24.08.2012, Ammoudia.
Minas Paschos hat Sportwissenschaft studiert. Nach einer Zeit schlecht bezahlter Anstellung als Aushilfslehrer an einer Schule wurde er nicht in das Beamtenverhältnis übernommen. Schlecht bezahlt zu werden für eine nicht selbstbestimmte Tätigkeit – das war nicht sein Ding. Er kündigte und machte sich selbstständig. Im Winter betreibt er eine Skischule, und den ganzen Sommer sitzt er am Ufer des Acheron, vier Kilometer oberhalb der Flussmündung des Acheron bei Amoudia. Handgemalte Holztafeln mit „AcheronKayak“ hat er dezent in der Umgebung aufgehängt. Unter Bäumen am Ufer sitzt er, zusammen mit Thansassis, einem 16 Jahre altem Schüler aus Amoudia, und wartet auf Kunden. Es sind in erster Linie Individualreisende, vor allem solche aus Deutschland, den Niederlanden und Skandinavien, die sich auf sein Angebot einlassen. Minas hat sein Radio auf einen Kultursender eingestellt, und während er einer Theaterkritik lauscht, angelt Thanasssis in in türkisblauen Fluß. 15,- Euro pro Person soll die Kanufahrt kosten, inklusive Einweisung. Es gibt verschiedene Angebote, wir entscheiden uns zunächst dafür, eine ungeführte Fahrt zu unternehmen, also ohne Begleitung.
Da wir die Fahrt zweimal gemacht haben, mischen sich jetzt die Erzählungen zweier Touren.
Größere Kartenansicht. Den Fluß Acheron kann man gut erkennen, der Startpunkt der Tour ist etwas unterhalb des Ortes Mesopotamos.
Die erste Variante besteht darin, den etwa vier Kilometer langen Fluß hinunter zu paddeln, dann nimmt Minas seine Kunden unten am Strand von Amoudia wieder auf, und fährt sie zurück. Eine weitere Variante besteht darin, dass man – in Begleitung von Minas oder Thanassis, der dann im eigenen Boot vorausfährt, über die Mündung des Acheron sich noch hinaus aufs offene Meer begibt – hin zu gewaltigen Felshöhlen am Ende der Bucht von Amoudia.
Minas wäre nicht Sportlehrer, würde er nicht jedem seiner Kunden vor der Fahrt eingehende Trockenübungen angedeihen lassen. Wir setzen uns dazu in eines der offenen Kunststoffkayaks, und müssen die Paddel in den Sand stechen – Wende rechts, links, vorwärts, Rückwärts. Wie genau das Paddel zu halten ist: Die Armbeuge hat einen rechten Winkel zu beschreiben, wie einzutauchen ist usw. Es erfolgt noch eine Beschreibung, welche besonderen Sehenswürdigkeiten auf dem Wasser und Ufer zu beachten sind: Lagerplätze von Sumpfschildkröten, Nachtigallennester in den Bäumen, Libellen, Kröten und vieles mehr.
Die Fahrt selbst ist mit Worten nicht einfach zu beschreiben. Daher die folgenden Bilder.
Nach unserer Ankunft an der Acheron-Mündung in Amoudia warten Minas und Thanassis schon auf uns. Sie überreden uns noch zu einer Anschlußtour, über das offene Meer, wo es gilt, eine andere Fahrtechnik zu entwickeln als auf dem träge dahin fließendem, glatten Fluß. Die Kamera habe ich gegen das die Gischt in einem Seesack verstaut, deswegen gibt es leider von diesem Fahrtabschnitt keine Bilder. Mit gezielten Stößen paddeln wir den Kunststoffkayak gegen die Wellen, sehr hoch sind sie nicht, aber es fühlt sich an, wie auf einer Achterbahn. Die Höhlen liegen im goldenen Licht der sich senkenden Sonne, hineinfahren tun wir allerdings nicht, die Brandung ist zu stark. In den Höhlen leben Fledermäuse und Tauben: Felsentauben, die Urform unser Stadt- und Haustauben.
Nach dem Aufladen der Bote am Strand unterhalten wir uns lange mit Minas. Minas beklagt, dass die meisten Touristen, die hier in der Gegend eintreffen, dem strengen Programm der Reiseveranstalter unterliegen. So würden viele Reiseveranstalter nicht einmal die Informationen über alternative Angebote, wie die von Minas, an ihre Kunden weitergeben. Aus Sicht der Reiseveranstalter sicher verständlich: denn wenn die Urlauber den ganzen Tag auf dem Wasser im Kayak verbringen, generieren sie keinen Umsatz.
Minas empfiehlt uns noch Reiseziele in der Umgebung, ist sichtlich bewandert in Vorgeschichte, Kultur, Geologie, Ökologie. Eine seiner Empfehlungen elektrisieren mich: Kokkinopilos, was soviel bedeutet wie „Roter Ocker“. Hier soll es eine interessante geologische Formation geben, wo Rötel in Form gewaltiger, spärlich bewachsener Hügel an die Oberfläche tritt. Die eindrucksvollen tiefroten Erdhügel sehen wir uns per Google-Earth auf dem Handy an – deutlich erscheinen sie auf den Satellitenbildern als rote Flecken in der sonst graugrünen, vollkommen einsamen Gegend. Über die Koordinaten und dem GPS müssten diese Erdhaufen in der einsamen Gegend eigentlich zu finden sein, dachten wir. Minas warnte uns allerdings schon, dass dort nichts ausgeschildert ist, und selbst Einheimische diesen Platz kaum kennen.