Was „die da oben“ so machen: Dion, Olymp und ein Rezept für Götterspeise.

(04.09.2013)


Größere Kartenansicht

Hinter der Abzweigung nach Rapsani kann man auch weiter der Nationalstrasse Richtung Norden folgen. Dann schieben sich die Hänge des Olymp derart nahe an die Küste heran, dass nur eine schmale Passage zwischen Berg und Meer bleibt. Rechterhand sieht man eine gewaltige Festung von Platamonas stehen, sie stammt in ihren Ursprüngen schon aus früh/mittelbyzantinischer Zeit (6.-10. Jhdt n. Ch.). Während der 4. Kreuzzüge – Griechenland stand mal wieder unter westlicher Fremdherrschaft – hat das fränkische „Königreich Thessaloniki“ das „Kastro“ zu seinem heutigen monströsen Erscheinungsbild ausgebaut. Mit seinen vielen oktogonalen Türmen und Mauern, auf einer kleinen Anhöhe gelegen, erinnert es mehr an eine Stadtbefestigung denn an eine einfache Burg. Hier musste jeder vorbei, der sich von Nord nach Süd bewegte. Das weiß auch heute noch die Autobahngesellschaft, die auf dem immer noch nicht ausgebautem Teilstück der „Ethniki Odos“ innerhalb weniger Kilometer hier gleich zwei Mautstationen („Diodia“) eingerichet hat (ca. 15 Kiliometer = 4 €,- /PKW ). Ansonsten ist Platamonas wegen seiner langen Sandstrände am Thermaischen Golf bei einheimischen und ausländischen Touristen beliebt.

Ein Stück weit hinter Platamonas, noch bevor man die Stadt Katerini erreicht, kommt die Abfahrt Litochoro /Dion.  Litochoro – ein Dorf, das Olympwanderern gerne als Basisstation dient, fahren wir nicht an, sondern folgen den Hinweisschildern weiter nach Dion.

Reste des Zeustempels in Dion vor dem Olymp

Dion war in der Antike gewissermassen die ständige Vertretung der olympischen Götter im real existierenden Griechenland.  Die Lage war dafür wie geschaffen: Die Bäche aus dem Olymp versorgen den Ort ganzjährig mit reichhaltig Wasser, die Gegend ist fruchtbar, und der heilige Berg präsentiert sich von hier unten in vollendeter Pracht.

Hypokaustheizung einer römischen Bäderanlage in Dion.

Die Anfänge der Siedlung liegen im 7. Jahrhundert v. Ch, die Makedonier bauten den Ort als Heiligtum und Pilgerstätte aus. Hier fanden die ersten olympischen Spiele um 400 v. unter dem Makedonischen König Archelaos statt. Philipp II, Vater Alexander des Großen, baute die Stadt zu einer Festung aus.  Die Pilgerstädte im Vorgarten vor dem Haus der olympischen Götter florierte. Aus der Blütezeit des Ortes in hellenistischer und römischer Zeit sind neben einigen Zeus,- Demeter usw. Tempeln auch Kultstätten für die synkretistisch eingebürgerten Gottheiten fremder Religionen, wie etwa der Isis, vertreten. Der Olymp war vermutlich wegen seiner fortschrittlichen Einwanderungspolitik, die fremden Göttern, so sie die nötigen Qualifikationen mitbrachten, durchaus aufgeschlossen war, recht erfolgreich. Immerhin währte das Götterreich bis in die Spätantike im 3. und 4. Jahrhundert, danach wurde der Ort mehrfach von Hochwassern getroffen, aber auch noch in frühchristlicher Zeit bemächtigte man sich noch der Deutungsmacht des Ortes. Danach geriet der Ort in die Bedeutungslosigkeit, bis die Universität Thessaloniki in mehreren Etappen von 1928 bis in die 1970er Jahre hier Ausgrabungen durchführte.. In der Folge entstand ein –bis Anfang des 21. Jahrhunderts – verwahrloster, jetzt gut gepflegter archäologischer Park. Mit seiner üppigen Vegetation, den vielerorts hier rauschenden Bächen und Tümpeln, und den darin eingebundenen Resten von Tempelanlagen und der mittlerweile auch gut ergrabenen zivilen Stadt mit römischen Bäderanlagen ist so eine Art modernes Wörlitzer Gartenreich entstanden.  Im 300 Meter entfernten archäologischen Museum werden im – übrigens für griechische Verhältnisse didaktisch gut aufbereitetem – Museum die Funde der Grabungen ausgestellt. Neben dem üblichen hellenistischen Nippes darf das wohl bedeutendste Exponat nicht unerwähnt bleiben: die gut erhaltenen Reste einer hochentwickelten pneumatischen Orgel mit bronzenen Pfeifen. Sollte die Datierung in das 1. Jh v. Ch stimmen, wäre dies die weltweit älteste erhaltene Orgel überhaupt. Der heutige Ort Dion besteht vorrangig aus Andenkenläden und „Greek Taverns“ , in die sich regelmäßig der Inhalt von Reisebussen übergibt. „Original Greek Foos: Moussakas, Gyros, Schnitzel“ steht auf den Werbetafeln, die eindeutig zur Flucht mahnen.

Die vermutlich älteste erhaltene Orgel der Welt.,

Im Umland wird unter anderem Tabak angebaut, vorwiegend die Sorte „Basmas“, ein hochwertiger Orienttabak, dessen stark würzige kleine Blätter, auf Stangen aufgereiht, unter Zelten in der Sonne trocknen.

Orienttabak „Basmas“ hängt zum Trocknen im Zelt.

Und der Olymp selbst? Dank ausgebauter Klettersteige sind selbst seine Gipfel vor ambitionierten Freizeit-Bergsteigern nicht mehr sicher. Unkonditionierten Faulpelzen wie uns erschließt sich das Massiv immerhin bis in einer Höhe von 1100 Metern sogar mit dem Auto, wenn man nicht Schrammen und Beschädigungen des Unterbodenschutzes fürchtet.


Größere Kartenansicht

In Dion ist der Olymp schlichtweg als solcher ausgeschildert, nach einem Kilometer hört der Asphalt auf, die Schotterpiste verläuft entlang eines nahezu ausgetrockneten Bachtals zwischen Wacholderbüschen und Ziegenköddeln bis zu einem Rastplatz mit Kirche und Wasserfall, dann heißt es Anlauf nehmen, und im ersten Gang die steinige Piste hochfahren.

Platanen im Flußgeröll vor dem Olymp bei Dion.

Nach einigen Kilometern knacken die Ohren, es reicht nach qualmender Kupplung, während wir uns über Geröll und plötzlich auftauchende Kalkbrocken den Weg durch Buchen und Kiefern nach oben bahnen. Natürlich ist die Aussicht erwartungsgemäß phänomenal.

Hier hinauf verläuft der Wandersteig hoch zum Katafygion Koromilias

 

Hier werden Hochzeitsbilder inszeniert.

 

Das Katafygion Koromilias (Google-Suche: Καταφυγιο Κορομηλιας) ist vor wenigen Jahren erst entstanden, und befindet sich auf etwa knapp 1100 meter Höhe am Ende der Schotterpiste. Die Katafygia (Schutzhütten) sind Einrichtungen, die denen unserer Alpenvereinshütten ähneln. Betreiber von „Koromilia“ ist ein ziemlich junges Paar. Die beiden versuchen, die Hütte ganzjährig zu betreiben, was aber regelmäßig wegen starker Schneefälle misslingt. Vorletztes Jahr waren sie zweieinhalb Monate lang eingeschneit und von der Außenwelt abgeschnitten. Dazu gehört schon etwas Mut. Ihre Zeit verbringen sie neben dem Herbergswesen mit dem Sammeln von Pilzen und Wildfrüchten, die – vielfach selbst den Einheimischen unbekannt – sie hier zu Likör, Geles etc. verarbeiten und verkaufen.

Die Hütte scheint übrigens ein Anziehungspunkt für die alternative Ökoszene Griechenlands zu sein. Regelmäßig werden hier Seminare für angehende Hobbyimker, Naturwanderungen usw. angeboten.

Wir unterhalten uns mit der Wirtin über die Beeren und Früchte. Sie hat gerade „Krana“ gesammelt. Davon hatte ich schon viel gehört – und sie – aufgrund vieler Falschübersetzungen in griechischen Kochbüchern- für „Cranberrys“ gehalten, jene fad schmeckenden preiselbeerartigen Dinger, die manchmal bei uns im Supermarkt angeboten werden. Ein Irrtum. Die Wirtin zeigt mir die hohen Sträucher, die in der Umgebung wild wachsen, und voll von saftigen, kirschroten, süßsauer schmeckenden Früchten hängen. Es sind Kornelkirschen (Cornus mas). Wieder was gelernt. Das Zeug also, das in städtischen Parkanlagen bei uns aus Verlegenheit als Zierstrauch gepflanzt wird.  Kalbfleisch mit „Krana“ und Quitten übrigens: ein Gedicht und einfach saulecker:

1 kg Kalbleisch, gestückelt wie Gulasch
1 kg Quitten (geschält, in Streifen geschnitten, ohne Kerngehäuse)
250 g Krana (Kornelkirschen)
2 Zwiebeln
2 Tomaten
200 ml Olivenöl <br>
Gewürze:
1 Tl Chili mittelscharf
1 EL Koriandersamen
5 Körner Piment
1 EL Thymian
1 Zimtstange
3 Knoblauchzehen
2 EL Zucker
Salz <br>
Kalbfleisch in Öl anbraten, mit dem Zucker bestreuen.. Zwiebeln, pürierte Tomaten und Gewürze zugeben. Krana mit etwas Wasser zusammen pürieren, von Kernen separieren und Wasser/Fruchfleischgemisch zusetzen. Gericht 1 ½ Stunden schmoren lassen, dabei umrühren und ggf. Wasser zusetzen, um Anbrennen zu vermeiden. Geschnittene Quittenstreifen gegen Ende zufügen und noch 15 min schmoren lassen. Mit Brot servieren.

 

Die Übernachtungspreise in der schlichten, aber gut gepflegten Berghütte sind übrigens konkurrenzlos: 12,- pro Nacht und Bett. Vielleicht einer der letzten Geheimtips in einer sonst stark touristisch erschlossenen Region.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert