine des Sykia-Staudamms als das bewundern dürfen, was er ist: ein betongewordenes Dokument des Irrsinns. „Der Acheloos wird sich wehren“  steht denn auch auf den Betonmauern am Damm, und „Nieder mit dem Deich, weg mit den Dämmen“.

http://www.water-technology.net/projects/acheloos/

Gegen Abend haben wir die Küste des Ambrakischen Golfes erreicht, in Vonitzsa suchen wir eine Unterkunft, von wo wir am nächsten Tag zum Sprung auf die Inseln Levkas und Kephalonia ansetzen wollen. Die letzten Kilometer sind eine Tortour, auf der die viel zu engen Straße liefert sich internationaler Lastwagenverkehr eine Rennmeisterschaft, die meisten Laster sind offenbar in südlicher Richtung unterwegs, Richtung Rio/Antirio, von wo sie wohl Kurs auf die Hafenstadt Patras nehmen wollen.

Auf dem Weg hinunter Richtung Arta zeigt sich das Pindos-Gebirge nochmal in seiner ganzen Pracht

Vonitza ist ein „nettes Örtchen“, es hat eine kleine Flaniermeile, eine „Yes-please-Taverne“ reiht sich an die andere, und das Hotel „Marina“  ist siffig, dreckig und die Enscheidung, hier ein Zimmer mit Meerblick zu nehmen,  rächte sich bis tief in die Nacht mit „Ums-Ums-Rhythmen“ der Bars an der Promenade.

 

 

 

 

Anmerkungen:

Hei-Wu 2011, 25.08.2011, Halleforum  (z.Zt. offline)

Hei-Wu 2012, Hallespektrum, 27.08.2012 (http://hallespektrum.de/heiwu/2012/08/31/parga-metsovo-kalambaka-larissa-der-geo-biographische-hoehepunkt-der-reise/)

 

 

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