Mit GPS zu den Rötelbergen von Kokkinopilos. Altsteinzeitliche Flinthaufen in roter Erde. Römische Aquädukte. Erfolgreich geschlossen: das archäologische Museum von Preveza und das antike Nikopolis.

24.08.2012, Preveza.


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Über die Rötelhaufen von Kokkinopilos gibt es wenige im Netz veröffentlichte Literatur, sie verweist darauf, dass dies einer der wenigen Plätze Griechenlands ist, an denen altsteinzeitliche Steinartefakte in Situ gefunden wurden.

„Kokkinospilos“ bedeutet „rote Erde“. In Griechenland existieren mehrere Orte, die diesen Namen tragen. Europaweit noch viel mehr, und als ich als Kind immer wieder einmal mit meinem Vater in die Eifel fuhr, beeindruckte mich jedesmal der Bahnhof „Aachen-Rote Erde“.  Da erzählte er mir der Vater, dass die römischen Damen sich einst mit „Terra rossa“ aufhübschten, um den Männern zu gefallen. Was ich damals nicht verstand.

Kokkinopilos in der griechischen Präfektur Preveza hat keinen Bahnhof. Es gibt dort nicht einmal ein Dorf, das so heißt. Ob der in Kokkinopilos  anstehende Rötel, der schon in der Altsteinzeit ein begehrtes Farbmaterial war, oder die dort anstehenden Flintvorkommen Anziehungspunkt altsteinzeitlicher Menschen gewesen ist, ist auf die Schnelle nicht heraus zu bekommen. Aber vorstellbar. Das wird alles in Halle nachrecherchiert. Ausschlaggebend für die Suche nach den Rötelvorkommen ist mein geradezu neurotisches Interesse an Farben, speziell auch jenem eisenoxidhaltigen Rohstoff, der eine zentrale Rolle in einem in Halle anstehenden Kongress zum Thema „Rot“ spielen soll. (http://www.lda-lsa.de/tagungen/mitteldeutscher_archaeologentag/)

Als Grund für eine Fahrt in die ipirotische Pampa reicht das schon vollkommen aus. Das wird keine wissenschaftlich vorbereitete Expedition, es ist Urlaub. Und vom Paläolithikum habe ich soviel Ahnung wie die Kuh vom Fliegen. Die Bilder von den Rötelhügeln, die mir Minas zeigte, sind einfach genug Grund für die Fahrt ins „Rote“.

Die Suche nach dem Rötelplatz führt zunächst von Parga aus in südliche Richtung, ein ganzes Stück vor Preveza biegen wir ab, die Route geht über Archangelos nach Louros.

„Rot“ ist ein Urmotiv, das in jeder Hinsicht positiv stimulierend auf Säugetiere wirkt und Urkräfte auszulösen vermag. .
(Pferd, Tomaten verzehrend, aufgenommen irgendwo auf dem Weg zwischen Archangelos und Louros )

Nach Fillipiada kommt der Ort Aghios Georghios, der laut Satellitenkarte ziemlich dicht an den gesuchten Rötelhaufen liegt.

Von dort könnte man einen steilen Hang hinaufsteigen, sich durchs Dickicht schlagen, was aber bei der Hitze ziemlich verwegen erscheint. Bei Aghios Georghios stoßen wir aber auf einen römischen Aquädukt, Teil der insgesamt über 70 Kilometer langen römischen Wasserleitung. Die Anlage wurde um 31. v. Ch. auf Anordnung Oktavians, des späteren Kaiser Augustus, errichtet, und diente der Wasserversorgung der über 300.000 Einwohner zählenden Stadt Nikopolis, dem Vorläufer des heutigen Preveza.

Aquaedukt bei Aghios Georghios.

Nochmal der selbe Aquädukt. Eigentlich sind des zwei, die sich hier im Tal versammeln.

Der See von Sirou – den Rötelbergen sind wir schon nahe, auch wenn das blaue Wasser nicht darauf hinweist.

Der  nächste Versuch, die Rötelberge zu erreichen, führt zurück Richtung Fillipiada, bis zu einer Abzweigung, die zu dem See von Siros (Limni Sirou) führt. Von dort tasten wir uns über Feldwege um den See herum in nördliche Richtung hoch. Wie eine Fata Morgana tauchen plötzlich die Rötelhänge auf, doch die vermeintlichen Feldwege, die zum Ziele führen könnten, versickern entweder im Nichts oder enden jäh vor einem Viehgitter.

Ein Treckerfahrer, der einzige in der Einöde sichtbare Mensch, beschreibt uns ungefähr den weiteren Weg über die Schotterpiste, an einem Bachlauf schlagen wir uns durchs Gebüsch, verfolgt von kläffenden Hütehunden, und sind am Ziel. Mittlerweile haben die Temperaturen 36 Grad im Schatten erreicht, aber Schatten gibt es auf den rot glühenden Hügeln kaum.

 

Die Rötelerde ist feinkrümelig, läßt sich bequem mit den Fingern verreiben, das Wühlen in dem gewaltigen Farbtopf macht Spaß, und entsprechend sieht man nach kurzer Zeit aus. (Die Hotelwirtin beklagte sich am anderen Morgen über rote Spuren im Zimmer und auf der Bettdecke – das Zeug färbt einfach hartnäckig, und ist kaum von der Haut abzubekommen).

Die Rötelhaufen sind ein interessantes Produkt der Verwitterung von hämatit- und kalkhaltigem Ausgangsgestein. Es sind „Paläoböden“, gewissermaßen eine Art fossilierter Boden, der allerdings jetzt seiner konservierenden Deckschichten verlustig wurde undf kräftig wegerodiert. Gelegentlich findet man auch noch gut erhaltene, dunkelschwarze Hämatit- und Limonitknollen (Bohnerze) herumliegen. Im Laufe der Zeit ist der Kalk aus dem Oberboden gelöst worden, der fein verteilte rote Hämatit sowie Tonminerale haben sich dabei an der Oberfläche aufkonzentriert. Wohl während der Genese der Böden , die vor ca. 100000 Jahren stattfand, gelangten altsteinzeitlicher Flintartefakte wie etwa Faustkeile,. in den Boden, und treten nun, in Folge einer mittlerweile sehr starken Erosion,  immer wieder zutage.

Kokkinopilos: wo Bäume auf Stelzen wachsen.

Von der gewaltigen Erosionsgeschwindigkeit zeugen einige verkrüppelte Bäumchen, deren Wurzeln im Laufe der Erosion immer mehr freigelegt wurden, und die zum Teil mit ihren Wurzeln wie auf Stelzen über dem Boden zu schweben scheinen. Schätzt man das Alter der Bäume auf maximal 30-50 Jahre, so kann man sich vorstellen, dass alle hundert Jahre die Hügel um ein bis zwei Meter niedriger werden. Bei diesen Erosionsgeschwindigkeiten mag man sich kaum vorstellen, hier altsteinzeitliche Feuersteingeräte anzutreffen, da sie,Hügel, setzt man mal eine nur 5-7000 Jahre andaurnde Erosionszeit voraus, die Hügel um 100 bis -200 Meter niedriger geworden, bzw. eigentlich verschwunden sein müßten.  Doch geologische Prozesse sind halt kompliziert. Feuersteinartefakte sind hier tatsächlich sowohl ergraben, als auch in großer Zahl freigeschwemmt worden. Das wird in Halle zu recherchieren sein.

Ein Roboter der Internationalen Gimritzer Griechenlandmission hat diesen Stein bewegt. Im Kontrollzentrum des Hallespektrums brach daraufhin Jubel ob der gelungenen Operation aus.

Sieht man von den spärlichen Bäumchen ab, sieht es hier oben aus, wie auf den ersten Bildern, die der Marsroboter Curiosity gefunkt hat. Davon, dass es auf diesem lebensfeindlichen Fleck einmal Wasser gegeben haben muss, zeugen nur die tiefen Erosionsrinnen, in denen lauter weißliche Flintsteinchen liegen.

Die kleinen Bäumchen sind übrigens Kermeseichen. Sie sind im mediterranen Raum weit verbreitet. Auch sie haben mit der Farbe „rot“ zu tun. Auf ihnen lebt eine mittlerweile selten gewordene Schildlausart, die Kermeslaus. Aus den Weibchen dieser Art gewann man in der Antike bis ins Mittelalter hinein einen wertvollen Farbstoff, „Kermes“ oder „Karmin“ genannt, mit dem man Wolle und Seide besonders intensiv rot färben konnte. Der Farbstoff war derart teuer, dass er nur hohen kirchlichen Würdenträgern und dem Kaiserhause vorbehalten war. Die kleine Laus steckt noch heute in dem neugriechischen Wort „kokkinos“, was schlichtweg „rot“ bedeutet, und sich von „Kokkos“, Korn, ableitet. So nannte man in der Antike die kleinen warzenartigen Läuse, die an den Blättern hafteten.

Kurz vor Preveza erreicht man die Ruinen des antiken Nikopolis. Die Reste der antiken Großstadt liegen an der langsam verlandenden Bucht von Amvraka, einem riesigen Flußdelta, das als einzigartiges Feuchtbiotop gilt und weitgehend unter Naturschutz steht.

Die Stadtmauer von Nikopolis

Nikopolis, „Siegesstadt“ wurde von Oktavian nach seinem Sieg in der legendären Seeschlacht bei Actium, bei der Oktavian sich endgültig seine Vormachtstellung im Römischen reich sicherte. (Actium liegt gegenüber von Preveza, bekannt heute durch einen stolzen Untermeerestunnel, bis auf einen hässlichen Militärflughafen gibt es dort nichts zu sehen.)

Erhalten ist neben umfangreichen römischen Resten wie Thermenanlagen vor allem eine gewaltige Stadtmauer, die jedoch aus späterer, byzantinischer Zeit stammt. Hinein können wir nicht – „ekteloundai erga“ , es finden „Bauarbeiten“ statt, steht auf dem Schild am Eingang des archäologischen Parks. In der Tat sind Bauarbeiter und Steinmetze beschäftigt, eines der byzantinischen Stadttore zu restaurieren. Leider ist auch das archäologische Museum geschlossen. Die Öffnungszeiten entsprechen den Bürozeiten im öffentlichen Dienst:

Montags-Freitags 9.00 – 17.00 h, Samstags, Sonntags, Feiertags: Geschlossen.

Erhaben weht die griechische Fahne über dem geschlossenen archäologischen Museum.

Um 1032 zerstörten die Bulgaren Nikopolis, und in unmittelbarer Nähe entstand Preveza als neue Stadt. Weder Größe und Bedeutung von Nikopolis wurden je wieder erreicht, Preveza hat heute ungefähr 16.000 Einwohner.

Großartige Sehenswürdigkeiten hat Preveza nicht, aber die hat die Touristenhochburg Parga erst recht nicht. Es gibt eine Strandpromenade mit auf  Neoklassizismus hochgetrimmten Neubauten der 1990er Jahre, einen venezianischen Glockenturm, ein paar originale Bauten des 19. Jahrhunderts. Alles wirkt etwas verschlafen, aber durchaus freundlich.

Reste einer der frühchristlichen Kirchen von Nikopolis.

 

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