Kokkino Nero: Rote Wasserquelle und sowietische Auto-Sauna

An der Küstenstraße von Aghokampos nach Stomio in Richtung Thessaloniki findet man einen merkwürdigen Ort „Kokkino Nero“.  Hier biegt die Straße ab in die Berge, Richtung Karitsa.

Am Ortseingang von Kokkino Nero.

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Die Beckenkaskade in Kokkino Nero

„Kokkino Nero“ bedeutet rotes Wasser, und man versteht bald, warum der Ort so heißt. Ein kleies Bächlein, das von Mineralwasserquellen gespeist wird, verläuft neben der Straße zwischen den etwas schlicht wirkenden Ferienhäuschen, Hotels und Tavernen. Dafür liegen die beschaulichen Häuser unter hohen Platanenbäumen, hier ist es auch im Sommer angenehm kühl. Der kleine Bach ist rötlich gefärbt, und etwas oberhalb des Ortes sind seine Quellen zu kleinen Brunnen und Becken zusammengefasst. Die Becken sind mit trübem, intensiv braunrotem Wasser gefüllt.

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Eisenausfällungen färben den Schlamm nicht nur rötlich, sondern erzeugen schillernde Effekte auf der Oberfläche.

Doch das Wasser, das aus mehreren Rohren in die  Brunnenstuben und Becken fließt, ist zunächst einmal kristallklar. Viele Menschen kommen hier her, um sich das sagenhafte Heilwasser auf Flaschen abzufüllen. So, wie es aus den Rohren aus den Rohren plätschert,  ist es lauwarm und britzelt angenehm auf der Zunge. Weniger angenehm – man möchte sagen – widerlich! ist der Rostgeschmack.

 

Der liegt  aber nicht daran, dass die Leitungen etwa alt und korrodiert wären.  Das, was da aus dem Inneren der Berge zu Tage tritt, ist natürliches, stark eisenhaltiges, kohlensäurehaltiges Mineralwasser, ein natürlicher „Eisensäuerling“. Das Eisen liegt , wenn es aus der Quelle kommt, in schwach kohlensaurem Millieu als zweiwertiges Ion gelöst vor. Tritt es aber aus dem Rohr aus, und läuft langsam durch die nacheinandergefügten Rinnsale und Becken, so perlt die Kohlensäure langsam aus, und Sauerstoff tritt zu. Nun „rostet“ das Wasser. Es entsteht unlösliches Eisen(III), das als braunroter Schlamm von Eisenoxidhydraten ausfällt und zu Boden sinkt. Manchmal bilden sich Pfützen, auf dem ein blau schillernder Ölfilm zu liegen scheint. Niemand hat dieses Wasser mit altem Öl verseucht – was hier schillert, sind hauchdünne, schwimmende Schichten von Eisenoxiden auf dem Wasser. In größeren Mengen zum Dauerkonsum ist es allerdings nicht angeraten – es enthält, wie auch viele Trinkwasserquellen der Gegend, eine natürliche, aber nicht EU-konforme Menge der Schwermetalle Arsen und Antimon.

(Kasten: Mineralwasserchemie: eine Flasche frisch gezapftes Mineralwasser aus dem Brunnen von Kokkino Nero: noch ist es klar und sauber. Die Flasche wurde geschüttelt, die Kohlensäure entweichen lassen, und der Luft ausgesetzt: nun ist eine braune Trübung erkennbar.

Manche Leute baden in den schlammigen, rotbraunen Becken: wenn sie dann wieder heraus steigen, sehen sie aus, wie nach einem dreitägigen Aufenthalt im Sonnenstudio – nur ohne die lästige Faltenwirkung.

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In der Nähe des Brunnens haben sich Camper an einem Tischchen niedergelassen. Aus der Tanköffnung ihres Autos ragt ein langes Ofenrohr hinaus. Qualm tritt aus. Hinter dem Tankdeckel ist ein leichter Feuerschein zu sehen.

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Unsere neuen „Campingfreunde“ aus Taschkent mit ihrem Sauna-Lada.

Die vier Leute am Tisch haben gute Laune, sie winken uns zu sich heran. Nach den üblichen Fragen des woher etc. bieten sie uns überschwänglich selbstgemachten Likör aus Wodka, braunen Wahlnüssen an, Speck wird gereicht, Gurken aus eigenem Anbau, wir müssen uns dazu setzen. Es werden viele Wodka, und es kommt zu vielen überschwänglichen Verbrüderungsinszenierungen. Die beiden Männer und Frauen kommen aus Taschkent, leben seit der sowietischen Wende 1990 in Larissa, und genießen das Leben, ohne ihre bisherigen Präferenzen aufgegeben zu haben. Dazu gehört neben den kulinarischen und bacchiantischen Freuden vor allem die Sauna. Jetzt erst wird klar: der immer noch fahrtüchtige Lada ist eine mobile Sauna, und die roten Becken dienen nach dem Saunagang der Abkühlung. Rücksitze und Kofferraum wurden kunstvoll mit Holz vertäfelt, in einer Seitenverkleidung wurde kunstvoll ein Wappen mit „orthodoxem Doppeladler“ geschnitzt.

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Bitte einsteigen, es ist angeheizt !

Darüber steht „ΠΑΟΚ“: es ist das Symbol des traditionellen Fußball- und Handballoberligisten aus Thessaloniki (Panthessalonikischer Sportklub der Konstantinopler Griechen, Panthessalonikeios Athlitikos
Omilos Konstantinoupoliton). Der Verein entstand 1875 im griechischen Stadtteil von Pera (Istanbul), nach dem Bevölkerungsaustausch („kleinasiatische Katastrophe“) gründeten ihn griechische Flüchtlinge 1926 in Thessaloniki neu. Im neuen Wappen läßt der Adler –aus Trauer um die verlorenen Heimat, die Flügel hängen. Nach langen Finanzkrisen wurde der sportlich erfolgreiche Verein 2012 von dem russischen Geschäftsmann Ivan Savvidis übernommen.

Von Kokkino Nero aus empfielt sich die Weiterfahrt über Karitza, Stomio in das Mündungsdelta des Pinios nach Rapsani, oder aber nach Ambelakia, was dann das nächste Kapitel sein wird

Kokkino Nero: link zu Google-Streetview